T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Oktober 14, 2005

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Die schwarze Dame

Die schwarze Dame


Daniel Hell, meines Wissens Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich, hat ein Buch mit dem unverschämten Titel "Welchen Sinn macht Depression" geschrieben. Ich kenne das Buch, und ich kenne die Depression. Daniel Hell spricht von der Depression als einer "schwarzen Dame", die dem unter ihr Leidenden etwas mitzuteilen habe. Sie hat sehr lange Zeit unter meinem Dach gewohnt, und obwohl sie mittlerweile ausgezogen ist, halte ich einen recht ansehnlichen Wohntrakt für sie reserviert, wo sie sich bei ihren gelegentlichen kürzeren Besuchen zu Hause fühlen darf. Ich gebe mir dann jeweils Mühe, ihr geduldig und aufmerksam zuzuhören, so als ob gerade sie etwas Sinnvolles zu sagen hätte. Eine angenehme Gesprächspartnerin ist sie wahrhaftig nicht. Die schwarze Dame versteht keinen Spass.

Der nun folgende Abschnitt soll klar machen, warum meine Ausführungen zur schwarzen Dame relativ kurz ausfallen dürften.

Was ist Depression?

1
Die Depression ist der Zustand davor.
2
Der Zustand danach ist für die meisten Menschen der einzig vertraute Zustand.
2.1
Ein an Depression erkrankter Mensch mag mit ihm durch eine Spontanheilung, einen Voodoo-Zauber oder eine Gesprächs- und/oder Pharmakotherapie bekannt werden.
3
Der Uebergang vom ersten in den zweiten Zustand kann so beschrieben werden:
"Es war, als hätte jemand den Lichtschalter umgelegt." - "Die Welt hat sich aufgehellt."
3.0
Nicht: "Meine Stimmung hat sich gehoben." - "Die Welt[!] ... ."
3.1
"Verzeihe die vielleicht etwas unverschämte Frage: Du stehst ja jetzt unter dem Einfluss von Medikamenten. Bist wirklich du es, der jetzt mit mir spricht? Wird nicht dein wahres Wesen durch die Psychopharmaka verfälscht?" - "Ach weisst du: Der Philotustan davor, das war nicht ich."
4
Vom Zustand davor haben die meisten Menschen keinen blassen Schimmer.
5
Und so geht es im Grunde auch mir.
5.1
Und so weiss ich denn über den Zustand davor herzlich wenig zu erzählen, was ihn andern - und auch mir selbst - verständlicher machen könnte.
6
Die Depression ist der Zustand davor. Nachdem die Welt sich gelichtet hat, kann und mag man darüber nichts Wesentliches sagen: Man ist keinen Deut klüger, aber unendlich erleichtert. So zeigt sich das Wesen der Depression.
7
Worunter man nicht leiden muss, darüber kann man getrost schweigen.