T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Dienstag, November 24, 2009

Die Liebe ist ein seltsames Spiel, / Sie kommt und geht vom einen zum andern, ... (Connie Francis)

SYMPATHIE


Früher oder später werden sie wieder die Strasse beherrschen.
Die Leute werden eingeschüchtert sein.
Die Polizei wird zuschauen und dann irgendwie ermitteln.
Doch eines wird anders sein:
Wir werden schiessen.

Das ist das Grundmuster. - Na ja, für einmal mag ich es nicht bei der zweifellos zutreffenden lapidaren Feststellung belassen, dass wir, eine zahlenmässig nicht völlig unbedeutende Gruppe von Berner RAF-Sympathisanten, nicht alle Tassen im Schrank hatten.

Kommissar Stubbe ermittelt im (fiktiven) sächsischen Städtchen Elbermünde. Dort haben die Neonazis das Sagen. Eine Gruppe junger Leute hat von ihnen die Schnauze voll und veranstaltet eine kleine Demo, die von den Nazis umgehend angegriffen wird. Ein paar von denen drangsalieren später in einer Nebenstrasse eine Demonstrationsteilnehmerin. Ein Mann in mittleren Jahren eilt ihr zu Hilfe. Er wird sofort zusammengeschlagen. Zwei Polizisten erscheinen in gemächlichem Schritttempo und fragen den Mann - die Nazis haben inzwischen immerhin von ihm abgelassen - nach seinen Papieren.

Zu Beginn der Siebziegerjahre. Am Morgen findet ein Prozess gegen ein paar Institutsbesetzer, darunter auch ein Mitglied unserer WG, statt. Wir wollen natürlich daran teilnehmen, werden natürlich abgewiesen, besammeln uns dann mit andern natürlich im einschlägigen Institut, "um das weitere Vorgehen gegen die Repression zu besprechen", business as usual eben. Wir ziehen gegen Mittag ideenlos ab. Steht da ein Assistent des verhassten Institutsleiters und schiesst ein paar Fotos. Schon klar: Lange hält er das Ding nicht in der Hand. Eher überraschend hingegen: Ein Trillerpfeifton, und aus verschiedenen Institutsräumen stürmen Polizeigrenadiere, verfrachten uns in Einsatzwagen - die standen auch schon bereit - und bringen uns in die Turnhalle des Polizeihauptquartiers. Dort verbringen wir zwecks Personenkontrolle und Abklärung des Tatbestands der Sachbeschädigung den ganzen Nachmittag. Am frühen Abend dann ein paar Routineprozeduren (Fingerabdrücke, Erinnerungsfoto) und die Einzelverhöre, die Nacht verbrachten wir dann in den eigenen Betten. - Neue Strafverfahren, Vorladungen und so, für einige ein Semester Strafrelegation. Neue Proteste, Meetings, business as usual eben. Ich weiss heute noch nicht, wer dem Assistenten seinen Fotoapparat aus der Hand geschlagen hat. Und ich verstehe eigentlich auch heute noch nicht, warum man uns in der Turnhalle nicht wenigstens einen Ball zur Verfügung gestellt hat. Dafür durften wir hautnah miterleben, wie eine Gruppe von Grenadieren eine Turnhalle stürmt, in der ein paar gelangweilte junge Leute nach etwas Spielzeug schreien.

1967. Der Schah zu Besuch in Berlin. Demo. Ein paar Schahanhänger gehen mit langen Brettern auf die Demonstrierenden los. Die Polizisten schauen erst zu, doch dann greifen sie aktiv ins Geschehen ein: Sie jagen und verprügeln die Demonstranten. Am gleichen Tag in einer Nebenstrasse die Erschiessung von Benno Ohnesorg, dann das Attentat auf Rudi Dutschke, die Ereignisse beginnen zu eskalieren: Eine neue Idee nimmt Gestalt an, eine verrückte Idee: Die Ulrike staunt nicht schlecht, als die Gudrun ihr davon erzählt. Schon bald gehen die ersten Polizeiquartiere hops. Solche Ereignisse lösen nicht bloss Entsetzen aus. Denn:

Die Liebe ist ein seltsames Spiel, / Sie kommt und geht vom einen zum andern, ... Tja, auch die Sympathie treibt manchmal seltsame Spielchen. In der Mitte der Siebzigerjahre steht ein junger Mann auf dem grossen Platz vor dem Polizeihauptquartier und betrachtet sinnend sich erinnernd dessen intakte Front. Dann huscht ein blöd-seliges Lächeln über sein Gesicht: Mit einer weiteren frohen Botschaft kamen am gestrigen Abend auch ein paar hübsche Bildchen, von denen eines sich jetzt vor die eben noch intakte Front schiebt. Hoppla! Der Andreas muss ja schon ein Kotzbrocken sein, aber schön ist das schon, und so lustig halt. Die Sympathie treibt ein seltsames Spiel. Sie kommt zum einen, und zu dem kommt ein anderer, die beiden merken, dass es so schön erleichternd ist, zusammen über seltsame Dinge zu lachen.

