T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, Oktober 30, 2005

Buchprojekt: Anerkennung

Sommer 2000. Die Blaue Moschee (Mavi Cami) in Istanbul. Wir haben die schweren Schuhe draussen ausgezogen und verwahrt. Beim Eingang ausgehändigte schmucklose Tücher sorgen dafür, dass meine Blicke weder durch tiefe Auschnitte von bajuvarischen Wirtinnen angezogen noch durch die dicken Waderln ihrer Gatten abgestossen werden. Keine üppigen Bilder, die sich an allen Ecken und Enden ins Gesichtsfeld vordrängen. Dafür Myriaden von kleinen Bildchen oder Ornamenten. Der fixierende Blick rutscht an ihnen ab oder verliert sich in ihnen. Unverstellter Platz. Raum waltet. Verkrampfte Bauchmuskeln lösen sich und lassen die Seele in den Raum sich ausbreiten, aus dem sie, geräumiger nun, zurückfliesst. Geflüster, Hüsteleien und Geräusper vermögen die grosse Stille kaum zu stören.

Das Ringen nach Worten hat zwar schon lange nachgelassen. Doch dann - wie so oft, wenn's so richtig feierlich wird - beginnt sich im Gehirnskasten doch noch ein höchst aufdringlicher, vorwitziger Satz, ein lapidarer und unangemessener Satz obendrein, zu bilden und sucht den Weg ins Freie: "Jetzt weisst du, wo Gott hockt." Und siehe da: Auch er wird vom grossen Raum verschluckt. Ein kleiner, lächriger, persönlicher Satz, der mit anderen, gewichtigeren, seine Bedeutsamkeit ablegt und sich im einen grossen Raum verliert.

Wider das Bilderverbot


Ich denke, es ist an der Zeit, zwischendurch mal einen kritischen Einwand zu formulieren, selbigen in den Raum zu stellen, irgendwas einer kritischen Reflexion zu unterziehen und es obendrein noch kritisch zu hinterfragen. Und zur Feier des Tages versehe ich dieses Unterfangen mit einem separaten Titel:

Einwendung, erhoben und in den Raum gestellt in kritischer Absicht
zum Zwecke der Erhöhung der Reflexivität meiner Blogs

Wenn Anerkennung darin besteht, den andern in seinem So-Sein zur Kenntnis zu nehmen und es gelten zu lassen, und wenn die Kenntnisnahme notwendigerweise auch darin besteht, dass man sich vom andern ein Bild macht, das man, weil das zur Kenntnis Genommene ja gelten soll, einfach stehen lässt, verkommt dann Anerkennung nicht letztlich zu einer gut getarnten, besonders perfiden Festlegung des andern auf das Bild, das wir uns von ihm machen?
["Mein lieber Jan, dein blödes Gekicher ist kein Argument!"]

"Du sollst dir kein Bild machen!" - "Ist ja auch nicht nötig. Das Bild produziert sich wie von selbst. Es stellt sich einfach ein." -
Wie macht man sich kein Bild? - Mach ein, zwei, ... viele Bilder!

Das Bild, das du dir nicht selber machst, mag das renitenteste von allen sein. Es will den ganzen Raum einnehmen. Seine Gewalt wird gebrochen, wenn es sie mit andern, die du dir aus interessierter/liebender Beobachtung zurechtzimmerst, teilen muss. Die vielen, vielen Bildchen verlieren sich in einem schillernden, verfliessenden Mosaik, das den fixierenden Blick bricht und den Raum freigibt.

Wahrheit emphatisch: unverstellter Raum, wo von sich aus Zeug und Geschichten in die Unverborgenheit treten mögen.

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Fürchtegott J(eremiades) Inkri

Es gibt Hausgenossen, deren blosses Überleben gefährdet ist, wenn sie Anerkennung erfahren.

Anerkennung, unerbittlich, gnadenlos


Jan: "Wie geht es eigentlich der Sibylle da in diesem Berlin?" - "Die Stadt wird kälter, und Sibylle beginnt sich für sie zu erwärmen. So schreibt sie in ihrem letzen Mail. Oh, beinahe hätte ich es vergessen: Sie lässt die ganze WG ['die etwas andere WG'] grüssen. Die Ehre der ausdrücklichen Erwähnung wurde diesmal unserm Inkri zuteil." - "Was?! Dem!!?"

Kaum hat er sich ein wenig von der Beförderung erholt, trifft meinen Inkri damit ein weiterer harter Schlag. Der arme Kerl beginnt am Sinn seines Lebens zu zweifeln. Wozu sich soviel Mühe machen, wenn die Botschaften zwar gelassen angehört, aber dann partout doch nicht richtig verstanden werden wollen? Inkri will nicht geliebt werden. Es ist ihm wohler, wenn er uns als mahnender Leierkasten immerfort in den Ohren liegen darf. Er nimmt seine Arbeit ernst. Er muss zu meinem Wohle nerven. Dinge wie Beförderungen und Grussbotschaften bringen ihn aus dem Konzept.

In meiner WG sitzt ein verdatterter innerer Kritiker. Ein trauriges Bild!

Rubrik: Metaphysik: II. Metaphysica specialis: Unsterblichkeit

[Aktennotiz]

Zur Frage der Unsterblichkeit


Zu löschende Eintragungen:
Metaphysik: II. Metaphysica specialis: Unsterblichkeit: "Ich bin nicht unsterblich."
Daselbst: "Nichts an mir ist unsterblich."
Neue Eintragung: "Ich halte mich nicht für unsterblich."

Begründung: Die zu ersetzenden Eintragungen sind extrem (subjektiv)istisch, forciert. Die neue Eintragung ist reifer, ausgewogener, boshafter.

Die Akte wird damit geschlossen. Später wird dann gestorben. Anschliessend wird die Sonne scheinen, und die Vögel werden singen - ohne mich.

[Mit einem "Habe die Ehre" an Peter Handke
Philotustan]

Rubrik: Lebensweisheit

[Hier gibt es zuerst drei gerade Sätze mit ein bisschen T(r)iefsinn. Dann wird gesungen und gequatscht und nicht nur mit den Roten geflirtet.]

Wer bin ich? (3)


Ich bin viele.

Ich lerne einen andern Menschen kennen. Da kann es nun passieren, dass ich gegenüber diesem Menschen ein Verhalten an den Tag lege, das ich bei mir noch nicht vorgefunden habe. "Ich bin ja anders! Ich überrasche mich!"

Ich bin viele. Diese vielen entdecke ich, wenn ich mich liebend auf andere Menschen einlasse.

Und wenn der andere mir sagt, wie ich bin, brauche ich frische Luft. Und wenn ich beim andern anders sein kann, beginne ich ihn zu lieben.

Ich bin viele. Diese vielen entdecke ich, wenn ich mich liebend auf andere Menschen einlasse. Und dann tut sich was!

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"Es tut sich was." Das ist ein guter Satz. -
"Es tut sich was, ja, es tut sich was." So beginnt der Refrain eines Lieds von Wolf Biermann. Ein anderes beginnt mit "Das kann doch nicht alles gewesen sein."

"Ich bin halt noch am Leben" ist ein phantastisch guter Satz. -
Biermann: "Und ich lebe noch!"
Heinrich Heine: "Einige sind schon gestorben, sie wissen es nur noch nicht."
Daniel Cohn Bendit, 1978 in einer Talkshow auf einen Widerspruch in seinen Aussagen hingewiesen: "Das kommt davon, dass ich noch am Leben bin." Und auf seine Kontrahenten weisend: "Rudi [Dutschke], jetzt schau dir mal diese Mumien an."

Biermanns "So oder so: Die Erde wird roooot" ist womöglich falsch. Doch wen kümmert's, wenn der Kerl so gute Laune verbreitet. Er lebt halt noch. Und es regt sich was. ("Es tut sich was" singt er zusammen mit Eva Maria Hagen. - "Nein, ich glaube nicht, dass Nina Hagen die Frucht einer solchen Regung ist.")

Samstag, Oktober 29, 2005

Rubriken: Buchprojekt; Lebensweisheit

Wer bin ich? (2)


Eine vertrackte Frage, die natürlich ernstgenommen werden will. Wird sie aber ernstgenommen, kann sie jede Leichtigkeit verlieren und zu einer regelrechten Plage werden.

Der Kern unserer Person will unmittelbar und unbekümmert, unangefochten und unbefangen zum Vorschein kommen: Er will schlicht und einfach gelebt werden.

Doch dann kommt der ANDERE und zeigt mit dem Finger drauf: "Du bist so und so!" Manchmal: "Du bist allzu so und so." Und jetzt verschwindet für qualvolle Momente die Unbefangenheit und unhinterfragte Selbstverständlichkeit, mit der wir bis zu diesem Moment - in herrlich unbewusstem Einklang mit dem Kern unseres Wesens - still und zufrieden und unbedenklich vor uns hingelebt haben. Selbstvergessen wie Kinder. Wie im Paradies. Der vom Baum der Erkenntnis gepflückte Satz, der uns aus dem Paradies reisst, stammt vom ANDEREN, der da gewichtig verlautbart: "Bedenke, oh Mensch, dass du so und so bist."
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Der Schöpfer findet am meisten Gefallen an uns, wenn wir, auf uns selber vertrauend, in seinem Paradies lustwandeln. Sollen andere sich über uns den Kopf zerbrechen. (Für uns hat die Ausgangsfrage eher etwas Spielerisches und Selbstverliebtes: "Was steckt noch alles in dieser tollen Person?") Und dann dürfen sie das Ergebnis ihrer traurigen Wissenschaft hübsch für sich behalten. Sie tun ihr Bestes, wenn sie uns einfach sein lassen. Und dafür werden wir sie dann in unser Herz schliessen und verwöhnen und in ihrer Einmaligkeit und liebenswürdigen Schrulligkeit achten und unterstützen. Nur den Zeigefinger sollten sie hübsch bleiben lassen. Denn keiner hat das Recht, mit ausgestrecktem Finger auf das Allerheiligste des andern zu zeigen und naseweise Bemerkungen zu machen. Der Zorn Gottes wird ihn treffen. Denn der hat uns das Leben geschenkt, das wir nun auch unserem Wesen entsprechend führen dürfen. Der Allmächtige mag gute Kostgänger, die sich an seinen Gaben erfreuen. Das Herummäkeln ist des Teufels und dessen Gefolges, der Heerscharen der inneren und äusseren Kritiker.


[Link zu "Das Gefühl der Absurdität des Daseins";
[Letzterer Artikel kann so ins Buchprojekt integriert werden: Anerkennung erspart dem andern das besagte Gefühl]

Rubrik: Kafka lesen

Jan Schlendri ist kein eifriger Leser. Er lässt sich lieber von mir was vorlesen. Und bei der Auswahl, die er ganz allein treffen darf, kennt er keinen Respekt. "Lies mir doch einfach etwas aus dem 'Schloss' vor. Mal sehen. Vielleicht ist das was." Na, da mag er recht haben. Ich ziere mich nicht lange und wähle eine Szene aus dem 18. Kapitel. Kurze Einführung: Was bisher geschah. Dann lege ich mich für zwei Stunden ins Zeug. "Nochmal", unterbricht Jan ab und zu. "Unglaublich!" "Stop! Jetzt habe ich den Faden verloren. Geh zurück zur Stelle, wo ... ." Und schliesslich: "Das reinste Kabarett, was dieser Kafka da veranstaltet. Cool!"

Wer Jans Urteil teilt, kann sich diesen Blog schenken. Wer sich nicht sicher ist, mag weiterlesen. Wer den Roman schon gelesen hat und denkt, Jan habe da was gründlich missverstanden, wird zur Lektüre verknurrt.

Das Schloss.
Nacherzählung einer Szene aus dem 18. Kapitel


Ort des Geschehens: Der sogenannte Herrenhof eines kleinen, ländlich geprägten Dorfes mit einem völlig überdimensionierten Verwaltungsgebäude, dem Schloss. Im Herrenhof empfängt ein Heer von Sekretären der höheren Beamten ihre 'Parteien' zu nächtlichem 'Verhör'.

