T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Juni 29, 2007

Da setzt einer ein Wort, und ein Spuk ist vorüber.

Vergangenheit, beschwiegen


Der Spuk ist das, was die Rede von der nach 1945 grassierenden 'Verdrängung' der NS-Vergangenheit mit einem anstellen kann. Und so wird ihm der Garaus gemacht:

Erst wird geschildert: Der Pedell und der Professor, die derselben NSDAP-Ortsgruppe angehört haben, verstehen sich schweigend, während der im Widerstand bewährte Kollege Rektor wird und ebenfalls schweigt.

Anschliessend wird dieses Verhältnis zunächst als eines einer 'nicht-symmetrischen Diskretion' beschrieben und schliesslich als ein die Demokratie beförderndes 'kommunikatives Beschweigen' der Vergangenheit zum Zwecke der (Re-)Integration der belasteten Individuen gedeutet.

Da setzt einer ein Wort, und ein Spuk ist vorüber.


[Habe auf dem Weg zur Arbeit Norbert Freis Besprechung von Hermann Lübbes 'Vom Parteigenossen zum Bundesbürger. Über beschwiegene und historisierte Vergangenheiten' gelesen, ihn während der Arbeit im Schutz von Maschinenlärm verinnerlicht und anschliessend nach dem Motto 'Das Denken ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Zitaten' diesen Blog geschrieben.]

Mittwoch, Juni 27, 2007

[Wenn im 21. Jahrhundert ein Autor einen Text schreibt, in dem von der Eider und Eiderstedt die Rede ist oder gar von Friedrichstadt mit seinen Grachten, kann ja jede(r) gleich ein paar Wörtchen mitreden. Es soll aber immer noch Leute geben, denen zur Treene partout nichts einfallen will. Dabei ist es die Treene, die die Grachten in Friedrichstadt bildet, und nicht etwa die Eider, wie ich sehr lange zu wissen glaubte. Diese Treene mündet dann - noch 25 km vor dem Eidersperrwerk - in die Eider. Dann geht's - es sei nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt - via Eiderstedt in die Nordsee. - Noch Fragen offen? Nur her damit! Ich gebe gern damit an, wie gut meine Beziehungen zu Prof. Dr. Dr. Johnny Google sind.]

In 'SWR Leute' (Herr Google mag diese Leute ganz besonders, wenn sie zusammen mit Anführungszeichen im SWR auftreten) ein Gespräch mit einer ehemaligen Leiterin der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln. (Ich frage jetzt nicht noch nach dem Namen der Dame. Der Typ leidet an Logorhöe!) Wir erinnern uns: Nach den Vorkommnissen an der Schule ("Klappe!") wurde eine Zeitlang heftig darüber debattiert und schliesslich beschlossen, in Zukunft polizeilich gegen notorische Schulschwänzer vorzugehen. ["Nein, genaueres darüber brauch ich nicht zu wissen!"] Einige erinnern sich vielleicht auch daran, wie in einem Polittalk zum Thema 'Rütli und die Folgen' (oder so), an dem auch unsere Direktorin teilnahm, drei Politiker um die Sache stritten.

... und oft ist selbst der Lärm gespielt


Da wurde also endlich ernsthaft gegen Missstände vorgegangen, und Verantwortliche und Experten führten einen offenen Meinungsaustausch. - Pustekuchen!

Richtig ist, dass darüber berichtet wurde, es sei debattiert und eine Entscheidung getroffen worden. Und sonst? - Die Schulleiterin (sinngemäss): Die angesprochenen polizeilichen Massnahmen gab es bei uns schon seit geraumer Zeit, und wir haben öfter mal darüber gesprochen, ob wir uns diese Übung nicht besser schenken sollten. Es war ja immer das Gleiche: Die SchülerInnen wurden von der Polizei aufgegriffen und zu uns gebracht. Es erwies sich dann, dass sie mit den örtlichen Gegenheiten doch so weit vertraut waren, dass sie schnell den Hinterausgang fanden. [Ich schummle hier natürlich ein bisschen: Die Direktorin trug das Ganze sehr sachlich, monoton und beinahe ein bisschen gelangweilt vor.]

Richtig ist, dass drei Politiker die sie umgebende Luft in nicht-periodische Schwingungen versetzten. Und sonst? - Die Schulleiterin (sinngemäss): Man traf sich vor der Sendung. Ich stellte schnell fest, dass die drei Herren sich in der Sache ganz ausgezeichnet miteinander verstanden. Dann kamen die ersten Statements in der Sendung, und es herrschte der übliche totale Dissens. Anschliessend gingen wir zusammen noch auf ein Bierchen. - (Der Journalist vom SWR:) Das haben die drauf? Die haben sich vorher nicht miteinander abgesprochen? - (Die Schulleiterin:) Eine Absprache hatten die doch nicht nötig. Die kennen die Stücke alle auswendig. [Ich schummle hier natürlich ein bisschen: Die Direktorin trug das Ganze sehr sachlich, monoton und beinahe ein bisschen gelangweilt vor.]


