T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

Mein Foto
Name:

Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, September 28, 2008

[Flexibilität, neue Herausforderung, Veränderung als Chance: Ich hasse dieses Gewäsch! Ich mag Veränderungen nicht. Aber es gibt die vermaledeiten Dinger nun mal: Ich absolviere gerade eine Probezeit an einer neuen Arbeitsstelle. Ich mag nicht rühmen, will aber einräumen, dass sich die Sache ganz erträglich gestaltet. Ach da fällt mir ein: Mendelssohn hat ja in einer Konzertouvertüre zwei Gedichte von Goethe vertont:]

Meeresstille

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.

Glückliche Fahrt

Die Nebel zerreißen,
Der Himmel ist helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne;
Schon seh ich das Land!

Freitag, September 26, 2008

Rubrik: Ontologie/Semantik

Seinsvergessenheit. - "In Vergessenheit gekommen" ist die "Frage nach dem Sinn von 'Sein'". [SuZ schwankt zwischen Sein und 'Sein'.] - "Nein, das kann doch nicht alles gewesen sein!" - Ich weiss es nicht. Aber ich bin nicht abgeneigt, in meinem Lager am Donec ein weiteres Sätzchen zu deichseln: In Vergessenheit geraten ist "das, was als Verborgenes" das Denken von Platon und Aristoteles "in die Unruhe trieb".

Heidegger will die Frage tatsächlich neu stellen. Wir sollen nicht etwa ein wenn auch noch so tiefes Verständnis für die Gedankengänge der genannten Meister gewinnen. Nein, so billig kommen wir da nicht davon. Jetzt heisst es denken.


[Tugendhats Programm, (u. a.) Heideggers Fragestellung mit dem logisch-semantischen Instrumentarium zu entfalten. (Nach Tübingen fahren und Herrn Tugendhat fragen, was ihn anno dazumal zur analytischen Philosophie trieb.)]

Donnerstag, September 25, 2008

Rubrik: Semantik

Sprachübungen 2


"Was meine ich denn nun eigentlich, wenn ich den Ausdruck 'seiend' verwende?" - Was tut denn die Butter eigentlich, wenn sie im Preis steigt? - Was tue ich denn eigentlich, wenn ich Postsendungen aus einer Kiste auf verschiedene Kisten verteile? (Eine erspriessliche Antwort finde ich, wenn ich mich im ganzen Betrieb umsehe.)

[Was zum Teufel meint Heidegger eigentlich, wenn er sagt, es gelte ein Verständnis für 'die Frage nach dem Sinn von Sein' allererst wieder zu gewinnen?]

Mittwoch, September 24, 2008

Rubrik: Ästhetik


Ein Stück Poetologie


aus Martin Walsers 'Ein liebender Mann': Der Titelheld hat seinen Tag mit etwas verbracht, wozu der Vielbeschäftigte selten Gelegenheit findet: "Er schrieb." Nun betrachtet er sein Tagwerk: "Er war glücklich. Das war ein Tag nach seinem Sinn."

"Hingegeben einem Gefühl, das noch keine Wörter kannte, ihn aber beim Wörterfinden unmissverständlich leitete. ... Das war das Schönste beim Schreiben ...: die vollkommene Sicherheit des Zustandekommens. Egal, was dann irgendjemand zu dem Ergebnis sagen würde, für ihn war glücksentscheidend, dass das, was nachher da stand, ganz dem Gefühl entsprach, das ihn beim Schreiben geleitet hatte. Dieser unirritierbare Stimmungsverlauf: als gäbe es den Text schon, bevor er ihn fasste, und er musste nur ihn finden. ...

Das Gefühl, das ihn leitete, war zuerst ein Schmerz, ein haltloses Weh, eine scheussliche Zumutung, eine grelle Lebensunmöglichkeit. Dass diese entwürdigende Niedergeworfenheit in ein Gefühl fand, das dich von Wort zu Wort leiten konnte bis zum Schluss, das ist das Glückswunder des Schreibens. Ulrike, hören Sie mich! Hörst du mich? Wenn du mich jetzt hörtest, wärst du mir sehr nahe. Eine Einverstandenheit verbände uns, die auf den Namen Untrennbarkeit getauft ist. Ulrike."
(S. 124 ff)


[Er, 74, küsst sie, 19, sehr lange auf den Mund. Wäre ein weiteres schönes Exzerpt.]