Die Hauptfigur: Ein gewisser K., der, bevor er seine neue Stelle als Landvermesser im Dorf antreten kann, noch eine kleine amtliche Formalität zu erledigen hat, die sich aber, so darf der Leser, nachdem er K's diesbezügliche intensive Bemühungen über gut 200 Seiten mitverfolgt hat, mit Fug und Recht schliessen, als vertrackter als ursprünglich angenommen erwiesen hat.

An diesem Abend wird K. von einem Herrn Erlanger erwartet. Aus dem Treffen wird aber nichts, da K. sich in der Zimmertür irrt. - Aber nun empfing ihn ein leichter Schrei. - Dann flüstert es durch einen Spalt zwischen Decke und Bettuch: 'Wer ist es?' K. nennt seinen Namen, und der Mann im Bett - ein Herr Bürgel - setzt sich unverzüglich aufrecht und beginnt munter zu plaudern. In offenkundiger Verkennung der Komplexität der Verwaltungsangelegenheiten erbietet er sich, aus dem Handgelenk mit Hilfe eines keinen Notizblocks die Sache da oben in Ordnung zu bringen. K. kann das nicht ernstnehmen. Herr Bürgel erklärt die Besonderheit der augenblicklichen Situation, wie sie sich aus den allgemeinen Umständen für ihn und seinen nächtlichen Besucher ergeben hat:

Gewiss doch. Es scheint unmöglich zu sein, dass eine Partei mit ihrem Anliegen bei der örtlichen Verwaltung durchdringt. Aber es ergeben sich dann doch wieder Gelegenheiten. Günstig ist allein schon der Umstand, dass die Verhöre in der Nacht stattfinden: Die Vorbringungen der Parteien bekommen mehr Gewicht, als ihnen zukommt, es mischen sich in die Beurteilung gar nicht hingehörige Erwägungen der sonstigen Lage der Parteien, ihrer Leiden und Sorgen, ein. Hier besteht eine Lücke in der amtlichen Organisation. Aber das Problem ist erkannt, und es sind etliche Vorsichtsmassregeln getroffen worden.

Und doch gibt es eine Möglichkeit durchzukommen. Freilich, eine sehr seltene oder, besser gesagt, eine fast niemals vorkommende Möglichkeit. Sie besteht darin, dass die Partei mitten in der Nacht unangemeldet kommt. Darum wird der Partei, oft noch ehe sie selber sich die Sache zurechtgelegt hat, eine Vorladung zugeschickt und eine entsprechende Vormerkung in die Akten eingetragen. Denn nun kann die Partei nicht mehr unangemeldet erscheinen. Sie kann höchstens zur Unzeit kommen. Nun, dann wird sie nur auf das Datum und die Stunde der Vorladung aufmerksam gemacht, und kommt sie dann zur rechten Zeit wieder, wird sie in der Regel weggeschickt, das macht keine Schwierigkeit mehr; die Vorladung in der Hand der Partei und die Vormerkung in den Akten, das sind für die Sekretäre zwar nicht immer ausreichende, aber doch starke Abwehrwaffen. Diese Regelung gilt freilich nur für den zuständigen Beamten. Ist der Beamte nicht zuständig, steht es der Partei frei, unangemeldet zu erscheinen. Das nützt ihr dann bloss nichts.

Unangemeldetes Erscheinen bei einem Beamten, der zuständig ist und durch Verschickung einer Vorladung Vorkehrung gegen unangemeldetes Erscheinen getroffen hat: So lautet somit das Erfolgsrezept. - Kein Durchkommen möglich? - Doch! Das so gut wie Unmögliche, es kann sich ereignen!

Das Geheimnis steckt in den Vorschriften über die Zuständigkeit. - Natürlich ist es unvorstellbar, dass ein einziger Beamter den vollständigen Überblick auch nur über den kleinsten Fall besitzt. Es gibt also Teil- und Nebenzuständigkeiten. Und natürlich wird der Hauptzuständige sich hüten, die Verhöre persönlich durchzuführen. Zu viel steht auf dem Spiel. Doch die Möglichkeit besteht, dass eine Partei aus dem Heer der Beamten einen, der eine gewisse Nebenzuständigkeit für ihren Fall besitzt, zufällig, etwa indem sie sich in der Zimmertür irrt, aus seinem Schlaf weckt und ihn, in einem Moment der Schwäche, mit ihrem Ansinnen überrascht. Aber auch das muss noch nicht zwingend zur Katastrophe führen. Freilich, wenn die Partei im Zimmer ist, ist es schon sehr schlimm. Es beengt das Herz. Es drängt den Beamten, der Forderung der Partei nachzugeben. Man folgt ihr und hat nun eigentlich aufgehört, Amtsperson zu sein. ... Unserer Stellung nach sind wir ja gar nicht befugt, Bitten ... zu erfüllen. Wo käme man da hin, wenn eine Amtsperson auf das Ansinnen einer Partei ernsthaft eintreten und den Fall schliesslich abschliessen würde! Herr Bürgel sieht die Folgen klar vor sich: Es würde die Amtsorganisation förmlich zerreissen. Nacktes Entsetzen packt ihn, wenn er sich das nicht Auszudenkende zu vergegenwärtigen sucht: Der fehlbare Beamte würde allein dastehen, wehrlos im Angesicht seines Amtsmissbrauchs.

Herr Bürgel charakterisiert so seine Situation: Es ist die schwere Stunde des Beamten. ... Man muss sich bescheiden und warten. - Das Unwahrscheinlichste ist eingetreten. Schicksal nimm deinen Lauf!

K. schlief, abgeschlossen gegen alles, was geschah.

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Die Ausührungen Herrn Bürgels erstrecken sich über 13 Seiten. Sie stecken voller vertrackter kleiner Details, die ihrerseits alle in ihrer Funktion für das Ganze in korrektem Amtsdeutsch erschöpfend[!] erklärt und gewürdigt werden. Herr Bürgel streift jede amtliche Zurückhaltung ab. K. soll die Einzigartigkeit der Situation, in der er sich gerade befindet, vollends nachvollziehen können. Kein wesentliches Detail - und was ist an einer so ausgeklügelten Organisation schon unwesentlich? - darf übergangen werden. - Die Folgen können fatal sein: Wenn nämlich die Aufmerksamkeit des Lesers für Momente nachlässt, verpasst er schlicht die Pointe(n), und anstatt mit Jan herzhaft mitzulachen, ergeht er sich weiterhin in den allzu bekannten Untiefen der vorgespurten Kafka-Interpretationen, die dem unglücklichen Leser das Lachen geradezu verbieten,

Mittwoch, Oktober 26, 2005

[Aus: Tod der US-Bürgerrechtlerin Rosa Parks. A. R. Washington. NZZ, 26.10.05]

Montgomery (Alabama). 1. Dezember 1955


[Ich schreibe hier schlicht und ergriffen ab:]
An jenem Abend bestieg die schwarze Näherin, die in einem Kaufhaus der Stadt Mongomery (Alabama) arbeitete, einen Bus, um nach Hause zu fahren. Gemäss den damaligen Rassentrennungsgesetzen Alabamas waren die vordersten Sitzreihen für Weisse reserviert, die hintersten für Schwarze. In der mittleren Sektion konnten schwarze Passagiere ebenfalls Platz nehmen, allerdings nur so lange, als sich kein Weisser dort setzen wollte. Dann mussten die schwarzen Passagiere die gesamte Reihe räumen und nach hinten gehen. Schwarze waren auch verpflichtet, ihr Billett vorne beim Fahrer zu lösen und dann hinten wieder einzusteigen, damit sie nicht an den Weissen vorbeikamen.

Parks befand sich an jenem Abend mit drei anderen Schwarzen in einer Mittelreihe. Als ein zusteigender Weisser vorne keinen Platz mehr fand, wurden alle vier zum Aufstehen aufgefordert. Drei gehorchten, doch Parks weigerte sich. Der Busfahrer rief die Polizei, die Parks umgehen verhaftete. Ein Gericht verurteilte die Frau wenige Tage später zu einer Busse.

Rubrik: Gott

Ich erinnere mich nicht, aus dem Mund der verstorbenen Marianne das Wort "Gott" jemals vernommen zu haben. Ich erinnere mich auch nicht, mit ihr zusammen jemals eine Kirche betreten zu haben. Aber ich sehe sie auf unserem Balkon sitzen und mich, den unter der Gottesferne Leidenden, stumm auf die Amsel hinweisen, die auf dem Giebel des Nachbarhauses ihre abendlichen Tonkaskaden produzierte. - Marianne hatte sich eben erst als frischgebackene Ärztin etabliert, als ein schweres Krebsleiden sie aus dem Leben riss.

Marianne


Liebe Marianne

Ich möchte dir noch einmal danken. - Danken für alles, was ich mit dir zusammen erleben durfte. Danken für alles, was ich von dir gelernt habe: den liebevoll interessierten Umgang mit den Menschen, das Gespür für die immense Schönheit der Welt und die wundervollen Aufregungen des Lebens. "Spannend" war eines der von dir am meisten verwendeten Wörter. Selbst unsere schwarzen Kater führten ein "spannendes" Katzenleben. -
Marianne, du bist ein wunderbarer Mensch. Und du lebst weiter. Du bereicherst weiter m e i n Leben und das der Menschen, mit denen ich zu tun habe, indem ich Ihnen das weitergebe, was du mir gegeben hast: Freundlichkeit, Güte und das Gespür für die unermessliche Schönheit der Welt. Das verspreche ich dir. -
Ich werde an dich denken, wenn in der Abenddämmerung deine geliebte vorwitzige Amsel das Lob des Schöpfers unermüdlich in die Welt hinausschmettert.

Liebe Angehörige

Dieser gewaltige Schöpfer, der Gerechten wie Ungerechten grosses Leid zufügt, gebe uns allen die Kraft, auch angesichts dieses Leids zusammen mit dir, geliebte Marianne, in das Lob der Amsel einzustimmen. -
Und so wirst du, Marianne, unter uns weilen, wenn wir zusammen mit den Katzen ein spannendes Leben führen und zusammen mit den Amseln die unermessliche Schönheit der Welt preisen.

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Der innere Kritiker

Anerkennng und Beförderung


Der innere Kritiker ist von mir zum Bürochef und obersten Schreiberling mit besonderen Vollmachten befördert worden. So hat er es denn dank seiner Beharrlichkeit und Genauigkeit endlich zu etwas gebracht. Freilich: Die Feierlichkeiten haben bei ihm eine gewisse Schreibhemmung ausgelöst.

Ich: Das kommt schon wieder! Ruhen Sie sich ruhig für eine kleine Weile auf den wohlverdienten Lorbeeren aus!
Er: Das ist ein unsauberer Trick. Damit können Sie mich nicht reinlegen. Ich spucke auf die Beförderung. Im Grunde wollen Sie mich nur loswerden.
Ich: Sehen Sie! Die alte Schaffenskraft, die ich so an Ihnen bewundere, regt sich doch gleich wieder. Weiter so!

Wau! Ist es schön, den eigenen Haushalt so im Griff zu haben, dass man sich an den Machenschaften eines der übelsten Mitbewohner wie an einem Schauspiel ergötzen kann!

Er: Ich kündige! Ueber mich macht sich keiner lustig!
Ich: Hören Sie, mein Bester. Nehmen Sie Vernunft an! Sie wissen genau, dass Ihre Stelle unkündbar ist. Kein Mensch würde Sie für die Tätigkeit, die Sie bei mir ausüben, bezahlen. Und Sie können ja nichts anderes. Also: Es gibt noch viel zu tun. Packen Sie's an!

