T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, Oktober 20, 2005

Rubrik: Lebensweisheit

"Als Christ glaubst du natürlich an die Seelenwanderung." - "Als philosophischer Berater weiss ich über die Seelenwanderung natürlich Bescheid." - "Hast du das studiert?" - "Klaro!" - "Glaubst du persönlich daran?" - "Hast du heute Geburtstag?" - "Nein. Wieso?" - "Dann hätte ich dir mehr als eine solche Frage beantwortet."

Seelenwanderung


Sommer 2000. Göreme (Kappadokien). In einer ehemaligen Karawanserei. Meine Frau und ich sind zum Tee eingeladen. Der Schwager des Mannes, der uns einen Teppich andrehen will, hat lange in Luzern gearbeitet. [Am Nachmittag hatten wir mitten im Dorf einen Mann angetroffen, der uns stolz erzählte, er baue hier sein eigenes kleines, 'sauberes' Olten auf.] Das Gespräch - auf Deutsch geführt, gespickt mit etlichen türkischen Einschüben - war sehr lebhaft und freundlich. Wir unterhielten uns eine ganze Weile über dies und das, auch über die weite Verbreitung der türkischen Sprache. Ich liess es mir nicht nehmen, bei dieser Gelegenheit - schauspielernd beiläufig - den Ausdruck 'Ostturkestan' zu verwenden, als Namen für die chinesische Provinz Xinjiang, wo das Turkvolk der Uiguren lebt. Zum besseren Verständnis: Nimm ruhig mal an, dass in China auf die Verwendung von 'Ostturkestan' die Todesstrafe steht. In der Türkei hingegen steht darauf offenbar die Beförderung zu 'einem der klügsten Menschen auf diesem Planeten', und natürlich noch mehr Tee, eine beträchtliche Erweiterung der Runde der Teetrinker mit gegenseitigen Vorstellungen inklusive. Der Abend war lang. Der grosse anatolische Mond beschien den Innenhof der Karawanserei. Der Tee duftete herrlich. Und meine Frau und ich waren das Ziel einer allgemeinen freundlichen Neugier.

Natürlich wurde ich auch gefragt, warum ich Türkisch lerne. (Türkisch gastfreundlich: "Warum kannst du so perfekt Türkisch sprechen?") Eine simple Frage. Aber ich rang völlig verdattert nach einer Erklärung. Als hätte man mich gefragt, warum ich die Musik liebe, oder die Luft zum Atmen. Ich weiss nicht mehr, was ich mir schliesslich einfallen liess. Der 'Luzerner' wusste es eh besser: "Du musst in einem früheren Leben in Mittelasien gelebt haben." Das liess - und lasse - ich gern so stehen. -

"Du glaubst also tatsächlich an die Seelenwanderung!" - "Na hör mal! Wer einmal den ganzen Weg von der kasachischen Steppe durch die grossen Oasen Usbekistans und über die Hochebenen Kirgistans, wo er Aitmatovs Djamilja traf, bis zu den höchsten Gipfeln des Pamir-Gebirges in Tadschikistan zurückgelegt hat ... " - "Daran glaubst du dich zu erinnern?" - "Nun, die Djamilja hiess damals natürlich anders - Dilek, wenn ich mich recht entsinne - , und sie wollte partout von keinem Aitmatov je gehört haben ... ."

Sei erfinderisch in deinen Erinnerungen!