T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Montag, Oktober 30, 2006

Der Sunset-Blog


Freitag, Oktober 20, 2006

Rubrik: Lebenshilfe

Ich verstehe!


Auch ich bin ja ein Lieber! Und auch ich träume öfter mal davon, so richtig böse zu sein. Ich denke dabei an eine höchst unschuldige, überhaupt nicht dumme Bosheit. Sei ein Biest, nicht verbiestert! Oder friedlicher: Es lohnt sich, hübsche Bildchen zum eigenen Bösesein zu entwickeln, Phantasien, bei denen man sich nicht nur nicht zu verachten braucht, sondern sogar Freude an sich haben kann.

Szene 1:
Ich werde verletzt, beisse heftig und kann mich nun ganz ruhig wieder meiner gewohnten Tätigkeit zuwenden. Klare Botschaft: Einem Leoparden tritt man genau einmal auf den Schwanz. Eine allfällige Diskussion ist beendet, bevor sie überhaupt begonnen hat. Ich habe nicht etwa recht - ich habe bloss gebissen. - Eine wunderbare Szene. Leider total unrealistisch.

Szene 2:
Ich werde verletzt. Es dauert eine Weile, bevor ich den Schmerz überhaupt bemerke. Und dann sind schon Erklärungen des verletzenden Verhaltens und Bedenken bezüglich möglicher Reaktionen auf der Bühne. - So. Und jetzt wird wieder geträumt: Ich habe eine Reihe von Erklärungen vor mir. Ach, nehmen wir doch den besten Fall: Ich verstehe den andern. (Nicht: Ich habe Verständnis. Bloss: Ich verstehe.) Und jetzt wird gebissen! Wieder eine einigermassen klare Botschaft: Du hast mich verletzt. Ich verstehe, warum du das getan hast. Und nun veruche du gefälligst zu verstehen, warum du jetzt blutest! - Auch nicht schlecht. Nicht ganz so unschuldig wie die erste Szene, aber viel realistischer.

Bloss nicht dumm-böse sein! Die gute Laune nicht verlieren. (Das stinkzufriedene Gesicht der Katze, wenn sie richtig zugeschlagen hat und die Gefahr nun gebannt ist.) Nicht ausser sich geraten. Das freundliche Grundwesen behalten. ("Der Philo ist im Grunde ein liebenswerter Mensch. Gut, ein paar seiner Feinde sind nun nicht mehr unter den Lebenden, aber wie kann man auch nur so blöd sein und es mit einer Katze dermassen verderben!")

Eine Maxime fürs Handbüchlein:
Beisse so, dass du dabei die gute Laune nicht verlierst!

Donnerstag, Oktober 19, 2006

Nur ein Titel. Den Rest kann sich jede(r) dazudenken. Es ist alles sattsam bekannt. Ich geh schon auf den Felgen, wenn eine brisante Frage aufgeworfen wird. Eine erschöpfende[!] Behandlung braucht es dazu schon lange nicht mehr. Was lange weilt, wird schliesslich auch nicht frischer.

Die Angst des Redaktors vor der Fernbedienung




[Die grundlegende Botschaft so mancher Sendung: "Bitte zappt uns nicht weg!"]

Mittwoch, Oktober 18, 2006

Für Peter

Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müde geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein grosser Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

so müde geworden:
Wäre der Blick munterer, wäre er wohl, wie jeder Anfänger weiss, bloss 'müd' geworden.

geschmeidig starker Schritte:
Ein Gedicht still in sich aufnehmen, mag ja ein erster Schritt sein. Aber dann muss man es wieder rauslassen! In diesem Fall würde ich Schülern den Flüsterton empfehlen.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf —:
Man stelle sich nicht vor, das prachtvolle Tier habe seinen Kreis mit geschlossenen Augenlidern gedreht. Der Vorgang ist viel unscheinbarer. (Und gewaltiger!)

Dann geht ein Bild hinein:
Keine Gehirnforschung hier! Und keine Erkenntnistheorie! Wörtlicher: Das Bild geht hinein.

geht durch der Glieder angespannte Stille:
Siehe die letzte Anmerkung. Siehst du, wie das Bild den ganzen Körper des Tieres ergreift?

und hört im Herzen auf zu sein:
Ja was jetzt? War's das? Da fehlt doch was! Ja was denn? - Ein Jambus. Füge ihn ein!
und hört im Herzen auf ein Bild zu sein:
Wie ich schon bemerkte: Keine Gehirnforschung hier! Und keine Erkenntnistheorie! Der Vorgang endet im Herzen! Und das ist kein Ort, an dem Bildchen gespeichert werden. Es ist der Raum, der durch die eintreffenden Bilder erweitert wird und diese ihres blossen Bildcharakters beraubt. - Eine Selbstverständlichkeit für jeden, der bereit ist aufzunehmen, wie der Dichter im Jardin des Plantes in Paris den Gang des prächtigen Tieres und die unscheinbare Veränderung in dessen Blick aufgenommen, aufgesaugt, sich reingezogen hat.

Dienstag, Oktober 17, 2006

Rubrik: Lebenshilfe

Wundenlecken


Ich bin verwundet. Ich bin ein ganz Armer. Ich will jetzt nicht wissen, wie es dazu gekommen ist. Und geht mir weg mit Fragen wie 'Wer bist du, dass dir das passiert ist?"! Ich bin ok. Es tut bloss noch weh. Darauf konzentriere ich mich jetzt. Auf den blossen Schmerz. Es geht mir herzlich schlecht. Ich lasse jetzt den Kopf hangen. Ermunterungen sind mir lästig. Mir ist nicht danach zumute. Nein, ich will keine Ratschläge. Ich bin schon geschlagen genug. Ich suche mir jetzt ein Stück Musik. Die, wonach mir zumute ist. Ich unterhalte mich mit dem Leoparden. Der versteht mich alleweil. Ich muss mich selber jetzt nicht verstehen. Das ist schwierig, und das kann ich jetzt überhaupt nicht brauchen. Ich bete. Das tut gut. An einem guten Stück Käse knabbern tut auch gut. Und dabei an Kühe denken, oder auch Schafe. Die Deichschafe in Husum. Und der Lärm der Austernfischer. Himmel, tut das weh! Ich bin ein ganz Armer. Ich will jetzt nicht wissen, wie es dazu gekommen ist. Und geht mir weg mit Fragen ...