Montag, November 23, 2009

Die Anne Will fragt in ihrer Sendung den Ex-RAF-Terroristen Peter-Jürgen Boock - er war an der Erschiessung Hanns Martin Schleyers mitbeteiligt - nach den Gründen für sein Abtauchen in den Untergrund. Und was hat der wohl geantwortet? Nix natürlich. So ist das, wenn man die elementare Unterscheidung zwischen Begründung und Erklärung nicht vornimmt; das hat man davon, dass man mithin einen reumütigen Verbrecher dazu auffordert, seine Taten zu rechtfertigen.


[Zum Glück gab es doch einen kurzen Moment, wo Herr Boock etwas Erklärendes vortrug. Und das wälze ich jetzt in meinem Kopf herum. Nein, der Erklärungsfetzen war klar, mit Farbe gar, vorgetragen und gut nachzuvollziehen. Aber ich habe da mit mir selber noch ein Hühnchen zu rupfen. Ich habe mich in den Siebzigerjahren halt nicht immer über die richtigen Geschehnisse in unserem nördlichen Nachbarland gefreut ...]

[PS: Der erste Teil des Films 'Der Baader Maihof Komplex' ist richtig schlecht, vor allem ist er nicht die Bohne erhellend. Na ja, er hat mir halt nix gebracht. - (Ja, ich habe in der letzten Zeit einen richtig erhellenden Film gesehen: 'Das Wunder von Berlin'.)]

Sonntag, November 22, 2009

Das Wesen des Katholizismus


Wir wollen ihm durch die Teilnahme an einer Rheinischen Messe näherkommen. - Wir sind zu spät gekommen und bekommen gerade noch den Schluss der bischöflichen Predigt mit, in der der Hochwürden die grosse Frage nach dem Leben im Hier und Jetzt und so aufgeworfen hat. Im Fortgang der Messe wird die Frage dann weiter vertieft und schlüssig beantwortet.

(Orgelspiel setzt ein, die Chorherren stimmen einen Choral an:)

Met ner Pappnas gebore, dr Dom en dr Täsch,
Han mir uns jeschwore: Mer jon unsre Wääch.
Alles wat mer krieje künne, nemme mer och met,
Weil et jede Augenbleck nur einmol jitt.

(Es folgt ein responsorialer Gesang. Die Orgel wird durch eine Handorgel abgelöst. [Meine eigene Handorgel ist eine Hohner, doch diese ist bedeutend Höhner:])

Da simmer dabei! Dat is prima! Viva Colonia!
Wir lieben dat Leben, die Liebe und die Lust,
Wir glauben an den lieben Gott und ham uch immer Durscht.

Mer lääve hück - nit murje, zo schnell verjeiht die Zigg,
L.M.A.A. ihr Sorje, mer lääve dä Augenbleck.

... un dä es jenau jetz!

Da simmer dabei! Dat is prima! Viva Colonia! ...


Ite, missa est. - Deo gratias!


[Es überrascht wohl niemanden zu erfahren, dass es für die Glaubenskongregation in Rom ein Leichtes war, ihren obersten Chef auf Erden dazu zu bewegen, auch eine bayerische Version der Messe zu autorisieren: Da samma dabei! Des is prima! Viva Bavaria! ...]

[Was 'L.M.A.A.' bedeutet? Wenn einer mich anständig fragt, werde ich ihm anständig antworten, ansonsten darf er M.A.A.L.]

Samstag, November 21, 2009

Laute, Wörter, Sätze 15/103


(Hamburg) Neben mir quietscht, jammert und schreit zwischen zwei Landungsbrückenelementen ein Ponton. "Das Ding darf nicht geölt werden, wegen der Umwelt." "Wir quietschen für die Umwelt", schlage ich vor. Die Frittenverkäuferin lacht.


Eine Einführung in die Poetologie mittels einer Bemerkung über den richtigen Gebrauch des literarischen Stilmittels des Schutsu

Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich
Und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu.
Und er gürtete den Schuh.
(Brecht: Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration)

Hans Sachs war Schuh-
Macher und Poet dazu.


Über einige Modifikationen im Begriff der Nachhaltigkeit im Zeitalter von Viagra, geschrieben im Bemühen, den Ruf eines Schreiberlings zu erwerben, der den Elfenbeinturm verlassen und sich eingebracht hat


Zwei Titel, die in den Siebzigerjahren einen verhehrenden Einfluss auf nicht sattelfeste Linke gehabt haben könnten:

Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Handke)
Der Resozismus als Garant einer nachhaltigen Unterentwicklung (Enzensberger)


[Resozismus: real existierender Sozialismus]

[Auch ein literarisches Rätselraten]

Introduktion und Exzerpte op. 515


Er hat Kraut und Rüben geredet, der gute Erich, und es waren auch einige wenig bekömmliche Pflänzchen darunter, die Notwendigkeit der Mauer etwa oder die Zurschaustelung seiner Vertrautheit mit Leuten von der Stasi. Egal! Er hat mich nicht gelangweilt. Und er hat Herz.

Der Albert hingegen ist ein herzloser Langweiler und Vernunftbold. - Albert? Nun, wir sind nicht in Eisenach, nicht in Jena, nicht in Gotha, nicht in Erfurt; aber wir bleiben in Thüringen und sind wieder mal auf dem Weg nach ...