[Manchmal rege ich mich darüber auf, dass kein Schwein sich darüber aufregt, dass Schweinchen eine kleine Sauerei veranstalten, bei der und über die kein Schwein - das arme Schwein, das an so was wie Sachen und Inhalte und so'n Zeugs glaubt, ausgenommen - sich aufregt. Und dann schreibe ich einen Blog.]

Es ist mittlerweile 03.56 Uhr, und es schreibt mir. So könnte ich denn weitere Sätzchen in der Art des letzten hier anfügen:

Mir scheint, dass die Aufregung darüber, dass die Aufregung über die Medienschelte in den Medien [Ende Satzglied!] in den Medien zu sehr aufgebauscht werde, medial zu sehr aufgebauscht wird.

Aber ich verzichte darauf. Denn die Treene bildet Grachten. Die Treene bildet Grachten. Leute, stellt euch vor: Die Treene bildet Grachten!

Samstag, Juni 23, 2007

Der Banause


Seitdem er spätabends im tief verschneiten Husum angekommen ist, hat er verzweifelt nach seinem Hotel gesucht, hat sich mehrmals verfahren, verlaufen, verirrt, ist jedesmal beim Schloss gelandet, und immer noch huscht keine Spur von einem Lächeln über sein mittlerweile verbiestertes Gesicht.

Mittwoch, Juni 20, 2007

Es gibt einen amor intellectualis zum niederen Deutsch. Erst wenn's so richtig platt wird, streckt der stockgebildete Höchstalemanne seine Glieder auf dem Deich aus und erzählt seiner Susanne eine Geschichte vor. Dabei geht es in seinem Gehirnskasten wie im Bienenstock zu: Da wird mit Bedacht artikuliert und sinngemäss betont, während die Augen vorauseilen und die Dinge erhaschen, die unmittelbar an die Englischabteilung weitergeleitet oder einer lautlichen Verschiebung unterworfen werden müssen. Ein Fest für einen quirligen Geist!

Ohne Titel

Peter Dohrn is de Fruu weglopen, Elli, mit Hermann Kröger. Dor hebbt wi al lang op luurt. Jümmer wenn Peter för sien Firma op Tour weer, stunn Hermann sien Auto vör Elli ehr Döör. Mennigmaal de hele Nacht lang.

Un as de en un anner Naver so is, se hebbt em dat steken.
Hest du twee Wagens? hett ener maal fraagt.
Woso dat? hett he seggt.
Na, nachts steiht en swatten vör dien Döör, du hest je doch en witten.

Do hett Peter dat inricht un hett Elli mit Hermann in flagranti andropen. Nu will se sik scheden laten. Aver det is je ok Elli un Peter ehr Saak.

De ersten Weken, wo Elli weg weer, leep Peter mit en Flapp rum, as wenn he dootblieven schull. Jümmerto sä he: Wat schall ik noch. Ik kann ahn ehr nich leven. Sie war mein Ein und Alles.

Do is Korl Denker maal gnatzig worrn un hett seggt: Nu maak dat man nich so dull mit mein Ein und Alles, du hest op dien Touren ok nix anbrennen laten. Segg man lever: Wie ich ihr, so sie mir.

Dat much Peter nich hören. Bi em weern dat mehr so Gelegenheiten ween, nix weert, aver Elli un Hermann, bi de harr dat je Method hatt. Se hebbt töövt, bit ik ut'n Huus weer! Un denn sä he noch: In Feld und Flur mag ein jeder schalten, doch sein Haus soll er sauber halten.

Na, hebbt wi seggt, wenn dat so is, denn hett Elli je bloots en methodischen Fehler maakt. Weer se mit Hermann achtern Knick gahn, denn weer dat je in Feld un Flur ween, un sien Auto harrn wi ok nich to sehn kregen.
Weer mi ok lever ween, hett Peter gnurrt, hett de Skatkorten op'n Disch smeten un is füünsch na Huus gahn.

Dat is veer Weken her. Nu steiht wedder en Auto vör Peter sien Huusdöör. Elli ehr is dat nich, dat höört en Bekannte vun Peter to. Se much em al jümmer lieden, he het bitherto aver wull nich dat recht Oog för ehr hatt. Dat mut sik ännert hebben, dat Auto steiht dar Nacht för Nacht.

Na, Peter, hebbt wi fraagt, hest en niege funnen? Is dat nu de richtige?
Wat dat de richtige is, anter he, dat weet ik nich. De Hauptsaak, se is dor.
Na ja, hett Korl Denker do seggt, gelegentli sleit ok je en vun de Reservebank maal in.
Do is Peter wedder giftig worrn.

Dat bleev nich bi düt Auto. Na dree Maand stunn en anner dor. De Navers hebbt seggt, Peter is wedder op Probefahrt. Un hebbt dat Nummernschild studeert. De kummt von wiederher, hebbt se sik ankeken, denn mutt he nu wull mit Anzeigen arbeiden.