Dienstag, September 23, 2008

Rubrik: Semantik


["Das Glück ist die härteste aller Abstraktionen; ein Glück, sogar meines, entzieht sich jeder Begrifflichkeit." (Hans Blumenberg) - Glück: Sätze aus dem 'Tractatus' oder den PU auf einem Morgenspaziergang in den Dünen Amrums vor sich herbrabbeln und sich vorstellen, wie man die abendliche Scholle filettieren wird. Oder: Sich Jahrzehne später daran erinnern, wie man beim Filettieren der Scholle mit leichtem Bangen den Verteidigungsring begutachtet hat, den die Eiderentenweibchen um ihre Jungen gebildet hatten, um sie vor den Angriffen der Silbermöven zu schützen; dann sich wieder Wittgenstein zuwenden, der in der Zwischenzeit immer noch nicht herausgefunden hat, worauf genau F. P. Ramsey mit seiner Bemerkung hinaus wollte (81). Oder: In der Zuversicht atmen, dass einem in dieser Nacht ein guter Satz gelingen wird. - Quid est ergo beatitudo? Si nemo ex me quaerat scio; si quaerenti explicare velim, nescio. (89)]

Sprachübungen 1


"Das, was man weiss, wenn niemand uns fragt, aber nicht mehr weiss, wenn wir es erklären sollen, ist etwas, worauf man sich besinnen muss." (89)

Wir besinnen uns auf unsere Rede über das Zeug und die Geschichten, in das/in die wir verwickelt sind. (90)

Die Sprache, die wir dabei sprechen, gehört zur Rede, auf die wir uns besinnen. (97)


Die PU sind Anleitungen zu besinnlichen ('grammatischen') Betrachtungen, die wir gelegentlich auch mal anstellen, wenn wir nicht mehr weiter wissen.

Manchmal verheddert sich der Dünenwanderer im Vokabular der formalen semantischen Analyse. Dann mag es für ihn hilfreich sein, ein paar Sprachübungen zu machen.


[Liebe Leserin. Das hier ist die reinste Therapie. Meinen Therapeuten, den Wittgenstein, würde ich niemandem empfehlen. Es ist mein bestimmter Eindruck, dass auch er bloss sich selber therapiert. Bloss dass ich ihm gerne dabei zuhöre. - In einem Fjord auf den Lofoten beispielsweise, weit weg von Cambridge. Womit wir wieder beim unbegriffenen Glück wären. Bloss so zur Abrundung, gell?]

Montag, September 22, 2008

Wir kennen den Wortmenschen schon aus LWS1/103. Er sucht ständig neue, unverbrauchte Wendungen. Nennen wir ihn wortgewandt. Er wird durchaus fündig und schreitet unverzagt voran. Text reiht sich an Text, aus Fetzchen von Text, aufgeschnappt in Texten, bilden sich neue Texte. Er gerät in Text. Es fliesst ihm, kommt ihm, führt in von einem Erguss zum nächsten:

Der Erguss


"Oh Rike! ... rikerike rikiriki ...", zwitscherte der Wortmensch und verstummte. Dann begann er, die Haut seiner Geliebten mit kreisenden und entschieden zupackenden Bewegungen zu beschreiben. Seine Schriftzüge passen sich den Rundungen, glatten Flächen und Vertiefungen seiner Schreibunterlage an. Diese folgt ihrerseits den Bewegungen der mal langsam und weit ausholenden, dann wieder flink sich vorarbeitenden Schrift. Ein Text wird in den Körper eingeschrieben, der seinerseits den Schriftzug lenkt, verführt, zum Rasen bringt und schreiend in sich aufnimmt den Erguss.

Sonntag, September 21, 2008

Rubrik: Ontologie


Frühling

In dämmrigen Grüften
Träumte ich lang
Von dein Bäumen und blauen Lüften,
Von deinem Duft und Vogelsang.

Nun liegst du erschlossen
In Gleiss und Zier
Von Licht übergossen
Wie ein Wunder vor mir.

Du kennst mich wieder,
Du lockst mich zart,
Es zittert durch all meine Glieder
Deine selige Gegenwart!