Am 12. August [1771]
... Nun weisst du, dass ich den Menschen [Albert] sehr lieb habe bis auf seine Z w a r; denn versteht sich's nicht von selbst, dass jeder allgemeine Satz Ausnahmen leidet? Aber so rechtfertig [!] ist der Mensch! wenn er glaubt, etwas Übereiltes, Allgemeines, Halbwahres gesagt zu haben: so hört er dir nicht auf zu limitieren, zu modifizieren und ab- und zuzutun, bis zuletzt gar nichts mehr an der Sache ist. Und bei diesem Anlass kam er sehr tief in Text: ...

[Mit grosser Bestimmtheit äussert Albert Dinge, die schlicht und herzlich wenig ergreifend todrichtig sind.]

... Ich zuckte die Achseln und gab's ihm zu ...
Ich war im Begriff abzubrechen; denn kein Argument bringt mich so aus der Fassung, als wenn einer mit einem unbedeutenden Gemeinspruche angezogen kommt, wenn ich aus ganzem Herzen rede ...

Am 9. Mai [1772]
... Auch schätzt er [der Fürst, auf dessen Jagdschloss unser junger Held z. Zt. seine alten Leiden erduldet] meinen Verstand und meine Talente mehr als dies Herz, das doch mein ganzer Stolz ist, das ganz allein die Quelle von allem ist, aller Kraft, aller Seligkeit und allen Elendes. Ach, was ich weiss, kann jeder wissen - mein Herz habe ich allein.

Am 12. Junius
... Er ist ein Mann von Verstande, aber von ganz gemeinem Verstande; sein Umgang unterhält mich nicht mehr, als wenn ich ein wohlgeschriebenes Buch lese ...

Am 18 Junius
... Und ich lache über mein Herz - und tu ihm seinen Willen.


[Vom Bahnhof Altona aus stiess ich bis zur Elbe vor, und dann ging's weiter zum Fischmarkt. Sehr gemächlich, mit zahlreichen Zwischenhalten auf Bänkchen, wo ich meinen Kopf in die Briefsammlung steckte. Am frühen Abend dann - ich wartete beim Italiener an den Landungsbrücken auf die Spaghetti - ertappte ich mich hierbei: "Dieser Mann stirbt mir nicht!" Ich habe das Buch nie zu Ende gelesen.]

Freitag, November 20, 2009

Lob der naiven Widerständigkeit gegen die Indoktrination


Ich hatte die Alkoholtherapie gerade hinter mir und musste eine Weile nachdenken bei meinem ersten Besuch in der alternativen Beiz: "Hmmm ... am liebsten eine Cola." - "Hmmm ... eigentlich solltest du wissen, dass dieses Getränk ... bei uns ... du verstehst schon ..." Ich bin natürlich unverzüglich in mich gegangen und habe das auch deutlich zur Schau gestellt, habe mich umbesonnen und ein unbescholtenes Getränk bestellt. Beim nächsten Besuch dann ganz flott, ohne langes Nachdenken, aus einem arglosen Bauchgefühl heraus: "Für mich eine Cola, bitte!"

What have they done to her face, Ma?


Du siehst, wohin du glotzt, nur Plastic auf dem Bildschirm. Es ist alles eitel. Nicht einmal die hartnäckige Anhänglichkeit des älteren Herrn an die Schauspielerin, die sein pubertäres Blut in Wallung brachte, hat Bestand. Sie vermag die Veränderung, die zwischen zwei Filmaufnahmen stattgefunden hat, nicht zu überleben. Es hat sich ans Gesicht gehen lassen, das Schätzchen, mit dem es dereinst flott zur Sache ging. Und mit den Falten ist es nun selbst verschwunden. Erschüttert blicke ich ins Gesicht der Mörderin aus dem heutigen 'Fall für zwei' im ZDF und seufze: "Wie konntest du nur?!"

[Titelmelodie: Melanie; Hintergrundmelodie: Sag mir, wo der Liebreiz ist, wo ist er geblieben?]

Donnerstag, November 19, 2009

[Ostalgia 4]


Der Erich ist weg. Schade! Seine bisweilen bestürzend illusionslose Anhänglichkeit an seine alte Heimat hatte etwas Berührendes. Jetzt erwarten ihn wieder "die kleinen, vertrauten logistischen Probleme" auf der Post in Gotha. Und er hatte wohl auch etwas Heimweh nach seinem Häuschen am Rennsteig. Nun, er wird uns erhalten bleiben und hier bestimmt ab und zu etwas posten.

Die alte BRD sei mausetot, meinte er in einem unserer letzten Gespräche. Heute sei es in Deutschland zwingend, bei der Diskussion jedes beliebigen wirtschafts-, finanz- oder sozialpolitischen technischen Details sofort die Frage nach der 'sozialen Gerechtigkeit' aufzuwerfen, und die Parteien stritten sich darum, welche von ihnen der beste Weihnachtsmann mit den tollsten Geschenken für die Unterprivilegierten oder Wenigerverdienenden sei. Ob ihn das freue, fragte ich. "Mitnichten. Ich mag keine schlechten Theaterstücke." - "Du hast ja FDP gewählt." - "Jedes Stück braucht zumindest einen Bösewicht. Es reicht nicht, wenn die mit den richtigen, echten, sozialen Anliegen einander des sozialen Kahlschlags und mithin der Bosheit bezichtigen." - "Du geniesst da ein Schauspiel." - "Ach ne, das Stück ist zu erbärmlich."