Den enen Dag hebbt Elli un Hermann heiraadt. Dat het Peter drapen. He hett dacht, Elli worr noch maal trüchkamen. Aver worum schull se dat, wo he nich eenmaal trurig ween is un sik bloots leed doon hett.

Dienstag, Juni 19, 2007

Liebes Tagebuch

Alles war so wie immer. Und das ist gut so: Die Deichschafe haben unermüdlich ihr Gras weggefressen, die Wattwürmer ihre Häuflein hingekringelt, die Austernfischer haben gelästert, das Vorland ist wieder ein klein bisschen mehr geworden, und am Abend hat die untergehende Sonne ein Loch in die Wolkenhaufen gerissen und sie angezündet, dass es für die kleinen Leutchen, die da auf der Umrahmung eines Koogs sassen und ihre Blicke, bei Ebbe den Prielen folgend, nach Westen schickten, zum Staunen und Verzücken war.

Montag, Juni 04, 2007

Liebes Tagebuch

Es ist gar nicht lange her, da fühlte ich mich noch jung. Jetzt merke ich, dass ich alt werde. Und das überrascht mich doch ein wenig. Einige Anzeichen sind zwar schon länger da: nächtliche Unterbrechungen des Schlafs etwa zwecks Verrichtung eines Geschäfts, das Not tut, oder die höchst angenehme Erfahrung, dass die jüngsten und hübschesten Frauen ein Zutrauen in mich gewinnen, die Nähe des unterhaltsamen älteren Herrn suchen und gerne etwas bei dem verweilen, dessen Attraktivität schon beinahe an die ihrer Grossväter heranreicht. Doch jetzt ist etwas Neues dazugekommen: Das ironische Kokettieren mit dem Gedanken, alt zu werden, hat sich erschöpft; der neue Gedanke hat wenig Verspieltes, er beginnt, sich einigen wenigen älteren, winzigen Weisheiten sowie einer unüberschaubaren Menge von abgestandenen, simplen Satzgebilden mit Wahrheitswert 1 zuzugesellen: Auch ich werde alt. Punkt.

DA CAPO


Oh ja, das bleibt nicht aus, drauf kannnst du dich verlassen.
Und er sah, dass es gut war.

Herr, es ist Zeit, die Zwängerei langsam aufzugeben: die Arbeit an den grossen Verbesserungsvorschlägen und die Bemühung um die Realisierung von neuen, ungeahnten Möglichkeiten einzustellen; die moralische Verpflichtung zu anstrengender Hoffnung auf besseres Hü und mehrbesseres Hott fahrenzulassen; den Versprechungen auf eine bessere Zukunft en rose et sans gris keinen Glauben mehr zu schenken; die Verpflichtung auf bestimmte Zuversichten sich entschieden zu verbitten; zu würdigen zu wissen und zu geniessen, wenn das Staccato von Meldungen über Aufrufe zu Versöhnung und Verzehr von Eierkuchen, über Hoffnungsträger, Friedensprozesse und Waffenstillstände abgelöst wird durch das ewig wiederkehrende, entspannende "Es wird wieder geschossen."

Oh ja, das bleibt nicht aus, drauf kannst du dich verlassen.
Und er sah, dass es gut war.

Unmengen von Schlick haben sich in den vergangenen Jahren durch den schmalen Körper von Wattwürmern gezwängt und sind von diesen, nachdem sie dem Brei das Wenige an verdaubarer Nahrung entzogen haben, in Form von kleinen, geringelten Häufchen wieder an die Wattoberfläche gestossen worden. Tausende Male ist die Flut wiedergekehrt und hat die kleinen Werke wieder einkassiert. Tausende Male hat das abfliessende Wasser den Möven, Austernfischern, Eiderenten und kleinen Wattvögeln eine üppige Tafel mit Muscheln, Krebsen, Schnecken und anderem Meergetier zurückgelassen.

Oh ja, das wird nicht ausgeblieben sein, drauf kannst du dich verlassen.
Und er sah, dass es gut war.

Liebes Tagebuch

Wir fahren nächste Woche an die Nordsee. Wir freuen uns darauf. Und ich bin mir auch sicher, dass da oben noch alles beim alten ist.


Jan: "Wie wäre es, wenn du mal die Hurtig-Route machen würdest oder ein Trekking in der Sahara oder ich weiss doch auch nicht was?" - "Ich will kein Mehr an ewig Gleichem, mag diese Art von Stillstand nicht; ich will ein Meer vom ewig Gleichen, denn darin steckt Unendlichkeit." - "Diesmal hab ich die starken Töne aber mitgezählt. Vier! - "Bravo!" - "Viermal vier! - "Bravissimo!" - "Na ja, du wirst sicher etwas Neues über Eiderenten & Co. erfahren. Das mit den Wattwürmern hab ich übrigens noch nicht ganz verstanden." - "Ich erkläre es dir gleich, muss nur noch dieses Dingsblogs abschalten."