Rubrik: Leserfragen

Zu den Leserinnen meiner Blogs zählt eine liebe Arbeitskollegin, eine Albanerin aus dem Kosovo, die fliessend Türkisch spricht, französische Literatur verschlingt und deutschsprachige Gedichte schreibt. (Wie hervorragend ihr Deutsch ist, zeigt sich an der Art der wenigen Fehler, die sie macht. Beispiel: Sie spricht von "Ausgewählten Werken" als von "Erlesenen Werken".) Sie fragte mich heute:

Was ist der Sinn des Philosophierens?


Jan hat mir eine Weile zugeschaut, wie ich mich mit der Frage schwertat: "Du hast zu viele Bedenken. Antworte direkt! Sie kann ja nachfragen." - "Ok."

Der Sinn des Philosophierens besteht darin, ein glücklicher Mensch zu werden.
Wer philosophiert, bildet die ihm als einem Menschen gemässe Tätigkeit des Denkens zur Tüchtigkeit aus. Das macht glücklich.

Anmerkungen:
1)
Du hast eine bestimmte Fähigkeit. Sie auszubilden, zu erleben, wie sie grösser und kräftiger wird, sie schliesslich in vollem Umfang auszuleben: Das macht dich glücklich. Und dieses Glück ist beständig.
2)
So ist es auch mit dem Denken. Es ist anstrengend. Es mag längere Durststrecken geben. Aber dann stellt sich wieder das vertraute Glücksgefühl ein. Man muss es erlebt haben!

Jan: "Ein Freund von dir läuft doch Marathon. Dazu fällt mir nur Muskelkater ein, ja und noch die Puste, die dann auch irgendwo ist. Es gibt sicher auch Leute, denen fällt nur Kopfweh ein, wenn sie vom Denken hören." - "Ein toller Vergleich!"


[Noch ein kurzer Griff ins Schatzkästlein: "Die eigentliche Entdeckung ist die, die mich fähig macht, das Philosophieren abzubrechen, wann ich will." (PU, 133)]

Dienstag, Oktober 25, 2005

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Der innere Kritiker, Jan Schlendri

Der innere Kritiker (2)


"Du musst dich mit dem inneren Kritiker auseinandersetzen!" -
Versuche dir klarzumachen, wie absurd diese Aufforderung ist. Es ist nutzlos, wenn ich die Absurdität des Vorhabens hier begründe. Geh einfach von deinen Erfahrungen aus.

Nur ein kleiner Anstoss von meiner Seite: Fürchtegott Jeremiades Inkri ist beständig, verlässlich, berechenbar. Er hat immer das letzte Wort, das da lautet: Du bist im Minusbereich. - Was nun, wenn du ihm das vorhältst? Das kennst du doch: "Deine Kritik an mir zeigt doch nur, dass du im Grunde ... ", und ab geht's in den Minusbereich. Das ist ätzend langweilig. Du kennst das alles schon bis zum Überdruss. Weil du mit ihm verflochten bist.

Schau dich besser nach einem Hausgenossen um, der keinen Draht zu Inkri hat. Entwirf sein Profil. Gib ihm seine eigene Sprache. Mit der Zeit wird er ein Eigenleben entfalten. Du wirst ihn fragen können, wie er eine Sache sieht. Du wirst nicht nachdenken müssen, was er wohl denken mag. Du wirst ihm einfach zuhören können.

"Lass ihn reden!", meint Jan achselzuckend. "Er tut ja bloss seinen Job. Und er tut ihn gründlich. Lass ihn machen und pfusch ihm nicht ins Handwerk. Und versuch erst gar nicht ihn abzustellen. Der findet immer was."

Lass ihn reden. Hilf ihm nicht. Er schafft es von alleine.

[Anderer Titel: Jan oder Die Gelassenheit]

Sonntag, Oktober 23, 2005

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Der Zwangsneurotiker

Jan: "Du magst doch diesen Wittgenstein da. Warum hat der noch keine Rubrik?" - "Da hab ich so meine Gründe. Weisst du, dieser Wittgenstein, der starb 1951. Ich wurde 1952 geboren." - "... Du spinnst. Aber harmlos."

Ludwig Wittgenstein ist mein Philosoph. - Wie kommt das? - In der Mittelschule hatte ich zwei Philosophielehrer. Der eine hatte von ihm noch nie gehört. Der andere riet mir ausdrücklich von ihm ab. Kam dazu die Pubertät. Resultat: Wittgenstein wurde mein Philosoph.

Der Zwangsneurotiker


Du kannst ihn z.B. den Zwänggi nennen. Mir ist sein Name egal. Er ist der einzige, der mit dem inneren Kritiker richtig gut auskommt. Und er ist auch der einzige, der ab und zu mal eine ordentliche Tracht Prügel von mir abbekommen hat. Heute gehe ich subtiler vor: Ich therapiere ihn. Kostenlos. Selbstverständlich darf auch er bei mir wohnen und wirken. Auch er wird anerkannt.

Zwänggi leidet unter dem Begründungszwang. Wer mit diesem Ausdruck nichts anfangen kann, darf das Folgende ruhig überspringen. Der Zwänggi hat hier seine zwei einzigen Auftritte: den ersten und den letzten. Ende der Show. Ihr einziger Zweck: Die Präsentation eines therapeutischen Verfahrens.

Vorstellung des Verfahrens: Es beruht auf Wittgensteins "Über Gewissheit". Genauer: auf einem Extrakt davon, in praktischer Absicht zusammengebräut von Philotustan, als er an Band 2 ("Der Begründungszwang") seiner unveröffentlichten Werke arbeitete.

Etwas gesunde Kost vorweg:
Par. 1 lautet: Wenn du weisst, dass hier eine Hand ist, so geben wir dir alles übrige zu.
In Par. 456 heisst es dann: Wenn ich also zweifle, oder unsicher bin darüber, dass das meine Hand ist (in welchem Sinn immer), warum dann nicht auch über die Bedeutung dieser Worte?

Und nun ein paar Takte zum Einstieg in mein Verfahren:
1)
"Es steht nicht zweifelsfrei fest, dass das eine Hand ist." - "Entschuldigen Sie bitte! Was ist eine Hand?" -
2)
"Wie kannst du dir sicher sein, dass da ein Bild an der Wand hängt?" - "Wie kommst du darauf, dass da eine Wand ist? -
Mein Bester, ich versteh einfach nicht, warum du gerade hier zweifelst. Deine Forderung nach grundgründlichster Begründung. Und dann diese völlige Beliebigkeit! Ich ertrag das nicht!"

Die Musik spielt weiter. Und zum Schluss wird's dann irre systematisch:

"Aber ich kann mich doch immer irren." - "Woher weisst du das?" - "Ich gehe davon aus, dass ... " - "Mit welcher Berechtigung?" - "Du musst aber doch zugeben, dass ... " - "Hast du eine Ahnung!" usw. usf.

Zwinge den, der unter dem Begründungszwang leidet, dazu, mit der Begründung ständig fortzufahren; lass keine Evidenz gelten; jeden Hinweis auf einen tatsächlichen Irrtum weise als inkohärent zurück ("Ich habe mich geirrt." - "Ich mag deinen Dogmatismus nicht. Wie kannst du dir da so sicher sein?"); weise darauf hin, wie ungeheuer bedenklich und willkürlich seine Bedenken sind ("Warum setzt du hier/gerade hier mit deinem Zweifel ein?"); wenn er wimmern sollte: "Ich meinte doch nur ... ", frag ihn, was er denn unter 'meinen' verstehe; usw. usf.

Wittgenstein führt eine Menge von Verfahren an, die dem unsinnigen Zweifel die Spitze nehmen und den Begründungszwang lockern sollen. (Du kannst dir selber solche Verfahren ausdenken.) Es hätte gar keinen Sinn, würde den Zweck verfehlen, hier Argumente auftischen zu wollen. Was Wittgenstein bekämpft, ist eine Krankheit, und Argumente sind Dinge, an denen der Kranke sich festbeissen kann: Argumente schaden ihm nur.

Wittgenstein ersetzt Argumente durch therapeutische Verfahren.

Die Therapie dauert lange, und Wiederholungen sind unvermeidlich. Das therapeutische Verfahren lebt von solchen Wiederholungen.

Und weil du, geneigte Leserin, gesund und munter bist, bleibt dir solches hier erspart, und so erreiche ich denn - etwas ausser Puste - das

Ende des Blogs

[Für die ganz aufmerksamen Leser: Hier habt ihr auch ein Beispiel für die Kunst der Freunde Wittgensteins, einen Ismus zur Nachspeise zu nehmen.]

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Der innere Kritiker (Inkri)

Der innere Kritiker ist ein Plaggeist. Er hat den Überblick. Über das gesamte Hauswesen. Ihm entgeht nichts. Er ist rechtschaffen und fleissig. Sein Blick ist unbestechlich. Seine Lieblingskonjunktion ist das ABER. Und was darauf folgt, ist immer wahr. Versuche, ihm ernsthaft zu widersprechen. Er wird dir unumwunden recht geben. Dann kommt das ABER. Gefolgt von etwas Wahrem. Bis er stirbt. Dann ist Feierabend. Wie schade, dass du ihn nicht überleben kannst!

Der innere Kritiker ist ein Plaggeist. UND er ist ein Meister seines Faches. -
'Anerkennung' ist für ihn ein Fremdwort. UND er will anerkannt sein. -
Das UND ist die Konjunktion der Anerkennung.

Der innere Kritiker


Ich gebe mir keine Mühe, ein Profil von ihm zu erstellen. Jede(r) kennt ihn schliesslich. Und wer ihn nicht kennt, dem möchte ich an dieser Stelle meinen neidlosen Glückwunsch aussprechen. Ich nenne also bloss seinen vollständigen Namen und erzähle kurz davon, wie meine theoretische Beschäftigung mit ihm begann. [Dass ich mich mit ihm beschäftige, schmeichelt ihm nicht etwa. Er ist frei von Eitelkeit und konzentriert sich ganz auf sein Kerngeschäft: "Hast du denn keine bessere Beschäftigung?" - Die Frage ist selbstverständlich berechtigt!]

Vollständiger Name: Fürchtegott Jeremiades Inkri. -
(Jeremiades ist griechelnd und darum auf der zweitletzten Silbe zu betonen. -
Fürchtegott J. Inkri - F. J. Inkri - Kurz: Unser aller Inkri)

Anfang der 90er Jahre. Der Teilzeitbeschäftigte und Hausmann Philotustan sitzt in der Wohnstube auf dem neuen, sehr bequemen Sofa. Zu seiner Rechten ein riesiger Berg frisch gewaschener Socken in buntem Durcheinander. Zu seiner Linken die ersten Sockenpaare. Die Welt ist heil. Es ist 14.00. Zeit für die Frauensendung auf DRS 1. Thema: Der innere Kritiker. Wir Frauen sollen ja besonders stark unter ihm leiden. Wir haben ja einen fatalen Drang zur Ehrlichkeit. Dem Inkri kommt viel Ehre zuteil. Unaufgeregt. Weibsmässig. Besorgt heiter. Ich verspüre Neid. Unternehme nichts gegen Anwandlungen von aufkeimender Frauensolidarität. Das belustigt mich. Der Berg zu meiner Rechten schrumft. Der zur Linken wächst stetig. Es ist 14.30. Zeit zum Einkaufen. Vorher noch ein kleiner Schwatz mit der Nachbarin unten, die sich Sorgen um eine ihrer beiden Katzen macht. Ihr Mann meint halt ... . Und es ist so schwer, es allen recht zu machen.

Der innere Kritiker ist verlässlich: Dem kannst du es nie recht machen. -
Er verschont dich mit den sattsam bekannten"Wenn du nur bloss noch ... könntest/würdest". Seine Botschaft ist konstant: Du bist im Minusbereich.

Lasset uns ihm an dieser Stelle einen Dank für seinen Durchhaltewillen aussprechen!