"Was mochtest du an der DDR?" - "Die Leichtigkeit des Seins, die oft freilich ziemlich unerträglich war. Abstrakt: die soziale Sicherheit. Konkreter: das Leben ohne Zukunftsangst. Die Grundbedürfnisse waren ja ganz toll subventioniert, und man konnte an einem sicheren Arbeitsplatz lebenslang wacker vor sich hinwerkeln. Du müsstest das eigentlich verstehen. Dein Leben an deiner alten Poststelle sah doch ganz ähnlich aus, oder? Und du hast das gemocht, gell? Sag mal, hast du dir als Trotzkist ab und zu nicht auch etwas dabei gedacht?" - "Das wäre ja noch schöner!" - "Los! Zwischendurch musst du dir irgendetwas dabei gedacht haben." - "Lassen wir diese ollen Kamellen!" - "Jetzt wirst du unverschämt!" - "Tut mir leid. - Na ja, es war halt der Traum von einem Leben im Überfluss, ohne malochen zu müssen. Die 'Grundrisse' und der dritte Band eben. Mein allererster Blog." - "Ja, genau da habe ich angebissen. Deine etwas bescheuerte Idee, den marxschen Kommunismus für dich persönlich unverzüglich in die Tat umzusetzen, und die Einsicht, dass der 'Spätkapitalismus', wie ihr Trotzkis euch ausdrücktet, das ermögliche. Jagen und Fischen, sich verlustieren, lesen, Gedichte schreiben und so, das Ganze ergänzt durch etwas Maschinenwartung. Das Reich der Freiheit hat das Reich der Notwendigkeit schon abgelöst; wir Idioten von Marxisten haben das bloss noch nicht bemerkt. Anders gesagt: Einen Text schreiben, Beeren sammeln, einen Abstecher an die Werra oder in eine unterfränkische Bäderstadt machen, musizieren, das Ganze ergänzt durch ein paar Stunden logistische Facharbeit." - "Unser müssiges Palaver nicht zu vergessen." - "Schön gesagt."

Wir haben dann auf unsere Weise noch ein paar Runden auf die 'soziale Gerechtigkeit' gepfiffen: In einer Gesellschaft gibt es Leistungsträger und Faulpelze. Da sagt der Leistungsträger zum Faulpelz: "Du bist ok. Es soll dir am Lebensnotwendigen nicht mangeln! Lass es dir gutgehen!" Und der Faulpelz sagt zum Leistungsträger: "Du bist ok. Du bist materiell sehr gut gestellt. Das ist richtig. Und auch sonst soll es dir rundum gutgehen!"

Bei unserm Pfeifkonzert durfte auch das Stück von den Leuten, deren Privileg es ist, als selbsterwählte Anwälte von allen möglichen ausgewählten Menschengruppen als immer auf der genau richtigen Seite stehend sich fühlen zu dürfen, nicht fehlen. Ja, auch beim Linken-Bashing haben unsere Geschmäcker sich getroffen.

"Alles Gute! Und bleib ganz toll stur!" - Man sieht sich mal wieder, gell? Tschüss!" - "Tschüss!"

Dienstag, November 17, 2009

Für unsern Opa ist klar: Die Studentin, die im 'Nachtjournal' der ARD eben recht ausgiebig zu Wort gekommen ist - sie kampiert mit vielen andern seit letztem Mittwoch in einem Hörsaal der Hamburger Uni -, verlangt nach mehr Bildung. "Und wenn ihr wirklich wissen wollt, was das ist, dann hört einfach zu und denkt über das Gehörte nach. Eure Meinungen interessieren mich nicht. Die jungen Leute reden nun schon seit Tagen, und ihr habt immer noch bloss eure Meinungen. Ich geh schlafen. Tschüss."


[Platons δοξα? Adornos 'Meinung, Wahn, Gesellschaft'? Na ja, der Alte wird sich schon was dabei gedacht haben. - Philotustan]

Montag, November 16, 2009

[Ostalgia 3]


Philotustan sagt mir, es habe für ihn etwas Deprimierendes gehabt, mitten in durch Soligelder teilrenovierten Städten und Städtchen Thüringens und Sachen-Anhalts immer wieder auf ältere verfallende Betriebsgebäude zu stossen. Kann ich voll nachvollziehen. Was glaubt ihr, warum ich Gera meide? Ja, mein Betrieb steht da noch. Es ist kein schöner Anblick. Die Damen und Herren von der Treuhand, die ihn zuletzt besichtigten, nahmen kein Blatt vor den Mund. Das kostete sie dann auch ein paar "Kapitalistenschweine!" und "Arrogante Wessi-Arschlöcher!". Die Wut ist natürlich längst verflogen. Es tut nur noch weh.

Es tat weh zu vernehmen, wie stark Lothar Späth den Personalbestand bei Carl Zeiss in Jena reduzieren musste, um das Unternehmen als lebensfähiges in die Globalisierung zu überführen. Man reduziere den Personalbestand um die Hälfte, und neue und bessere und mehr Produkte können auf den Markt geworfen werden. Das ist die Botschaft, die verfluchte, die mich wieder ins Grübeln geraten lässt: Was zum Teufel haben wir eigentlich getrieben in unseren Betrieben!? Was haben wir geleistet? Es tut weh.

