T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, Oktober 30, 2005

Buchprojekt: Anerkennung

Sommer 2000. Die Blaue Moschee (Mavi Cami) in Istanbul. Wir haben die schweren Schuhe draussen ausgezogen und verwahrt. Beim Eingang ausgehändigte schmucklose Tücher sorgen dafür, dass meine Blicke weder durch tiefe Auschnitte von bajuvarischen Wirtinnen angezogen noch durch die dicken Waderln ihrer Gatten abgestossen werden. Keine üppigen Bilder, die sich an allen Ecken und Enden ins Gesichtsfeld vordrängen. Dafür Myriaden von kleinen Bildchen oder Ornamenten. Der fixierende Blick rutscht an ihnen ab oder verliert sich in ihnen. Unverstellter Platz. Raum waltet. Verkrampfte Bauchmuskeln lösen sich und lassen die Seele in den Raum sich ausbreiten, aus dem sie, geräumiger nun, zurückfliesst. Geflüster, Hüsteleien und Geräusper vermögen die grosse Stille kaum zu stören.

Das Ringen nach Worten hat zwar schon lange nachgelassen. Doch dann - wie so oft, wenn's so richtig feierlich wird - beginnt sich im Gehirnskasten doch noch ein höchst aufdringlicher, vorwitziger Satz, ein lapidarer und unangemessener Satz obendrein, zu bilden und sucht den Weg ins Freie: "Jetzt weisst du, wo Gott hockt." Und siehe da: Auch er wird vom grossen Raum verschluckt. Ein kleiner, lächriger, persönlicher Satz, der mit anderen, gewichtigeren, seine Bedeutsamkeit ablegt und sich im einen grossen Raum verliert.

Wider das Bilderverbot


Ich denke, es ist an der Zeit, zwischendurch mal einen kritischen Einwand zu formulieren, selbigen in den Raum zu stellen, irgendwas einer kritischen Reflexion zu unterziehen und es obendrein noch kritisch zu hinterfragen. Und zur Feier des Tages versehe ich dieses Unterfangen mit einem separaten Titel:

Einwendung, erhoben und in den Raum gestellt in kritischer Absicht
zum Zwecke der Erhöhung der Reflexivität meiner Blogs

Wenn Anerkennung darin besteht, den andern in seinem So-Sein zur Kenntnis zu nehmen und es gelten zu lassen, und wenn die Kenntnisnahme notwendigerweise auch darin besteht, dass man sich vom andern ein Bild macht, das man, weil das zur Kenntnis Genommene ja gelten soll, einfach stehen lässt, verkommt dann Anerkennung nicht letztlich zu einer gut getarnten, besonders perfiden Festlegung des andern auf das Bild, das wir uns von ihm machen?
["Mein lieber Jan, dein blödes Gekicher ist kein Argument!"]

"Du sollst dir kein Bild machen!" - "Ist ja auch nicht nötig. Das Bild produziert sich wie von selbst. Es stellt sich einfach ein." -
Wie macht man sich kein Bild? - Mach ein, zwei, ... viele Bilder!

Das Bild, das du dir nicht selber machst, mag das renitenteste von allen sein. Es will den ganzen Raum einnehmen. Seine Gewalt wird gebrochen, wenn es sie mit andern, die du dir aus interessierter/liebender Beobachtung zurechtzimmerst, teilen muss. Die vielen, vielen Bildchen verlieren sich in einem schillernden, verfliessenden Mosaik, das den fixierenden Blick bricht und den Raum freigibt.

Wahrheit emphatisch: unverstellter Raum, wo von sich aus Zeug und Geschichten in die Unverborgenheit treten mögen.