Samstag, Oktober 22, 2005

Rubrik: Ästhetik

Gefunden in Martin Walsers 'Die Verwaltung des Nichts' (S. 42):

Etwas schön finden heisst aber, durch das blosse Sehen lebendiger werden. Dieses spürbare Einverstandensein mit dem, was man sieht. Diese unwillkürliche Zustimmung zum Augenblick. Und eben: durch das blosse Erleben lebendiger werden.

Zigmal hab ich diese Sätze nun schon gelesen. Sie löen in mir immer wieder schiere Freude aus. Und immer wieder versuche ich, sie irgendwie zu ergründen, als ob sie ein verborgenes, auf nicht ergründete/ergründbare Tiefen weisendes Geheimnis in sich bärgen. Tja. Und wieder fällt mir nichts dazu ein. So halte ich denn bloss zwei Dinge fest:

1. Es ist schön, dass es sie gibt.
2. Eine Frage/Anregung: Woher/Woran rührt die Freude über diese Sätze?

Freitag, Oktober 21, 2005

Rubrik: Sprachphilosophie

Gelangweilt lässt du dich von der im Blätterwald herrschenden Aufgeregtheit umspülen. Da! Ein Raunen wird vernehmbar. Es schleicht sich sanft in den Raum, wo deine spinnerte Eigentlichkeit an ihrem Webstuhl sinniert und werkelt:
Einübung ins Geschehen. Die Dinge sind in uns, und wir sind in den Dingen - über die koreanische Sprache. Von Hoo Nam Seelmann. (NZZ, 15.10.05)

Im Koreanischen, so nehmen wir zur Kenntnis, gibt es viele Verben, die sich nicht in das Schema 'Aktiv - Passiv' einordnen lassen. Wir überlesen die (durchaus interessanten) Ausführungen über die enorme philosophische Tragweite dieses Umstands. (Man kennt das ja: Humboldt, Sprache, Weltbild; Abendland versus Orient, Subjekt-Objekt-Spaltung versus Ganzheitlichkeit: Wenn du der Sache noch nicht überdrüssig bist, kannst du dir aus den gegebenen Elementen selber ein paar Sätze basteln. Ich bin einfach zu alt dazu.) Aber bei zwei Beispielen wollen wir etwas verweilen. (Verweilen: Du verweilst. Ich schreibe sie nur hin. Ich zerrede sie dir nicht.)

Koreanisch: "Das Vogelgezwitscher kommt zum Hören." - "Die Wärme deiner Hand sickert in den Leib ein."
Deutsch: "Ich höre den Vogel zwitschern." - "Ich spüre die Wärme deiner Hand."

Am Beginn dieses Blogs lässt sich ablesen, wie Philotustan nach längerem Verweilen bei diesen Beispielen sich im koreanischen Denken versucht hat:
Koreanisch: "Ich vernehme ein Raunen." - "Du lässt dich durch das im Blätterwald evozierte Geschehen umspülen."
Deutsch: "Du hörst ein Raunen." - "Du liest die Zeitung."

Hoo Nam Seelmann at her best: Zentral sind bei diesen Verben drei Aspekte: das Fehlen eines treibenden Akteurs, die Mühelosigkeit des gesamten Vorgangs und der Aspekt des Prozesshaften.

Das also ist das Koreanische Denken. Das ganz Andere. - Aber das kennen wir doch! Es rührt an etwas, das uns zutiefst vertraut ist, wenn wir uns nicht gerade wieder mal von der Rede über 'die Struktur des deutschen Satzes' und dergleichen haben gefangen nehmen lassen. (Ein Bild wurde uns gegeben. Und das hält uns nun gefangen.)

Es ist nun an der Zeit, dem Blog einen geeigneten Titel zu verpassen. Er soll die Erwartung wecken, dass hier endlich eine Frage beantwortet wird, die die Philosophen der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur - wie Fragen der Semantik oder der Erkenntnistheorie etwa - bloss beschäftigt, sondern regelrecht umgetrieben hat:

Warum Heidegger sich so mühelos ins Koreanische übersetzen lässt


Der alte Hans Georg Gadamer berichtet über die Zeit, wo er an Seminaren von Martin Heidegger teilnahm (Ich erinnere hier eine der vielen Sternstunden, die ich vor der Glotze verbrachte): Vorne sitzt die Denkwurzel aus dem Schwarzwald und verlautbart Dinge wie "Es weltet." Gadamer wendet sich an den neben ihm sitzenden Hans Joachim Ritter. Der schaut ganz entgeistert drein. Dann vollführt er vor seinem Gesicht eine Handbewegung, die soviel besagen will wie: "Der hat sie nicht mehr alle. Scheibe." Gadamer aber ist begeistert: "Das war für mich ein [weit ausholende Bewegung] Weltaufgang!"

Für Leserinnen, die des Koreanischen nicht so mächtig sind, füge ich noch eine freie Übersetzung Heideggers ins Griechisch-Lateinisch-Deutsche an: "Erkennend greife ich auf die Dinge zu." Und wieder zurück ins Koreanische: "Zeug tritt von sich aus in die Erscheinung/Unverborgenheit." Und wieder Deutsch, doch diesmal in kritischer Absicht: "Wir rüsten uns die Dinge zu." (So tönt's aus dem schönsten Wiesengrunde.) Und wieder Koreanisch: "Unter unseresgleichen finden wir uns unter Zuhandenem vor. Das ist das Welten der Welt." Deutsch: "Ich versuche die Gegenstände zu begreifen. Dabei stelle ich mir zunächst zwei grundlegende Fragen: 1. Komme ich an die Gegenstände überhaupt heran? 2. Bin ich der einzige, der dergleichen versucht?" Und die Beantwortung/Verabschiedung der beiden Fragen in koreanischer Terminologie: "In-Sein, Mit-Sein". I love that stuff!

Donnerstag, Oktober 20, 2005

Rubrik: Lebensweisheit

"Als Christ glaubst du natürlich an die Seelenwanderung." - "Als philosophischer Berater weiss ich über die Seelenwanderung natürlich Bescheid." - "Hast du das studiert?" - "Klaro!" - "Glaubst du persönlich daran?" - "Hast du heute Geburtstag?" - "Nein. Wieso?" - "Dann hätte ich dir mehr als eine solche Frage beantwortet."

Seelenwanderung


Sommer 2000. Göreme (Kappadokien). In einer ehemaligen Karawanserei. Meine Frau und ich sind zum Tee eingeladen. Der Schwager des Mannes, der uns einen Teppich andrehen will, hat lange in Luzern gearbeitet. [Am Nachmittag hatten wir mitten im Dorf einen Mann angetroffen, der uns stolz erzählte, er baue hier sein eigenes kleines, 'sauberes' Olten auf.] Das Gespräch - auf Deutsch geführt, gespickt mit etlichen türkischen Einschüben - war sehr lebhaft und freundlich. Wir unterhielten uns eine ganze Weile über dies und das, auch über die weite Verbreitung der türkischen Sprache. Ich liess es mir nicht nehmen, bei dieser Gelegenheit - schauspielernd beiläufig - den Ausdruck 'Ostturkestan' zu verwenden, als Namen für die chinesische Provinz Xinjiang, wo das Turkvolk der Uiguren lebt. Zum besseren Verständnis: Nimm ruhig mal an, dass in China auf die Verwendung von 'Ostturkestan' die Todesstrafe steht. In der Türkei hingegen steht darauf offenbar die Beförderung zu 'einem der klügsten Menschen auf diesem Planeten', und natürlich noch mehr Tee, eine beträchtliche Erweiterung der Runde der Teetrinker mit gegenseitigen Vorstellungen inklusive. Der Abend war lang. Der grosse anatolische Mond beschien den Innenhof der Karawanserei. Der Tee duftete herrlich. Und meine Frau und ich waren das Ziel einer allgemeinen freundlichen Neugier.

Natürlich wurde ich auch gefragt, warum ich Türkisch lerne. (Türkisch gastfreundlich: "Warum kannst du so perfekt Türkisch sprechen?") Eine simple Frage. Aber ich rang völlig verdattert nach einer Erklärung. Als hätte man mich gefragt, warum ich die Musik liebe, oder die Luft zum Atmen. Ich weiss nicht mehr, was ich mir schliesslich einfallen liess. Der 'Luzerner' wusste es eh besser: "Du musst in einem früheren Leben in Mittelasien gelebt haben." Das liess - und lasse - ich gern so stehen. -

"Du glaubst also tatsächlich an die Seelenwanderung!" - "Na hör mal! Wer einmal den ganzen Weg von der kasachischen Steppe durch die grossen Oasen Usbekistans und über die Hochebenen Kirgistans, wo er Aitmatovs Djamilja traf, bis zu den höchsten Gipfeln des Pamir-Gebirges in Tadschikistan zurückgelegt hat ... " - "Daran glaubst du dich zu erinnern?" - "Nun, die Djamilja hiess damals natürlich anders - Dilek, wenn ich mich recht entsinne - , und sie wollte partout von keinem Aitmatov je gehört haben ... ."

Sei erfinderisch in deinen Erinnerungen!

Mittwoch, Oktober 19, 2005

Rubriken: Lebensweisheit, Ästhetik

Die Geburt einer Pinter-Interpretation aus dem Geiste der 'Schillerstrasse'


Harold Pinters Figuren haben keine feste Identität. So kann es vorkommen, dass eine Figur zwischen zwei Szenen ihre Identität wechselt.

Jan: "Ja das ist noch gar nichts. In der ... Goethe- ... Kleist- ... Schillerstrasse! Ja, in der Schillerstrasse ist es noch viel krasser. Da sind die in diesem Zimmer, und dann sagt der am Mikro, also der, der nicht im gleichen Zimmer ist, der sagt dann der Blonden, der hübscheren von den beiden, sie solle auf den Tisch steigen und den langen Lulatsch da fragen, wie es ihm das letzte Mal gekommen sei oder so Zeugs. Und das nächste Mal muss sie etwas total anderes machen. Es hat eigentlich keinen grossen Zusammenhang. Aber manchmal ist es schon zum Grölen. Das musst du dir mal reinziehen. Was hat eigentlich Thun gegen Ajax gemacht?"

"Später. Möchte nur noch schnell etwas über den Pinter loswerden. Du hast mich da auf eine Idee gebracht." -
"Ok. Kunst ist schön. Und Thun ist auch schön."

[Auch das liebe ich an meinem Jan. Diese liebevolle Apodiktizität, wo es um Fragen wie etwa das Verhältnis zwischen höherem Kunstgenuss und Massenkultur geht. Seine Statements sind anspruchslos endgültig und nicht zerstörerisch. Sie lassen alles stehen. Wo manch einer ein 'aber' setzt, verwendet er gern das offene 'und'.]

Du badest in einer Szene. Alles läuft flott. Du geniesst den glatten Wortfluss. Auf einmal gerätst du ins Stocken: "Was soll das? Wieso sagt die Figur das? Worin liegt ihre Motivation? Zeigt sich hier etwa ein Bruch in der Persönlichkeit der Figur X? Oder liegt der Bruch tiefer? Ist es die Brüchigkeit gar der Existenz oder der interpersonellen Kommunikation überhaupt oder der gesellschaftlichen Situation insgesamt, die hier in den flüssigen Alltagsdialog einbricht?" - Glatte Oberfläche. Sprünge/Risse/Spalten. Unheimliches bricht ein. Figuren brechen auf. Mit halsbrecherischer Überstürzung. In ihr Verhängnis. [By the way: Wussten Sie schon? Interpretationsansätze dieser Art gibt es ab nächstem Jahr beim Aldi. Von philosophischer Beratung allein kann ja keiner leben.] -

Jan hat mich da auf etwas anderes gebracht. (Ich erinnere mich dunkel, das vor Jahren schon in einem Interview mit Pinter gelesen zu haben, bin mir aber überhaupt nicht sicher. Egal!) Stell dir vor, die Figur habe plötzlich Lust bekommen, gerade diesen Satz zu äussern. Es ist ihr danach zumute. Es ist, als ob der Mikrofonheini aus der 'Schillerstrasse' ihm den Auftrag gegeben hätte, nun genau diesen Satz zu äussern. Und auf einmal ändert sich die ganze Situation. Und in der Tat bricht nun neues Zeugs oder eine andere Dimension in das Stück ein.