Wir hatten andere Werte? Ich kann es selber nicht glauben. Zwischen 46 und dem Bau der Mauer 61 hatten bereits 3 Millionen Menschen der Republik den Rücken gekehrt. [Der Bau war notwendig, keine Frage.] Etwa 1.2 Millionen Menschen hatten in der Zeit zwischen den ersten Rissen im Eisernen Vorhang und dem offiziellen Tag der Einheit die Noch-Republik bereits verlassen. Das kann man noch hinnehmen. Aber es sind die kleinen, schmutzigen Bildchen, die einem den letzten Glaubensfetzen rauben: Wie die Heuschrecken überrannten viele meiner Landsleute am 9. November mit ihrem Begrüssungsgeld in West-Berlin einen Beate-Uhse-Laden. - Der Laden lag abseits. Irgendwo in einem finsteren Nebenwinkel der strahlenden Stadt. Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!

Nein, ich mag nicht zynisch werden. Das zynische Bewusstsein sei ein unglückliches Bewusstsein, meint Philotustan, resultierend aus einer zähen Anhänglichkeit an 'höhere' Werte, an die zu glauben mit grosser Anstrengung verbunden sei. "Hänge das Bildchen ein bisschen tiefer und lasse die Freundlichkeit bei dir einkehren," formuliere ich mal. Wie dem auch sei: Ich mag nicht zynisch werden. Aber es tut gut, diese Dinge hier niederzuschreiben. Eigenartig: Es tut schon weh, aber wenn ich die Dinger so vor mich hinformuliere, kehren sie mehr und mehr eine komische Seite hervor.

Ja, dann lasse ich mich jetzt mal von meiner eigenen Schreibe ein bisschen erweichen und trösten.

Ich bin gespannt, ob ich anschliessend noch was zu sagen habe ...

Erich

[Rubrik: Zahlen]

Die Aufgabe der Treuhand: die Zerstückelung der grossen Konglomerate der DDR und die treuhänderische Verwaltung der Betriebe mit dem Ziel, einen geeigneten Investor für sie zu finden.

Es war natürlich zu erwarten, dass dadurch Geld für den Aufbau Ost in die Staatskasse gespült würde. Wieviel Geld? Klaus von Dohnanyi [SPD; ehemaliger Bürgermeister von Hamburg, Bruder von Christoph von Dohnanyi, seines Zeichens Dirigent und Gatte der grossen Sopranistin Anja Silja, deren Darstellung der Marie in Alban Bergs Wozzeck ... - "Oh Gott! Zahlen!!"], seinerzeit Mitglied des Verwaltungsrats der Treuhand, jüngst in einer Talk-Show (sinngemäss):

"So um die 300 Milliarden DM hätte ich schon erwartet. Aber die Treuhand selber kostete ja auch, und so landeten wir in den Miesen."


[Was bei Erichs Betrieb wohl rausgeschaut hat?]

Sonntag, November 15, 2009

[Ostalgia 2]


Ich hab das Zeug noch voll drauf. Aber es ist bloss Schrott, ein grosser Haufen Scheisse auf dem Misthaufen der Geschichte. Die ungeheuren schlummernden Produktivkräfte sind durch die Beseitigung der sie hemmenden kapitalistischen Eigentumsverhältnisse nicht gerade entfesselt worden. So etwas konnte nur prophezeien, wer vom Kapitalismus keinen blassen Schimmer hatte. Um mit der Konkurrenz mithalten zu können, ist meine Schwester zum Mithalten bei Innovationen bzw. zu wiederholten Investitionen gezwungen. Sie muss ihr Eigentum durch einen Kreditvertrag bei einer Geschäftsbank verpfänden und es dann durch den Abschluss einer möglichst hohen Zahl von Kaufverträgen verteidigen bzw. wieder auslösen. Bei uns waren Innovationen bloss hoch willkommen, sie drängten sich nicht auf, es hatte stets noch Zeit damit, bis morgen, bis übermorgen, bis zum nächsten Fünfjahresplan. Meine Schwester kann nicht gross wählen: Sie kann zur Verteidigung ihres Eigentums zum stets wachsenden gesellschaftlichen Wohlstand beitragen, oder sie kann gleich dichtmachen. [1] Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse als Motor des gesellschaftlichen Wohlstands: Das hat der olle Marx gesehen, aber seine Ansicht, sie müssten zum Zwecke der weiteren Steigerung des Wohlstands abgeschafft werden, ist doch bloss ulkig. Ich bin ja nicht blöd. Ich sehe schon, was hier abgeht. Und ich frage mich, was wir in unseren Betrieben über Jahrzehnte veranstaltet haben. Das tut mir weh. Vieles tut mir weh. Ich darf mal jammern, ja?

Es tut weh, dass die Herren Reagan, Kohl & Co. bloss mal eben kräftig an der Rüstungsschraube drehen mussten, um unser grosses Bruderland wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. (Nebenbei: Nicht einmal eine starke Friedensbewegung hat uns da helfen können.) Verdammt, die haben ihre Staaten durch das wahnsinnig teure Projekt mitnichten in den Ruin getrieben. Aber meinem Jürgen gingen die Wanzen aus, und dem Domplatz in Erfurt die Pflastersteine. Dass die das eben mal so schaffen konnten! Ich kann euch versichern, manchmal ärgerte es mich schon, dass ich bei wirtschaftlichen Grundsatzdiskussionen mein Vokabular nur unter der Gefahr des Verlusts des privilegierten Arbeitsplatzes über die drei einschlägigen blauen Bände hinaus erweitern durfte. Bei meinen Freunden von der Stasi habe ich da nichts riskiert, aber die hatten den wahren Glauben eh schon längst verloren. Na ja, das hatten wir schon. Und ich will ja jammern.