(Hermann Hesse)


Wir hatten das Liedchen schon mal. Die Art, wie es mir damals, an einem Nachmittag im Basler Zoo, allmählich ins Hirn geschneit kam, drohte meinen Verstand zu zerrütten. - Nun droht es auch meine ordentliche Ontologie, in der - nach dem 'linguistic turn' - durch singuläre Termini identifizierte Gegenstände durch generelle Termini klassifiziert werden, zu zerrütten. Nun, die Welt ist ja eh die Gesamtheit der Tatsachen, und nicht etwa der Dinge. [Die Mitternachtssonne auf den Lofoten hat mir das bisher am stärksten eingeleuchtet - und dabei mein Hirn arg traktiert (1.1; 6.44).] Tja, und sind dann die Gegenstände erst mal durch Tatsachen ersetzt, ist es nur noch ein winziger Schritt zu den Ereignissen, die, indem sie Beglückendes/Zerstörendes/Verstörendes vergegenwärtigen, alle unsere Glieder erzittern lassen. Und tja, mit den seligen Gegenwarten korrespondieren die schmerzhaften Abwesenheiten. Etwas, was nicht DA ist, ist oft stärker als alle sich andrängelnden Anwesenheiten. Das Schiff ist gekommen, und keine Sehnsucht ist gestillt. Der am Pier gewartet hat, schleicht von dannen, und später schreibt er in einem Brief den Satz: "Ich atme deine alles durchdringende Abwesenheit." Im Schmerz der Abwesenheit ist, was er vermisst, ganz gewaltig präsent.


[Das Nichtanwesende nähme den grössten Raum ein? - Genug jetzt! Sonst fährt hier nächstens noch das Nichts selber seine Geschütze auf.]

[Laute, Wörter, Sätze 1/103]


Die Kunst der zwanglosen Übergänge: Faulenzen, Fummeln, Ficken.
[Appetit: Ab ins Nestchen, rein ins Bettchen, liebend schnäbeln, lustvoll ficken.]

***

Ein Fest in einer Kleinstadt an der Romantischen Strasse: Fachwerkhäuser, Fahnen, Festlichkeit - und durch einen ausgefransten, löchrigen Wolkenteppich guckt lüstern ein blauseliger Himmel.

***

NON MORIAR SED VIVAM ET NARRABO OPERA DOMINI:
Nicht sterben mag ich, sondern leben will ich, und künden werde ich von den Werken des Herrn.
Ich will nicht sterben, sondern leben und den Narren spielen in der Oper meines Dienstherrn.

***

Der Wortmensch: Er hört auf den Klangkörper der Worte. Und wenn er nicht den Körper selber seiner Geliebten zum Klingen bringen kann, so zwitschert er ihren Namen: rikerike rikiriki ...
[Man stelle sich vor, er lernte eine Monika kennen: Sein Gezwitscher würde in vollmundigeren, monisüchtigen/monitrunkenen Gesang und schliesslich in ein Lallen übergehen, seine Identifikation mit dem Mann im Mond irre Formen annehmen.]

***

Goethes Liebe zu Ulrike von Levetzow: keine 'unmögliche' oder 'hoffnungslose' Liebe: eine 'aussichtslose' Liebe. - Der Liebende denkt nur an seine aussichtslose Liebe, aber nicht an ihre Aussichtslosigkeit. "Diesen Gefallen darf man der Aussichtslosigkeit nicht tun." (M. Walser)

***

Der Logiker/Semantiker: Unterwegs; ganz in einen Text vertieft; wie in Watte eingepackt; immunisiert; nix und niemanz kann ihm etwas anhaben; erreichbar ist er allenfalls für zärtliches, neckisches Treiben. Ein beseligender Weltuntergang. Er flüstert vor sich hin logische Formeln, Nichtigkeiten und schmutzige Wörter.

Donnerstag, September 18, 2008

Rubrik: Semantik


Nur wenn der Versuch, die Wahrheit zu definieren, in der Suche nach einer für Sätze beliebiger Struktur und beliebigen Komplexitätsgrads gültigen einheitlichen Formel besteht, ist er närrisch.


[Ja, es hat gedauert. Doch jetzt glaube ich, den Witz von Tarskis Ausführungen geschnallt zu haben. Und da springt mir gleich ein Aufsatztitel in die Augen: 'Semantics for Natural Languages'. Ja, der Töff brummt wieder ... Mal sehen.]