Eine Identität wurde nicht durchgehalten. Unvermittelt ist eine neue aufgetaucht. Heraufbeschworen, in die Situation geworfen durch einen Satz, der neue Reaktionen verlangt, die ihrerseits ... . Ein fremder Satz wurde in den Gesprächspool geworfen. Eine Situation eskaliert.

Ende

Und was hat das nun mit Lebensweisheit zu tun? Das herauszufinden überlasse ich nun als Hausaufgabe der geneigten Leserin. -
Hinweise:
Es geht um Verhaltensänderung in einer extrem festgefahrenen Situation bei eingestandenem Unvermögen, etwas daran zu ändern. -
Stell dir vor, du seist in der 'Schillerstrasse' und lass dir was einflüstern. -
Nimm an, es stehe fest: Du kannst die andern nicht ändern, dich nicht ändern, die Situation nicht ändern. Du bist in einem Stück von Harold Pinter festgefahren. Und? -
Nimm die Situation nicht ernst! Nimm dich selber auf keinen Fall ernst! Schon klar: Du bist ein hoffnungslosr Fall. -
Konzentriere dich einfach auf den Satz! Deine Aufgabe besteht genau darin, diesen Satz zu äussern. Das ist nichts Persönliches. -
Entwirf die Ausgangssituation für ein neues Stück!

Und bevor die klärenden Hinweise des Lehrers die Komplexität der Aufgabe bei weitem übertreffen, setzt er hier seinen letzten Punkt.

Dienstag, Oktober 18, 2005

Rubrik: Lebensweisheit

"Was halten Sie von der Astrologie?"

Vom Nutzen der Astrologie für das Leben


Ein philosophischer Berater muss auf manches gefasst sein. Aber ein paar klare Unterscheidungen helfen immer weiter. Was die Astrologie betrifft, erweist sich die Unterscheidung zwischen hübschen weiblichen Wesen und dem Rest der Menschheit immer wieder als nützlich. "Was halten Sie von der Astrologie?" - "Lustig, dass Sie mich gerade jetzt darauf ansprechen, schoss mir doch eben ganz spontan der Gedanke durch den Kopf: 'Wenn die kein Steinbock ist, fresse ich einen Besen!' Aber ich wollte natürlich nicht ... " - "Wie kommen Sie darauf?" -

Du hast natürlich nur darauf gewartet, einen Satz von Stapel zu lassen, der - nach anfänglichen gekünstelten 'Ähhs' und entsprechendem Gemurks - zuerst die Schönheit der Tierwelt im allgemeinen thematisiert, dann die sich an dieser Stelle geradezu aufdrängende Frage nach dem Verhältnis zwischen Tier und Mensch gleich im Sinne einer wesentlichen Einheit beantwortet, um dann abschliessend den ästhetischen Blickwinkel sehr gezielt und möglichst konkret [Auch Artifakte wie Haarspangen und dergleichen dürfen in die Reflexion durchaus einbezogen werden.] auf die vorliegende, verdammt sinnliche Verkörperung der schönen, aus Sternen geborenen Urgestalt des Steinbocks [Achtung! Wenn du an dieser Stelle von einem Widder sprichst, erweckst du den Eindruck, dass du irgendwie schummelst.] zu verengen, der ... "Jetzt habe ich den Faden verloren. Ich ähh ... Sie machen mich irgendwie ... ähh ... " -
Und nun wird dir versichert, dass der Umstand, dass du dich total verhaspelt hast, nicht die geringste Bedeutung hat. "Das spielt doch überhaupt keine Rolle!" [Eben!] Und vielleicht darfst du dich später, wenn deine Artgenossen über dich, "diese Quasselstrippe", herfallen, damit trösten, dass du aus IHREM Munde die Worte vernimmst: "Mir ist auch nicht alles ganz klar. Aber den tieferen Sinn [Blink und Zwinker] hab ich durchaus verstanden."

["Ich hätte nie gedacht, dass du an die Astrologie glaubst." - "Von Wahrheit, Glauben und Co. war nicht die Rede. Wie wär's mit einer kleinen Spur von Pragmatismus?" - "Ich verstehe. Amerikanische Philosophie. Knallharter Pragmatismus. Findest du denn den Irak-Krieg gut?" - "Klar. Ganz toll!"]

Montag, Oktober 17, 2005

Rubrik: Lebensweisheit

Flexibel sein. Lebenslanges Lernen. Berufliche Neuorientierung: Die Botschaft, die uns vom Planeten Melmac erreicht, ist brandaktuell:

Finde heraus, was du nicht kannst, und dann lass es bleiben.
(Alf)

Aus dem Tagebuch des trockenen Alkoholikers

Manchmal spüre ich, dass ich eine Seele habe.
Und meine Seele, meine arme sterbliche Seele, lechzet nach Branntewein.

Sonntag, Oktober 16, 2005

Rubrik: Hegel

["Endlich! Wer über Anerkennung schreibt, kommt an Hegel nicht vorbei (Go to: PhG > IV:Die Wahrheit der Gewissheit seiner selbst > B:Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewusstseins; Herrschaft und Knechtschaft)." - "Komm ich doch! Aber Hegel hat zu 1001 Sachen etwas Interessantes zu sagen."]

Hier bekommen die rosenfingrige Eos & Co. Gesellschaft

Professor Georg Janoska, in meiner Studienzeit Ordinarius für Philosophie an der Universität Bern, pflegte Hegel mit einem Epitheton zu versehen: "Hegel, der, wie Sie sicher wissen, nicht gerade von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt wurde". Doch dem nicht gerade von Minderwertigkeitsgefühlen geplagten Hegel waren "Demut oder Bescheidenheit" keineswegs fremd. Schauen wir, wie er diese zum Philosophieren wesentlich gehörenden Tugenden beschreibt:

Hegel oder die Bescheidenheit in der Philosophie


Das Philosophieren ist frei von Hochmut, "indem das Denken dem Inhalte nach in sofern nur wahrhaft ist, als es in die Sache vertieft ist, und der Form nach nicht ein besonderes Seyn oder Thun des Subjects, sondern eben diss ist, dass das Bewusstsein sich als abstractes Ich als von aller Particularität sonstiger Eigenschaften, Zustände u.s.f. befreites verhält und nur das Allgemeine thut, in welchem es mit allen Individuen identisch ist". (Enzyklopädie, Par. 23)

1) in die Sache vertieft:

Was ist die Sache? Es ist natürlich nicht die Philosophie. Eh klar!? -

Es sind aber auch nicht die Gedanken, die andere sich über die Sache gemacht haben. Eh klar? - (Wenn ja: Du bist schon fortgeschritten und darfst vier Abschnitte überspringen.)

In Par. 2 der Enzyklopädie spricht Hegel von verschiedenen Formen, in denen die Gegenstände der Philosophie erscheinen: Gefühl, Anschauung, Glauben, Vorstellung. (Er hat davon noch mehr auf Lager.) In all diesen Formen spielt das Denken mit. Das ist beim Menschen so. (Wir können hier an Wesen mit Gedanken bzw. propositionalen Einstellungen denken. Das mag hilfreich sein.) Und jetzt können wir uns (ganz im Sinne des 2. Paragraphen, wo vom Verhältnis von Religion und Denken die Rede ist) einen Menschen vorstellen, der von seinen religiösen Gefühlen und Anschauungen spricht. Hinzu kommt ein zweiter, der neunmalkluge Gedanken über die Äusserungen des ersten vorträgt. Und jetzt lasse ich Hegel auftreten:

Allein es ist verschieden, solche vom Denken bestimmte und durchdrungene Gefühle und Vorstellungen, - und Gedanken darüber zu haben. Die durchs Nachdenken erzeugten Gedanken über jene Weisen des Bewusstseiyns, sind das, worunter Reflexion, Raisonnement und dergleichen, dann auch [natürlich fälschlicherweise, Philotustan] die Philosophie begriffen ist."

So dürfe man sich nicht wundern, dass die Philosophie in manchen Lagern verachtet werde. Kein Wunder: Wer bloss reflektiert und räsonniert und nach-denkt, wer bloss bei dergleichen eitlen Beschäftigungen sich aufhält, anstatt zu denken, wird nicht mit allgemeiner Achtung rechnen dürfen.

Was ist die Sache? - Gesetzt, du sprichst von einer Trompete. Dann ist die Sache die Trompete. Der Rest ist dann sinngemäss. -

2) das von aller Besonderheit befreite Ich

Es ist wohl schon vieltausendmal gesagt und geschrieben worden: Die Auffassung von Philosophie, die Hegel hier vertritt, ist schon zu seinen Lebzeiten vom Historismus überholt worden. Und die ständige Wiederholung macht die Bemerkung ja auch nicht falscher. Für mich ist das gegessen. (Ismen wie den (Kultur)Relativismus oder den Subjektivismus nehm ich zur Not als Nachspeise. Sie sind so substanzlos, dass ich nicht befürchten muss, mir darob den Magen zu verderben. - Sachen nähren und/oder verderben den Magen; Reflexion, Raisonnement und dergleichen mögen die Verdauung fördern.)

Du und dein Freund Vladimir haben ein gemeinsames Interesse an einer Sache. Natürlich seht ihr die Sache verschieden. (Du sitzt im hohen Lehnsessel, er liegt auf der Couch.) Ihr wollt über eure blosse Meinungsverschiedenheit hinauskommen. ("Du hast deine Meinung. Ich habe meine Meinung. Ich respektiere deine Meinung. Du bist auch tolerant. Wir lassen das mal so im Raum stehen. Keine Meinung ist absolut, und wenn alle das so sehen würden, gäbe es nie mehr Krieg." - Und wenn die beiden noch nicht vor lauter Langeweile im Frieden verschieden sind, so salbadern sie zähflüssig weiter.) Das aber funktioniert nur, wenn ihr euch um die vorhandenen Gemeinsamkeiten bemüht. Die Logik, so geht die Hoffnung, sollte von beiden beachtet werden. Ganz ohne Versuch, eine gemeinsame Sprache zu finden, geht es wohl auch kaum. Und hier tut sich ein weites Feld auf. Die Ausräumung von immer[!] vorhandenen sprachlichen Missverständnissen ist nur ein Beispiel. Jedenfalls ist es unfruchtbar, bei einem solchen Unterfangen seine Idiosynkrasien in gepflegter Weise wortreich herauszustellen. Letzteres geht natürlich immer. Aneinander vorbei zu reden mag der Normalfall sein. Wenn es nur nicht so verdammt langweilig wäre!

Na ja. Der olle Hegel mag ja in ach so manchem völlig denebengelegen haben. Aber langweilig? Nöh!

Aus dem Tagebuch des trockenen Alkoholikers

Jemand fährt dir an den Karren. -

Stell dir vor, wie irritierend es für ihn wäre, wenn er einsehen müsste, dass kein Schwein sich für seinen K(r)ampf interessiert. Er müsste das Gefühl haben, es sei Krieg und niemand gehe hin. Das könnte ihn aus der Fassung bringen. - Willst du ihm das wirklich antun? - Nein? - Dann frage dich:

Stehst du auch schön in der Schusslinie?

[Mit diesem Blog beginne ich, einige Eintragungen aus dem Tagebuch des trockenen Alkoholikers wiederzugeben. Sie stammen zum grössten Teil aus den Anfängen seiner nun schon gut 15 Jahre andauernden Trockenperiode, als er sein Leben neu erfinden musste.]