Demnächst.

Erich


[1]
Ich will anmerken, dass die Höhe des Zinssatzes bei ihrer Entscheidung überhaupt keine Rolle spielt. Das steht bloss in den ökonomischen Lehrbüchern. Neben anderem nebulösen Zeug wie dem Konjunkturzyklus. Es gibt branchenspezifische Haussen und Baissen bzw. notwendige Krisen, und manchmal, bei grossen Innovationen in Bereichen der Infrastruktur, wird davon die ganze Wirtschaft erfasst, aber da schnurrt kein periodischer Zyklus ab. Blödsinn. Die Nationalbanken wollen bestimmt nur Gutes tun, wenn sie den Leitzins chronisch tief halten. Aber sehen die denn nicht, dass sie dadurch die Geschäftsbanken ins Casino treiben? Die müssen ja mit dem billigen Geld was anstellen. Na ja, der Philotustan hat noch nichts zur Finanzkrise geschrieben, da dachte ich, es könnte nicht schaden, ... Ich darf noch anmerken, dass ich den Begriff 'Casino-Kapitalismus' keineswegs systemkritisch verwende.

[Arbeitstitel von mir - der Redaktor Philotustan]

[Ostalgia 1]


Ob ich Kontakte zur Staatssicherheit gehabt hätte, fragt man mich. Ach Gottchen! Was glaubt ihr denn, wo ich gelebt habe?! - Nein, in der Partei war ich nicht. Für den Leiter eines grösseren volkseigenen Betriebs schon ungewöhnlich, gewiss. Meine Freunde von der Stasi haben sich darüber wiederholt mockiert. Und auch darüber, dass ich irgendwie immer noch Hoffnungen in das System setzte. Die Herren waren ja sowas von abgebrüht. Aber immer interessant und anregend. Ich habe ja schliesslich auch nicht jeden von denen zu mir nach Hause eingeladen. So ein bisschen Gefasel von "Dialektik und so'n Zeugs eben" reichte mir nicht. Die mussten schon bereit sein, ab und zu einen meiner Exkurse zu Hegel mit runterzuspülen. Ja, ich hatte da immer was Spezielles in meinem Keller. Ich liess es mir schon was kosten, etwas über den Zustand meines Landes zu erfahren, was Hand und Fuss hatte.

Nun, ich gehörte nicht zu jenen, die 'das Ende eines Unrechtsstaates' herbeisehnten. Die Ereignisse von 89/90 waren für mich keine Offenbarung. Ich hatte in den späten Achzigern eher befürchtet, dass die Sache irgendwie nicht gut ausgehen könnte. Es waren vor allem so kleine Sachen, die ich aus den Gesprächen meiner Freunde aufschnappte, die mich beunruhigten. Der Jürgen beispielsweise schlug sich mit dem Problem herum, dass seine Abteilung knapp an Wanzen war: "Der Franz Josef Strauss ist ja jetzt auch tot. Und wer weiss, ob so schnell wieder einer kommt und uns einen Kredit von umgerechnet einer Milliarde DM vermittelt." Jakob: "Das schöne Kopfsteinpflaster!" Ja, das war schon hart: Wir mussten die Steine vom grossen Domplatz in Erfurt drangeben. Die wurden dann in Nürnberg wieder verlegt. Und dann - der Abend war schon fortgeschritten - Heiners obligater Brüller: "Wie wär's mit der Mauer?" Klar, kein geistloser Witz, aber so richtig froh mitlachen konnte ich da nicht.

Ach, ich weiss ja gar nicht, wo ich mit dem Erzählen anfangen soll und was ich überhaupt sagen will. Ich bin bloss froh, dass ich in Philotustans WG, wo ich jetzt zu Besuch bin, ein paar interessierte Zuhörer gefunden habe. Die Jubiläumsfeierlichkeiten haben mich einmal mehr ins Grübeln gebracht. Ich kriege einfach keine Ordnung in das Kuddelmuddel in meinem Kopf. "Schreib's auf! Kannst ja meinen Blog benutzen. Vielleicht hilft das." Und das tu ich jetzt. Ein Anfang ist jedenfalls gemacht. Für heute nur noch ein paar Angaben zu meiner Person:

Ich bin wieder einmal in die Schweiz gekommen, um meine Schwester, einen Republikflüchtling, zu besuchen. Sie hat hier einen eigenen Druckereibetrieb. Und halt auch ihre Sorgen: Sie habe doch beinahe eine technische Innovation im Druckereiwesen verpasst, habe schon einige wichtige Kunden verloren, der Wert ihres Maschinenparks drohe über kurz oder lang auf einen Schrottpreis zu fallen. "Neue Maschinen müssen her! Und zwar schnell. Investieren heisst es, Bruderherz, oder halt gleich dichtmachen." Solche Probleme kannte ich nicht. Brauchten wir nicht zu kennen. Aber andererseits plagt mich der Gedanke, ob diese verdammte Hetzerei mit der harten Konkurrenz und den praktisch erzwungenen technischen Innovationen und so nicht doch ihr Gutes hat. Ich meine, ein Trabi macht noch keinen Fortschritt. Und wenn ein gutherziger Betriebsdirektor über Jahre hinweg dafür sorgt, dass ein Plansoll eingehalten wird, muss das nicht zwangsläufig alle zwanzig Jahre zu einer kleinen Innovation führen. Nun, ich habe an der ökonomischen Überlegenheit der Gegenseite eigentlich nie ernsthaft gezweifelt. Wir hatten andere Werte. Unsere Oberdeppen hätten das ruhig so rausstreichen sollen, anstatt auf der Überlegenheit unseres Systems zu insistieren. Lächerlich! - Ich verzettle mich schon wieder. Ich wollte noch was zu meiner Person sagen:

Es geht mir gut. Ich arbeite jetzt als Fachmann für Logistik auf der Hauptpost in Gotha. Nebenbei: So ein Fachmann übt eine Tätigkeit aus, die bei uns früher die wenigen Leute ohne Abitur ausüben mussten. Aber ich habe da meine Ruhe, und überdies habe ich immer noch mein Häuschen in der Nähe von Oberhof, ganz nah beim Rennsteig, mitten im Thüringer Wald. Nöö, ich mag mich nicht im Westen niederlassen, auch nicht in der Schweiz. Unternehme auch keine grossen Reisen. Brauch ich nicht. Ich mache gerne Ausflüge an die Werra. Klar, es ist schon ein gutes Gefühl, selbige mit gutem Gefühl und ohne mein Leben aufs Spiel zu setzen auf einer unbewachten Brücke überqueren zu können. Und auch dass ich jetzt ab und zu Richtung Süden in eines der hübschen Bäderstädtchen Unterfrankens vorstossen kann, ist eine überaus feine Sache. Klar doch, sie hat schon auch ihre Vorteile, die Wiedervereinigung.

Mit Politik habe ich nichts am Hut. War ja auch nicht in der Partei. Aber das sagte ich schon. - Doch, wählen gegangen bin ich schon. - Die FDP. - Die kommen mir irgendwie ehrlich rüber. - Nein, ganz meine Linie ist das nicht. - Nein, die Linke kommt nicht in Frage. - Ach, fragt mich doch was Leichteres!

Auf bald!

Erich von der Post

Freitag, November 13, 2009

[Rubrik: Zahlen]

Gerade mal die Hälfte der steuerpflichtigen Deutschen bezahlt tatsächlich Steuern.

Das ist die Hintergrundmusik. Und jetzt höre, wie sich der Klang diverser politischer Forderungen verändert! Beispiele: der Ruf nach mehr Transferleistungen, nach einer stärkeren Besteuerung der einkommensstarken Schichten, nach mehr 'sozialer Gerechtigkeit'; der Ruf nach Steuerentlastungen; ...


["Ich finde schon, dass die Gerechtigkeit sozial sein muss." - "Klar doch! Ich finde ja auch, dass ein Schimmel weiss sein muss. Der kann gar nicht weiss genug sein."]

[Rubrik: Zahlen]

Die Geburtenrate in Land A beträgt 1.4, diejenige in Land B 7. - Frage: Wie lange muss Land A in Land B Krieg führen, um diesen zu gewinnen?


["Willst du unterstellen, dass Land A den Krieg langfristig verlieren muss? - "Mitnichten! Es wird ja keiner mehr da sein, der die Kapitulationsurkunde unterzeichen könnte."]

[Als kleiner Ausgleich für meine Vernachlässigung eines meiner Hausbewohner soll dessen Kommentar zum letzten Blog hier als eigenständiger Blog erscheinen:]

Werte Leserinnen und Leser dieses Blogs!

Ich darf mich erst kurz vorstellen: Ich bin ein noch unbenamster - Auf 'Stinkybilly' und so Zeugs lasse ich mich nicht ein - Bewohner von Philotustans WG und daselbst für die Abteilung Gelehrsamkeit zuständig. Z. Zt. versuche ich meinem Chef beizubringen, wie eine vertiefte Beschäftigung mit der Philosophie der Gefühle dafür sorgen könnte, das notorische Problem der Akrasia zum Verschwinden zu bringen.

Mein Chef hat sich in die Sabine Döring verguckt. Seit gut einem Monat schon blättert er in deren 'Philosophie der Gefühle'. Sein letzter Blog zeugt von dieser anstrengenden Beschäftigung. "Auf unangestrengtr Weise", würde er selber wohl angeberisch hinzufügen. Dabei drückt der Faulenzer sich hier nur vor der Anstrengung des Begriffs. Zu welch blühenden Ergebnissen eine solche führen könnte, möchte ich hier mit ein paar Stichworten andeuten:

Emotionen haben eine Phänomenologie. Dieser Aspekt wird im Blog arg vernachlässigt, von ihrer motivationalen Kraft ganz zu schweigen. Bloss schwach angedeutet ist der Aspekt ihrer Intentionalität, während derjenige ihres evaluativ-repräsentationalen Inhalts zwar durchaus gesehen, aber halt verdammt unglücklich formuliert wird. Bei allem Respekt: Wer vermag in Philotustans Wendungen entscheidende Dinge wie das formale Objekt einer Emotion oder deren Fokus auszumachen? "Sie hat mich am Bandl ..." Wovon redet er überhaupt? "Bandl, Bandl, Bandl ..." Du meine Güte! Das Vokabular für die Charakterisierung der Emotionen liegt doch bereit: feelings towards und engagement with the world (Peter Goldie), felt evaluations (Bennett W. Helm), gefühlte Aspekt-Wahrnehmungen (Sabine Döring) ... Warum greift mein Chef nicht zu?!