Sonntag, September 14, 2008

... und noch immer ist Sonntag


Regenwetter. Tiefe Temperaturen. Man ist unterwegs, denn es ist Sonntag. Und weil das Unterwegssein so unerfreulich ist, an diesem Sonntag, drängeln alle danach, in einem Café unterzukommen, vorbei an den Hinausdrängelnden, die mit vager Entschlossenheit und missmutig einen weiteren Brocken dieses Sonntags hinter sich zu bringen willens sind. Denn so viel ist sicher: Es verbleibt ein beträchtlicher Rest von Sonntag nach dem Kaffee. Das Streben der Leute ist vollkommen zielgerichtet: rein ins Café, raus aus dem Café. Die Sache verträgt keinen Aufschub. Der Platz ist beschränkt, und später hat man vom Herumsitzen und Schlürfen genug. Und auch der Platz im Zug ist ja nicht unbeschränkt, an diesem Sonntag, wo alle unterwegs sind, weil eben Sonntag ist.

"... und ein Glas Wasser, bitte." - (Genervt:)"Wasser versteht sich von selbst!" - "Eksgüse! - 'Das Urteil ist eine identische Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat'". - Wen wundert's, dass an so einem Sonntag Hegel wieder mal Kopula und Identität durcheinanderbringt. Was taugen sie überhaupt, meine Gespräche mit diesem Hegel? Jetzt bloss nicht an Heidegger denken! An diesem Sonntag droht alles in den selben grauen Strudel hineingezogen zu werden. Das Nichts nichtet wieder mal, dass es das Sein im Ganzen zernichtet, bis auf die Zeit, die gar lange weilt. Ich bin nicht gerne, wo ich herkomme; ich bin nicht gerne, wo ich hingehe. [Brecht ist gerade dabei, das Rad zu wechseln.] Warum betrachte ich das Treiben der Leute - ihr Schlürfen und Reflektieren - mit Ungeduld?

Es ist Sonntag, und ich warte auf den Montag. Der Montag ist der Tag, wo meine Probezeit am neuen Arbeitsplatz beginnt. Ich mag den Sonntag nicht, weil auf ihn dieser Montag folgt. Er soll zerstieben, dieser Sonntag, der Sonntag vor diesem bedrohlichen Montag. Er wird erträglich sein, dieser Montag. Die sonntägliche Warterei wird dann ein Ende gefunden haben.


Beim Schlafengehen

Nun der Tag mich müd gemacht,
Soll mein sehnliches Verlangen
Freundlich die gestirnte Nacht
Wie ein müdes Kind empfangen.

Hände, laßt von allem Tun,
Stirn, vergiß du alles Denken,
Alle meine Sinne nun
Wollen sich in Schlummer senken.

Und die Seele, unbewacht,
Will in freien Flügen schweben,
Um im Zauberkreis der Nacht
Tief und tausendfach zu leben.

(Hermann Hesse.)
[Musik: Richard Strauss. Das dritte der 'Vier letzten Lieder'.]

Samstag, September 13, 2008

Rubrik: SEMANTIK


Wonach fragt, wer nach dem Sinn (dem Verstehen) von 'Sein' fragt? - Er fragt danach, was immer schon versteht, wer 'Sein' sagt.


[Ein erster, zaghafter Versuch, in die Fussstapfen eines tüchtigen Mannes zu treten, der seine 'Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie' Martin Heidegger gewidmet hat.

Ein kleines Liedchen zur Einstimmung: Man intoniere 'Oh Tannenbaum ...'. Sollte schon klappen:

Der Tugendhat, der Tugendhat, das ist ein Mann, wo Tugend hat.
Und wenn er keine Tugend hat, dann ist er auch kein Tugendhat.
Der Tugendhat, ...

['Tugend' kommt von 'taugen'. - Aber damit jetzt kein Missverständnis aufkommt: Ich möchte schon formale Semantik betreiben.]


[Wonach fragt, wer nach dem Sinn (dem Verstehen) von 'Sein' fragt? - Er fragt danach, was immer schon misszuverstehen droht, wer 'Sein' sagt. Oder vielleicht: Er fragt danach, was Jedermann missversteht, wenn er 'ist', 'etwas', 'existiert' und dergleichen harmloses Zeug von sich gibt und dabei dummerweise ins Reflektieren gerät.

Tja, es gehört schon eine gewisse Tüchtigkeit dazu, kein komplettes Wirrwarr anzurichten, wenn es um die Klärung des eh immer schon Verstandenen geht.]