Samstag, Oktober 15, 2005

Rubrik: Metaphysik

Die Bluse


Eine Arbeitskollegin kam heute mit einer auffallend hübschen, zarten Bluse hereingetrudelt, die mich als Philosophen dazu bewog, das rein Stoffliche ohne Umschweife zu transzendieren und meinen Blick auf Hintergründigeres, Tieferes zu lenken. Ich ging sogleich mit vergeistigtem Blick auf die zierliche Trägerin des schmucken Stücks zu und erwiderte ihren fragenden Blick mit dieser Erklärung:

"Nun äh ... man ist ja auch nur ein Mann ... ["äh" und Murks] ... da fragt man sich natürlich ... da gerät man doch unverzüglich ins Grübeln ... man hat diese Dinge halt doch nicht so voll im Griff ... wo unsereiner Mühe hat ... - Bei welcher Temperatur wird denn so ein Stück gewaschen?"

Freitag, Oktober 14, 2005

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Die schwarze Dame

Die schwarze Dame


Daniel Hell, meines Wissens Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich, hat ein Buch mit dem unverschämten Titel "Welchen Sinn macht Depression" geschrieben. Ich kenne das Buch, und ich kenne die Depression. Daniel Hell spricht von der Depression als einer "schwarzen Dame", die dem unter ihr Leidenden etwas mitzuteilen habe. Sie hat sehr lange Zeit unter meinem Dach gewohnt, und obwohl sie mittlerweile ausgezogen ist, halte ich einen recht ansehnlichen Wohntrakt für sie reserviert, wo sie sich bei ihren gelegentlichen kürzeren Besuchen zu Hause fühlen darf. Ich gebe mir dann jeweils Mühe, ihr geduldig und aufmerksam zuzuhören, so als ob gerade sie etwas Sinnvolles zu sagen hätte. Eine angenehme Gesprächspartnerin ist sie wahrhaftig nicht. Die schwarze Dame versteht keinen Spass.

Der nun folgende Abschnitt soll klar machen, warum meine Ausführungen zur schwarzen Dame relativ kurz ausfallen dürften.

Was ist Depression?

1
Die Depression ist der Zustand davor.
2
Der Zustand danach ist für die meisten Menschen der einzig vertraute Zustand.
2.1
Ein an Depression erkrankter Mensch mag mit ihm durch eine Spontanheilung, einen Voodoo-Zauber oder eine Gesprächs- und/oder Pharmakotherapie bekannt werden.
3
Der Uebergang vom ersten in den zweiten Zustand kann so beschrieben werden:
"Es war, als hätte jemand den Lichtschalter umgelegt." - "Die Welt hat sich aufgehellt."
3.0
Nicht: "Meine Stimmung hat sich gehoben." - "Die Welt[!] ... ."
3.1
"Verzeihe die vielleicht etwas unverschämte Frage: Du stehst ja jetzt unter dem Einfluss von Medikamenten. Bist wirklich du es, der jetzt mit mir spricht? Wird nicht dein wahres Wesen durch die Psychopharmaka verfälscht?" - "Ach weisst du: Der Philotustan davor, das war nicht ich."
4
Vom Zustand davor haben die meisten Menschen keinen blassen Schimmer.
5
Und so geht es im Grunde auch mir.
5.1
Und so weiss ich denn über den Zustand davor herzlich wenig zu erzählen, was ihn andern - und auch mir selbst - verständlicher machen könnte.
6
Die Depression ist der Zustand davor. Nachdem die Welt sich gelichtet hat, kann und mag man darüber nichts Wesentliches sagen: Man ist keinen Deut klüger, aber unendlich erleichtert. So zeigt sich das Wesen der Depression.
7
Worunter man nicht leiden muss, darüber kann man getrost schweigen.

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Der Alkoholiker

Der Autor des nachfolgenden Gedichts ist Herr C, der trockene Alkoholiker, dem du vielleicht schon begegnet bist. [Die Blogs sind nicht verlinkt. Ich werde voraussichtlich nur einen einzigen Link schreiben: das Buch eben. Aber du hast ja die Suchfunktion.]

Ernüchterung


Und der Geist schwebte über den Wassern.
In seinen Schwaden
die Suche nach dem Sinn.
Die nach dem Hausschlüssel
neben Erbrochenem.

Ernüchterung.
Nebel verzogen. Geist verebbt. Suche eingestellt.
Aufräumen. Umstellen.
Kündigung.

Und der Sinn brütete in der Wüste.
Er blähte sich auf
und barst.
Und vermoderte -
bitterlich.

Und ich hört' ein Bächlein rauschen.

Bern, 20. 6. 91

Rubrik: Ästhetik

Was ist Kunst? -
Nelson Goodman stellt in 'Ways of Worldmaking' eine andere Frage:

Wann ist Kunst?


In einer Geröllhalde weise ich auf einen bestimmten Stein und frage dich: "Ist das Kunst?" - Bescheuerte Frage? Richtig! -
Nimm nun denselben Stein und stell dir vor, er liegt vor dir in einem Raum eines zu einem Museum für Gegenwartskunst umfunktionierten ehemaligen Fabrikgebäudes. Weissgetünchte Wände. Passende Beleuchtung. Um den Stein ist in weitem Bogen ein Seil gespannt, und an einer Wand hängt ein Schildchen: '[Name der Künstlerin]. Untitled. 2005'. -
Und nun mag der eine oder andere fragen: "Ist das Kunst?" Jedenfalls ist seine Frage jetzt nicht mehr völlig bescheuert.

John Cage führt seine Definition von Musik auf

John Cage definiert Musik als 'sounds heard'. -
Wir sitzen erwartungsvoll in einem grossen Saal. Es soll da ja ein Konzert mit Musik von Cage aufgeführt werden. Der Komponist lässt die Fenster öffnen. Geräusche von draussen dringen in den Raum [ ... ] -
Eben noch war da Strassenlärm, störende Geräusche ... . Jetzt ist Musik.

Donnerstag, Oktober 13, 2005

Rubrik: Ästhetik

[Ich lasse mich treiben. Eröffne eine neue Rubrik. Beginne sie mit etwas Schönem. Es ist so schön, dass es jeder Beschreibung buchstäblich spottet. Ich kann es nur wieder und wieder lesen, laut lesen. Dann will ich doch wieder etwas dazusagen[!]. Aber es gibt nichts dazuzusagen. Zu den Worten der Eskimo-Schamanin Uvanuk:]

Die grosse See hat mich in Bewegung versetzt
hat mich treiben lassen
bewegt mich wie den Tang im Fluss.
Das Gewölbe des Himmels und die Macht des Sturms
haben den Geist in mir bewegt
bis ich weggetragen werde
zitternd vor Glück.


[gefunden in H. P. Duerr: Sedna oder Die Liebe zum Leben.]

Mittwoch, Oktober 12, 2005

Rubrik: Philosophische Beratung

Was ist philosophische Beratung?


Klärung einer Lebensfrage: persönlich, voraussetzungslos, maieutisch.


Weitere Informationen findest du hier.

Dienstag, Oktober 11, 2005

Rubrik: Ontologie

Verehrte Leserinnen, verehrte Leser

Ich darf Ihnen nun einen Text von schier unergründlichem Triefsinn präsentieren. Der unmittelbare Anlass für seine Veröffentlichung ist der Umstand, dass in ca. fünf Monaten wieder die Luzerner Fasnacht beginnt. Es handelt sich um eine knappe Einführung in die philosophische Disziplin der Ontologie (Lehre vom Sein). Der Autor weicht auch bei einer so schwierigen und trockenen Thematik nicht von seinem dialogischen Prinzip ab. In diesem Fall ist der Text unmittelbar an eine Dame unbestimmten Alters gerichtet, der unser geschätzter Autor die Gelegenheit anbietet, mit ihm gemeinsam vom üppigen Baum der Erkenntnis sich zu verköstigen. Bitte beachten Sie, verehrte Damen und Herren, wie es dem Autor gelingt, dort, wo er die andernorts vortrefflich eingehaltene Grenze zwischen Verschwiegenheit und plumper Eröffnung zu überschreiten droht, der drohenden Peinlichkeit durch den Hinweis auf eine mögliche Weiterentwicklung der angesprochenen philosophischen Disziplin zu entgehen. Wir alle beglückwünschen ihn dazu und hören nun auf seine Worte:

Kurze Einführung in die Ontologie


["Er meint wohl, du hast die Kurve gerade noch gekratzt ..." - "Pschschttt! Und stell die Musik bitte leiser!"]

Die Grundfrage der Ontologie lautet: Was gibt es?

[Willard Van Orman Quine: "On what there is". Zuerst publiziert 1948 in der 'Review of Metaphysics'. Auch enthalten in seinem "From a Logical Point of View" (Harper & Row, New York: 1953). - "Zum Glück gibt's den Guugler, gell?" - "Pschtt!"]

Die Antwort lautet im wesentlichen:

Es gibt ... Und nun folgt auf die Millionen von Sternen und die 1000 Laternen, auf Gut und Geld auf dieser Welt und Freud und Leid zu jeder Zeit die Erwähnung einer überaus bedeutenden Einzelheit, bei der schon der Gedanke an ihren Verlust unsägliche Trauer auslöst und wo sich die Frage stellt: Was wär das alles (die Welt für mich) ohne die besagte Einzelheit (ohne dich), womit sich die Wende zu einer Fundamentalontologie nicht-Heideggerscher Ausprägung ankündigt.

Ich füge hier noch eine kurze Interpretation an, um den vielen - in Form von Blogkommentaren erscheinenen - Sekundärtexten für einmal zuvorzukommen. Zunächst zwei dem Text eher äusserliche Bemerkungen:
1. Es handelt sich bei ihm um einen Vorabdruck aus Alban Clemenz: Die philosophische Spielkiste. - Mit freundlicher Genehmigung des Jonny Albern Verlags.
2. Das Lied der Nilson Brothers ist der Gassenhauer der Luzerner Fasnacht.

Meine Ausführungen zum Inhaltlichen versuchen, der Gefühlslage des Autors nachzuspüren und zu verstehen, welche seiner Kräfte und Säfte hier eine Transformation ins Ästhetische erfahren haben:

worte
wuchernd
geboren aus ekstasen
ungesagt
metastasen

Einfach ausgedrückt: Ein hohes Mass an Sublimierung kann zu Wortwucherungen oder Metastasen führen.

Montag, Oktober 10, 2005

Thema: Opa erzählt 2

"... nur einen ganz kleinen ... " - "Jaaa, Opa! Ich schreib ja schon. Aber jetz gib a Rua!" -
Also: Der alte Feminist will seinen Brüller der Woche loswerden. Hier ist er:

Eine Frau, die genau so viel leisten will wie ein Mann, hat einfach zu wenig Ehrgeiz.

Rubrik: Leoparden

[Diese Tiere verdienen definitiv eine eigene Rubrik. Zu ihrer Charakterisierung greife ich auf eine vorchristliche Weise zurück:
Du kannst nicht zweimal mit derselben Hand einen Leoparden streicheln.
Im Berner Tierpark Dählhölzli hausen zwei prächtige Exemplare dieser Gattung. Er heisst Rigo, sie heisst Saida. Es sind persische Leoparden, von denen es auf unserem Planeten nur noch 200 Exemplare geben soll.]

Persische Leoparden
oder
Von gewecktem und erloschenem Interesse


Die Frage einer meiner kleinen Umfragen lautete schlicht: "Hast du schon mal einen persischen Leoparden gesehen?" - Einhellige Antwort: Nein! - "In unserem Tierpark gibt es welche zu sehen." - Reaktion: unterschiedlich. Ich gebe zwei Beispiele:
1. Beispiel (real):
"Das wüsste ich aber, wenn es im Dählhölzli diese Dingsda-Leoparden gäbe!" -
Hoppla! Die befragte Person kennt sich offenbar mit Viechern aus. Mein Interesse an ihr ist geweckt.
2. Beispiel (fingiert):
"Eine Umfrage hat ergeben, dass 99% der Bernerinnen und Berner noch nie einen sogenannten persischen Leoparden zu Gesicht bekommen haben, beziehungsweise, wenn ich die Umfrage, die übrigens keineswegs repräsentativ war, richtig zu interpretieren vermag, und ich bin sicher, dass ich dazu sehr wohl imstande bin, dass dann kaum praktisch alle mündigen Berner Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ihren Augen auf einmal nicht mehr trauen können sollen, wie Sie ja zumindest implizit behaupten. Sie sollten einmal ihr Demokratieverständnis hinterfragen." -
Knurr! Kurze Replik: "Sie interessieren sich für Umfragen, ich für Wildkatzen. Wo ist das Problem?" Mein Interesse ist erloschen.