Ich habe es auch nicht leicht.

Mit leicht gequälten Grüssen

Der Unbenamste


[Besten Dank! Ich schlage vor, dass wir beiden uns zusammen mal Martin Walsers Artikel 'Vokabular und Sprache' zu Gemüte führen. - Auf eine weitere fruchtbare Debatte! - Philotustan]

Die Farbe der Ostereier




Der Blick fällt auf ein Bildchen, und Gefühle schiessen ihm hinterher. Sie ziehen den Betrachter in die weite Welt, die sich heute von ihrer lustigsten und einnehmendsten Weise zeigt. Das Gesicht bricht in ein Lächeln aus. Der Betrachter hat was mit der Welt; sie hat ihn am Bandl Bandl Bandl ...

Donnerstag, November 12, 2009

[Buchprojekt: Anerkennung: Der kluge Hausherr]

Philotustan kommt in die Jahre, und seine Gespräche mit Odo Marquard, den er schon immer gemocht hat - er zählte ihn stets zu den freundlichen Philosophen -, verlaufen nett und netter. 'Abschied vom Prinzipiellen': Das war schon längere Zeit angesagt. 'Apologie des Zufälligen': Das ist ein Programm fürs Älterwerden, der ideologische Überbau vielleicht für einen einsetzenden Altersstarrsinn oder die Rechtfertigung eines Systems von Idiosynkrasien [1] als der entscheidenden schöpferischen Quelle und der einzig sicheren Führerin zu den einzig verlässlichen Wahrheiten. [2]

Einen Plauderton hat der Odo drauf! Angenehm, von grösster Eleganz und gleichzeitig Wesentliches in den Geist des Zuhörers ritzend. Der so Tätowierte weiss dann beim besten Willen [Na ja, er könnte ja nachschlagen, ist bloss zu faul dazu] nicht mehr, ob er jetzt zitiert oder phantasiert, wenn er fortfährt: Wer das Zufällige nicht anerkennt, lebt über seine Verhältnisse. Und was da klugerweise anerkannt werden will, das Zufällige, ist weiss Gott nichts Grossartiges: Endlichkeit/Begrenztheit, Abhängigkeit von lebensgeschichtlichen Zufällen, charakterliche Beschränktheiten ... Da ist nichts zu überwinden, auch kein Sich-Schicken in ein überpersönliches Geschick und dergleichen, bloss ein bisschen klügeres Haushalten.


[1]
kleine, hartnäckige Eigenheiten, denen es wohl anstehen würde, das Licht zu scheuen, die sich aber stattdessen hartnäckig bemerkbar machen
[2]
Nix archimedischer Punkt und so, bloss ein paar lebenstaugliche Gewissheiten.


[Ich mag nicht länger angespannt auf den nächsten Schub von chronischer Verstimmtheit warten.]

Sonntag, November 08, 2009

[9. November. Die Freude darüber, dass das hässliche Ding fiel, hält an: Philotustan mag wieder mal was tippen. Eigentlich wäre 'Chrüsimüsi' hier sehr passend, aber die passende Rubrik lautet nun mal]

Laute, Wörter, Sätze 14/103


"Ja! So ist das." - "Genau!" - "Dem ist nichts beizufügen." -- So spricht einer, der, nachdem er sich mit der Frage, ob der musikalische Gedanke einen Aussagegehalt habe, herumgeschlagen hat, in einer von Berns Lauben einem präludierenden, toccatierenden und fugierenden Akkordeonisten zuhört und dabei, von allen kritischen Geistern im Stich gelassen. das bestimmte Gefühl hat, wieder mal was Wesentliches gesagt bekommen zu haben.

In der Philosophie sollte man dauerhafteren Umgang nur mit solchen Gedanken suchen, die man auch in schweren Lebenslagen noch bemerkt.
(~ Odo Marquard)


Bleiben wir noch etwas in den Berner Lauben: Fragt mich dort ein Bettelwesen, ob ich ihm vielleicht 5 Millionen Euro geben könne. - "An sich kein Problem, aber ich hab die Dinger im Moment leider nicht flüssig." - "Guter Konter!"


Der Herr der Füchse

Aus hohem Strauchwerk ertönt ein hohes Quietschen und Gekreische, und vor mir taucht eine kleine Katze auf, verfolgt von zwei Füchsen. "Lasst mir verdammt nochmal das Miezgetier in Ruhe!" Die Füchse nehmen Reissaus, das Kätzchen zottelt gemächlich ab.


Stil entsteht aus Denkschärfe, die sich der Unzulänglichkeit, der Trägheit, dem vage Durchschnittlichen der Sprache entgegenstellt und ihr erfolgreich Gewalt antut.
(~ Paul Valérie)


"L'enfer, c'est les autres." - "Aber sicher", meint der chronisch Verstimmte. Was tun? Den objektivierenden Blick der andern zurückgeben! Ein Entlastungsvorschlag Sartres. Der Erbärmliche soll Erbärmliches sich vor Augen führen. "Das ist erbärmlich!" "Und erträglich."