[Erstveröffentlichung in: 'Volkes Stimme und der Ruf des Leoparden: Betrachtungen eines Unpolitischen'.]
[Liebes Tagebuch: Wenn ich sehr entspannt bin, gelingt es mir zuweilen, ein Knurren hervorzubringen, das mit demjenigen eines Leoparden enfernt verwandt sein könnte.]

Sonntag, Oktober 09, 2005

Liebes Tagebuch

Ich erlaube mir zwischendurch eine leicht persönlich gefärbte Bemerkung: Halbe Sachen sind nicht so mein Ding.

Mit einem Dank für deine Geduld und freundlichen Grüssen

Philotustan

Rubrik: Wissenschaftstheorie

1. Variation über Camus' "Es war die Sonne"
oder
Warum ich alles so gut erklären kann


Gute Erklärungen sind rar. Allzu oft wird der Fragende bloss mit einer Lawine von (durchaus guten) Gründen zugeschüttet. Dabei wollte er doch bloss den (entscheidenden) Grund wissen. Und der mag dann reichlich schlicht aus der Wäsche schauen.
[Weil ich diesen Blog unter 'Wissenschaftstheorie' rubriziert habe, sei hier noch ein gediegener Satz angeführt:]
Näheres zur hier zugrundegelegten Unterscheidung findest du in Donald Davidsons 'Actions, Reasons, and Causes', dem ersten Aufsatz aus seinen 'Essays on Actions and Events. Oxford University Press Inc., New York. 1980'. (Oder so. Wer googeln kann, der google.)

Camus' 'Der Fremde' hat mir damals - und das nicht erst in der Verfilmung durch Visconti - gewaltig Eindruck gemacht. So neige ich denn noch heute zu verdammt guten Erklärungen. Ein Beispiel: "Warum lernst du so aberwitzig hartnäckig Türkisch?"
Es ist der Vollmond über Zentralanatolien.

[Der Aberwitz erklärt sich aus dem Mangel an einer vernünftigen Erklärung, die Hartnäckigkeit aus der in Liebesdingen ach so häufigen Ungleichheit der Gefühle.]
[Das ergibt dann nach Adam Riese schon drei Erklärungen. I'd better go now.]

Rubrik: Erkenntnistheorie

[Diesen Blog widme ich Ueli Raz. Das Herumstöbern eben auf seiner Website hat mich entbloggt bzw. deblockiert, wie ich früher zu sagen pflegte.]

Jeder, der was auf sich hält, bastelt früher oder später mal an einer Erkenntnistheorie. Die meine liegt inzwischen fertig vor und muss nur noch verbloggt werden. Ihr Ausgangspunkt liegt

Im schönsten Wiesengrunde


Heureka! - Ich hab sie wieder gefunden, die Stelle in der 'Negativen Dialektik', die mich vor Jahrzehnten so in Verzückung versetzte und die ich mir seither immer vorhielt, wenn ich mich vergrübelt fragte, was denn mein Erkenntnisbegriff sei. Vor allem der letzte Satz hat es mir angetan. Er ist ein wahres Fundstück. Mit ihm ist es Adorno gelungen, einen arschflachen Satz nicht nur zu produzieren, sondern ihn dann auch tapfer - oder einfach gut gelaunt? - stehenzulassen:

Der unnaive Gedanke weiss, wie wenig er ans Gedachte heranreicht, und muss doch immer so reden, als hätte er es ganz. Das nähert ihn der Clownerie. Er darf deren Züge umso weniger verleugnen, als sie allein ihm Hoffnung eröffnen auf das ihm Versagte. Philosophie ist das Allerernsteste, aber so ernst wieder auch nicht.

Schon im nächsten Satz reisst er sich wieder am Riemen:
Was abzielt auf das, was es nicht a priori schon selber ist und worüber es keine verbriefte Macht hat, gehört, dem eigenen Begriff nach, zugleich einer Sphäre des Ungebändigten an, die vom begrifflichen Wesen tabuiert ward.
Und weil es so schön ist:
Nicht anders vermag der Wörterclown [Der Theo selber verwendet hier den Ausdruck 'Begriff'] die Sache dessen zu vertreten, was er verdrängte, der Mimesis, als indem er in seinen eigenen Verhaltensweisen etwas von dieser sich zueignet, ohne an sie sich zu verlieren.
Und nur noch fürs Protokoll: Insofern sei der Philosophie das ästhetische Moment nicht akzidentell. Nicht minder sei es aber an ihr, es aufzuheben. ("Was denn sonst", meint Jan, der, wie so manche von uns, die Adornolektüre etwas vernachlässigt und sich im wesentlichen auf die 'Phänomenologie des Geistes' und dergleichen beschränkt.) Aufzuheben worin? ... in der Verbindlichkeit ihrer Einsichten in Wirkliches. Diese und das Spiel sind ihre Pole.

VERBINDLICHES SPIEL. Mit allergrösstem Ernst gespielt. Im Eingedenken, dass es so ernst auch wieder nicht ist. Mit einer klammheimlichen Freude, dass der geliebte Gegenstand widerspenstig bleibt: Das Begriffsnetz ist eingeholt. Und wer zeigt sich grinsend auf offener See? Der Widerbarsch, dieser widerborstige Knotenknacker, dieser schleimige Netzschlüpfer [das Erkenntnisobjekt, wie es andernorts, wo es methodischer zugeht, etwa heisst].

[Die ganzen Semesterferien reservierte ich dereinst für die Lektüre der 'Negativen Dialektik'. Schön, schön, schön war die Zeit ...]

Rubrik: Lebensweisheit

[Ein Blick in eine (noch) bessere Zukunft: In seiner grossen Weisheit hat Philotustan als alter Mann aufgehört, seinen Kopf mit haarsträubenden Programmierproblemen zu zermartern oder sich jeden Tag einen Blog aus den Fingern zu saugen. Er ist zwar immer noch ein dünnes, quirliges Zappelmännchen. Doch sieht man ihn nun immer öfter vollkommen entspannt inmitten von Wollknäueln in einem Strickheft blättern. Ein Bild, das zum Lachen reizt. Verbreitet es doch ein Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.]

Das Clavichord
oder
Meditation für quirlige Menschen


Gemeinsamer Aufenthaltssraum einer AltersWG:

Gertrud: Zuerst liegen die Wollknäuel überall rum ...
Florian: ... und dann findet er sie selber nicht mehr!
Susanne: Und ob er sie findet! Er weiss vielleicht den Namen des Doktors, dieses ... du weisst schon! ... nicht mehr, aber das Strickzeug findet er alleweil.
Gertrud: Und wo, wenn ich bitten darf? Ich suche nämlich das olivfarbige Dingsgarn da, das dünne, das er mir versprochen hat ...
Susanne: Das braucht er aber noch!
Gertrud: Wooo, verdammt noch mal!
Florian: Ruuheee! Schau doch einfach mal im Clavichord nach!

Gertrud tut wie geheissen und wird prompt fündig: Der Spinner! Typisch!
Florian: Wusstet ihr eigentlich, dass Johann Sebastian Bach sehr viele seiner Stücke ...
Herr Bolzen: ... ürsprünglich für das Clavichord - mit 'C', wohlgemerkt! - geschrieben hat? Jawohl! Das wissen wir mittlerweile alle! Und noch viel mehr. Der Philotustan ist ja soo gebüldet!
Susanne: Welcher Philotustan?
Florian: Das lange dünne Männli, das hier wohnt.
Susanne: Ah!? Mein Mann?! - Ihr müsst wissen, der braucht etwas, was nicht so viel Lärm macht und wo er dann ruhig sein kann und dabei wenigstens mit den Fingern zappeln.

Samstag, Oktober 08, 2005

Bastelecke

Jan meint, ich könnte doch mal was Nützliches schreiben. Damit tu ich mich schwer. Aber wenn ich zuerst noch ein bisschen gescheit tue, geht's vielleicht. Ich zeige also zuerst, dass ich zu Höherem befähigt bin, und dann lege ich los. "Du findest sicher auch einen gelungenen Übergang vom Mehr-Besseren zum mehr Technischen." Sicher. Und wenn mir nicht gleich was einfallen sollte, kann ich ja alleweil ein bisschen heideggerlen. Also:

Es gibt einen amor intellectualis zum Küchenpersonal.
Es gibt einen Hang des Premierenbesuchers zur Sitcom.
Es gibt ein Flair des wachsamen Hüters des Haus des Seins für das Ge-stell. ("Siehst du, geht ja!")

Webhosting


(Das Folgende ist für Mackies geschrieben. Aber auch interessierte kleine Softies sollten was Nützliches darin finden.)

Wir nehmen einfach mal an, du wollest dein eigener Web Host sein. Was brauchst du dazu? Was musst du unternehmen?

1)
Du brauchst einen Webserver. Den hast du schon. Er nennt sich 'Apache'. Und so wird er gestartet:
System Preferences -> Sharing -> Services -> Personal Web Sharing
2)
Deine interne Web Site ist ~/Sites/index.html.
('~' steht hier für /Users/benutzername)
Sie lässt sich bequem erreichen via
http://127.0.0.1/~benutzername/

Deine externe Web Site ist /Library/WebServer/Documents/index.html.
Sie lässt sich noch bequemer erreichen via
http://127.0.0.1

3)
Damit nun andere auf deine Web Site zugreifen können, braucht du einen Domain Name und eine feste Internetadresse oder etwas, was wie eine feste Internetadresse funktioniert. Beide Dinge gibt es gratis und franko bei einem sogenannten Domain Name Service. Ich empfehle DynDNS.com.

Du startest am besten hier:
http://www.dyndns.org/services/dns/dyndns/howto.html

Hier kannst du zunächst mal einen Account einrichten.
Dann wählst du einen Domain Name. Er hat die Form http://witzkiste.game-host.org. Das erste Element [witzkiste] kannst du frei wählen, die beiden andern kannst du aus einer Liste auswählen:
http://www.dyndns.org/services/dns/dyndns/domains.html

4)
Nun hast du einen Domain Name. Eine Internetadresse hast du auch. Aber die wechselt doch ständig. Die Frage lautet:

Wie kommt es dazu, dass der Benutzer, der deine neusten Witze lesen will und dazu ein www-DingsBums in seinen Browser eingibt, genau deine Maschine erreicht, wo doch deren Internetadresse ständig wechselt?

Nun, das ist eben genau das, was so ein Domain Name Service liefert. Er ordnet dem www-DingsBums deine jeweilige Internetadresse zu. Voraussetzung dafür ist, dass du auf deiner Maschine einen Client installierst, der DynDNS.org kontaktiert, wenn deine Interneadresse ändert, so dass die Adresse upgedatet werden kann. Dieser Client arbeitet natürlich, ist er erst einmal installiert und konfiguriert, still und leise (und zuverlässig!) im Hintergrund. Als Client empfehle ich DNSUpdate. Du kannst ihn zum Beispiel hier downloaden:
http://www.dyndns.org/support/clients/dyndns.html

Das war's schon.
Und Tschüss

Rubrik: Lebensweisheit: Glück

Sisyphus


Wir müssten uns Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen, meint Camus. -
Was denn an so einer Tätigkeit glücksbringend sein solle, bin ich versucht zu fragen. Das ist keine gute Frage, weil zu allgemein. -
Camus betrachtet eine bestimmte Gestalt bei ihrer täglichen Verrichtung und fordert mich dazu auf, sie mir als glückliche Person vorzustellen. Und das gelingt mir leidlich gut. (So wie mir das bei einer Fliessbandarbeiterin mühelos gelingt.) Sätze, die mit "Um glücklich zu sein, muss man ... " oder "Um glücklich zu sein, darf man nicht ... " beginnen, bringen's nicht. Schau dir stattdessen glückliche Menschen an! Oder stell dir einen Menschen vor, von dem du spontan annehmen musst, dass er unglücklich ist, und stell ihn dir als einen glücklichen Menschen vor! -
Und damit bin ich schon wieder ins Fahrwasser des Allgemeinen geraten. Und das behagt mir nicht. Mein Versuch, etwas Allgemeines, Bedeutendes, irgendwie Verbindlicheres zu sagen, endet in Flachheit. Da gefällt mir der Satz, den ich anfangs schreiben wollte, bedeutend besser:

Gesetzt, Sisyphus ist ein Steineroller, dann ist er ein unglücklicher Mensch, wenn man ihm den Stein wegnimmt.

Freitag, Oktober 07, 2005

Rubrik: Lebensphilosophie

Und eh man sich's versieht, landet man in den (Un)Tiefen der Philosophie. Meinem liebsten Hausgenossen, dem Jan, passiert das noch und nöcher.

1. Variation über "Der Weg ist das Ziel"


"Wie heisst shon wieder die Sängerin, die die Ankunft des Schiffes ankündigt, das alle Sehnsucht stillen wird?" - Ich bin ratlos und weiche auf den Fredy aus. Der hat es auch mit dem Schiff. Doch verspricht er sich, wenn ich ihn richtig verstehe, mehr von dessen Abfahrt, vorausgesetzt natürlich, er befindet sich zu diesem Zeitpunkt an Bord. Denn seine Heimat ist das Meer, seine Sehnucht ist die Ferne, ... sind die Sterne, über Rio und Hawai, über Bali und Schanghai. -
Warum bekommt selbst ein Ferienmuffel feuchte Äuglein, wenn er sich diese Lieder in Erinnerung ruft? -
"Eh, das ist halt ein Schlager, und im Schlager ist die Welt am schönsten, da musst du nicht erst nach Schanghai fahren. Und wenn der andere mit dem Schiff ankommt, ist das schönste vielleicht schon vorbei." -
Quod erat demonstrandum!

Donnerstag, Oktober 06, 2005

Thema: Flat Tax

Liebes Tagebuch

Ich geh jetzt schlafen. Jetzt bringt er dann sowieso wieder nur einen von diesen flachen Artikeln. Kann mir mal jemand erklären, warum so ein gebildeter oder von mir aus eingebildeter Herr sich für so hundsgewöhnliches Zeug wie die Steuern interessiert? Er liest ja den, der die platonische Liebe erfunden hat, in der Schrift mit den Zeichen, wo ich nur Glasnost oder so verstehe. Und der mit dem Sein, der so viel Zeit hat, der ist fast noch schlimmer als Glasnost. Also dann.

Tschüss

Dass ich die 'Hürriyet' lese, hätte er ruhig auch noch erwähnen dürfen. Aber ich bin ja zum Glück nicht eitel.

Steuerparadiese


Schaffhausen ist so ein Paradies. Und Obwalden will es werden. Ich hab gestern abend ja schon ein bisschen gestaunt, als ich in der Sendung '10 vor 10' erfuhr, dass es sowas wie eine degressive Einkommenssteuer überhaupt gibt. In Schaffhausen ist sie Realität, in Obwalden soll sie es werden. Allerdings muss man schon ca. Fr.300'000.- und mehr verdienen, um in ihren Genuss zu kommen. Erst ab dieser Höhe nämlich beginnt die Steuerrate wieder zu sinken.

Ich weiss ja um die üppige Mannigfaltigkeit unseres Steuersystems, aber jetzt muss ich zu Worten wie 'prächtig', 'ganz toll' oder gar 'super' greifen. - Es darf herzhaft gelacht werden! Es gibt halt hierzulande nichts, was es nicht gibt. Die degressive Einkommenssteuer ist nur ein weiteres munteres Pflänzchen neben Dingen wie Grenzsteuersätzen, die über 100% liegen. Hauptsache wir sind gesund.

Und natürlich fallen unsereinem dabei so Kindergartenspielchen ein wie dieses:
"Liebe Kinder. Die einen wollen, dass diese Linie nach oben geht, also ansteigt. Das sind die Guten. Die anderen wollen, dass die Linie nach unten geht, also absteigt. Das sind die Bösen. Aber damit sie aufhören, miteinander zu streiten, könnten wir ihnen vielleicht etwas vorschlagen, was beiden Seiten ein bisschen gefällt. Habt ihr eine Idee?" Die lässt natürlich nicht lange auf sich warten. - Beim Mittagstisch geht es dann etwa so zu: Klein Elisabeth erzählt stolz von ihrer zündenden Idee. Vater Hans weist sie zurecht: "Die mit der flachen Linie sind aber die ganz ganz Bösen" - "Wieso?" - "Iss jetzt!"

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Jan

Jan ist kein hervorragender Mensch. Und ich mag ihn sehr.

Jan


Vorname: Jan
Nachname: Schlendri
Häufig benutzter Username: schlendrian
Alter: Irgendwo zwischen Geburt und Tod. "Aber dort ist man ja alleweil. Denk dran!"
Ausbildung: lebenslanges Lernen: "Lern ich's nicht heut, lern ich's eben morgen, vielleicht."
Tätigkeit: mal dies, mal das; von vielem ein wenig, von nix zuviel ...
Charaktereigenschaften: umgänglich, umgänglich und ... eben umgänglich
Gangart: Hat er's eilig, schlendert er zügig voran.
Lieblingsgetränk: Abwarten ...
Lieblingsbücher: meine. Sie sind am bequemsten erreichbar.

Das soll fürs erste reichen. Als Leserin meiner Blogs wirst du ihm fortan häufig begegnen. Ich hatte mich ja mit dem Gedanken getragen, einen Roman zu schreiben. "Wer tut das nicht? - Versuch's doch mal mit ein paar Blogs!" - Über den Romananfang hatte ich auch schon nachgedacht: Sowas wie Heinrich Mann's "Diederich Hessling war ein schwaches Kind" hatte mir vorgeschwebt. "Das geht im Blog auch. Kannst ja mich nehmen. Dann hast du wenigstens eine vernünftige Vorlage." - Und diesem Rat bin ich dann gefolgt:

Jan ist kein hervorragender Mensch. Und ich mag ihn sehr.

Mittwoch, Oktober 05, 2005

Rubrik: Lebensweisheit

Wer bin ich? (1)


Die Frage gilt als wichtig. Jedenfalls ist sie ganz schön gewichtig. Ein Mauerspruch vom Mai '68 gibt einen Hinweis, wie man sie behandeln könnte:

Wer bin ich? Und wenn ja: wie viele?

Rubrik: Ratgeber

Schon wieder eine neue Rubrik! Und überdies eine, die einem philosophischen Berater [Gratiswerbung!] gut ansteht.

Nächstenliebe


Worauf muss ich achten, wenn ich jemandem mit Nächtenliebe begegne? -
Er darf es nicht merken!

(Mal irgendwo bei Nietzsche aufgeschnappt)

Hab mich eben etwas im Blog von Markus Schneider getummelt. Falls es jemand interessiert, was ich da an Spuren hinterlassen habe, kann er hier clicken.

Mir hat's gefallen, dort dort den irre kompetenten Sozial- und Fiskalpolitiker zu spielen.

Dienstag, Oktober 04, 2005

Rubrik: Lebensweisheit

Schneckentempo


Wähle das dir im Moment angemessene Tempo und halte es konsequent durch!

Sprach die Schnecke und erreichte gegen Abend das erste Salatblatt. Und sie dankte ihrem Schöpfer für den erfüllten Tag.

Rubrik: Die kleinen Freuden

Liebes Tagebuch

Heute hatte ich viel Grund zur Freude. Wie du weisst, bin ich ein grosser Zentralasien-Fan. Besonders seine Turkvölker haben es mir angetan. Wegen ihrer Sprachen. Die sind dem Türkischen, der Muttersprache einiger meiner Arbeitskollegen, sehr ähnlich. Und die finde ich ganz toll. Die Sprache, meine ich. Die andern aber auch. Du weisst auch, dass ich manchmal ein ganz grosser Patriot bin. Wegen dem Artikel habe ich mich so gefreut. Jetzt kommt aber der andere dran. Der kann noch besser schreiben als ich.

Tschüss

Schwejzartschik


Mein Freund bezieht sich auf einen Artikel in der NZZ vom 03.10.05 mit dem Titel:
Beim kirgisischen Bruder des Petit Suisse
"Schwejzartschik" aus der Milchquelle am Issyk-Kul


In Form einer sehr gelungenen Reportage wird dann ein schweizerisch-kirgisisches Gemeinschaftsprojekt beschrieben/geschildert, das unter der Federführung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) steht. Ich gebe hier nur die Einleitung wieder, die ein paar fundamentale Fakten liefert:

Die schweizerisch-kirgisische Käserei Sjut Bulak - kirgisisch für Milchquelle - ist ein blühendes Unternehmen, das rund 3000 Bauern am Issyk-Kul-See ein bescheidenes, aber regelmässiges Einkommen garantiert. Unter den sieben Käsesorten aus Sjut Bulak befindet sich auch der "Schwejzartschik", der kirgisische Bruder des Petit Suisse.

Ich verstehe die Freude meines Freundes und teile sie vollumfänglich. Nur schon das Wortpaar 'Sjut Bulak': Wir beide erkennen darin natürlich sofort seine türkischen Geschwister 'süt' und 'bulak'. - Dann sind wir beiden Patrioten stolz auf das Deza. Das ist Entwicklungszusammenarbeit vom Feinsten. "So muss man es machen, jawolle!" Herr Ueli Maurer, Präsident der SVP, sprach uns beiden aus der Seele, als er in der letzten Arena (Thema: Nach der Abstimmung zu den Bilateralen II) sagte: "Wieso diese Fixierung auf die EU? Und das in einem so weltoffenen Land wie der Schweiz!" And so we proudly present:

Aus der Website des DEZA in Kirgistan:

SDC IN CENTRAL ASIA - "Dairy Spring"

Montag, Oktober 03, 2005

Rubrik: Lebensweisheit

Sie hatte die Schildkröte rausgelassen. Wir ergingen uns in nachmittäglichen Betrachtungen über Wildkatzen, die Liebe, das Kaffeearoma und die Gewichtigkeit des Lebens. Mittlerweile war das Tierchen von uns weggestapft und in eine kleine Mulde geraten:

Schildkrötenphilosophie


Sitzest du in der Mulde, zieh dir einen Panzer über, wähle eine naheliegende Richtung und beweg dich vorwärts. Stetig vorwärts. Zähne putzen. Einzahlungen machen. Zum Kiosk stapfen. Stetig. Einfach stapfen. Und nichts dabei denken. Nur den Bach wahrnehmen, wenn du über die Brücke stapfst. Keine Gedanken verscheuchen. Z'Nüni nää. Rollen lassen. Stetig ...

Sitzest du in der Mulde, stell dir vor, du seist eine Schildkröte.

Samstag, Oktober 01, 2005

Rubrik: Deutsch für Schwerstfortgeschrittene

Die Pflege der Kultur


Wir repetieren: 'Kultur' kommt von 'colere':
colo colui cultum colere: pflegen.

Gepflegt werden kann vieles. Zum Beispiel das Land: Kulturland. -
Meine Frau arbeitet in einem Alters- und Pflegeheim. Sie ist eine Pflegefachfrau. -
Weder verscharren wir Menschen unsere Toten noch lassen wir sie einfach liegen. Wir kennen die Bestattung. Und wir pflegen das Andenken der Verstorbenen.

Kultur ist Pflege. - Was ist nun ein Mensch, der sich was darauf zugute hält, dass er die Kultur pflegt? - "Ist so einer am Ende einfach etwas überkandidelt?"