Zum Glück muss ich jetzt keinerlei Entscheidungen für mein Leben treffen. Ich lasse einfach für den Moment ein paar Dinge auf sich beruhen. Der Otto ist der Otto, und die Post ist die Post, und die Jutta ist die Jutta, und der Zusammenhang ist ... mir zu kompliziert, und der Philotustan ist der Philotustan.

"Und Gott sah, dass es gut war."

Montag, Oktober 16, 2006

Rubrik: Lebenshilfe

Ein kleines Spiel: Stell dir eine Situation vor, die dir immer wieder Schwierigkeiten bereitet. Nichts Grosses, eher so etwas Mittelprächtiges, Nervendes. Du weisst nicht, wie du dich da verhalten sollst. Oder du hast ein Verhalten, zu dem du selber nicht voll stehen kannst. Und nun greifst du dir ein Tier und schaust zu, wie es sich verhält. Und dann tut sich was, oder es tut sich eben nichts. - Wichtig: Nur Zuschauen. Keine Theorie. Alles, was du brauchst, ist ein bisschen Zeit. Und dann einfach spielen.

Vielleicht magst du, oder es belustigt dich sogar, wie ein bestimmtes Tier sich verhält. (Ob dieses Verhalten deinem eigenen gleicht oder nicht, spielt keine Rolle.) Dann hast du dein Tier gefunden. Das ist dann dein Verbündeter. Weil du magst, wie es mit der Situation fertigwird. (Nicht weil du dem Tier gleichst.)

Montag, Oktober 09, 2006

Der Herr und das leichte Mädchen


Eine Party mit vielen illustren Gästen, darunter auch die in Sachen Schrift Gelehrten der Gesellschaft. Es ist einem leichten Mädchen, nennen wir es Mary M., gelungen, sich an den Türstehern vorbeizuschleichen und sich an einen der Gelehrten, einen Herrn um die dreissig mit Aussenseiterstatus, ranzumachen. Die junge Frau ist völlig von der Rolle: Sie lässt sich gar nicht erst bitten und trifft unter den entsetzten Augen der Partygäste unverzüglich Vorkehrungen, um dem Herrn die Füsse zu waschen und zu salben. Der Herr aber streckt der Frau ungerührt die Füsse hin und lässt sie gewähren. Während die allgemeine Aufregung wächst, wechselt er ein paar freundliche Worte mit ihr, nicht ohne zwischendurch ihre Schultern und Wangen zu berühren. Die Meute wird zudringlich, die Lage ungemütlich: "Was ist los mit euch! Die Frau erweist mir einen Liebesdienst. Lasst sie gefälligst in Ruhe!"

Samstag, Oktober 07, 2006

Der Kenner und der Idiot


Zu beurteilen ist die Situation, in der ein Spitzenkoch als Gast die Qualität eines Essens beurteilt und der Idiot am Nebentisch, auch ein Mensch mit eigener Meinung, selbige unaufgefordert beisteuert: "Ich persönlich finde, aber das ist jetzt natürlich nur meine ganz persönliche Meinung, dass das Essen im Grunde, wenn man es mal ganz genau betrachtet, eine Geschmackssache ist."

Der Spitzenkoch hat was gesagt. Der Mann am Nebentisch hat etwas Wahres gesagt.


[Elias Canetti lässt in seinem Stück 'Die Befristeten' einen Zeitgenossen auftreten, der in beliebigen Situationen knapp und präzise auszudrücken versteht, was unser Idiot vielleicht eine Spur zu wortreich vorträgt: "Ich finde!"]

Terminator


"Ach, schauen Sie sich bloss die Welt an, Heiliger Vater, und Sie werden zugeben müssen: Es ist doch ein Kreuz mit diesen Vollendern!"
(Aus einem der unzähligen nächtlichen Unterhaltungen zwischen Papst Johannes Paul II und Kardinal Karl Ratzinger, dem Präfekten der Glaubenskongregation)

Das Christentum vollendet das Judentum, der Islam vollendet alle beide, und für die Aleviten war Mohammed nicht der letzte, endgültige Vollender. (Der hiess dann wohl Alevi, oder auch Struppi. Namen tun hier nichts zur Sache.)

Man stelle sich nun vor, die lange Geschichte der Häresien würde um folgende Episode erweitert: Ein Papst, beraten vom Präfekten der Glaubenskongregation, bezeichnet in einer offiziellen Verlautbarung das Judentum als 'vollendete' Religion. - Das Christentum wäre nicht die Vollendung des Judentums, das NT nicht die des AT; das Judentum bedürfte keiner Vollendung; man befände sich mit den Juden auf gleicher Augenhöhe. Stellte sich dann nicht die verzwickte Frage: Wer verbrennt denn nun den Papst? - Mit Nichten und Neffen! Johannes Paul II, sekundiert von Kardinal Ratzinger, hat das grosse Wort ausgesprochen!

"Heiliger Vater, ich hätte nicht übel Lust, den Islam da auch mit einzubeziehen." - Zwei tiefe Seufzer. "Schon klar. Aber mit wem soll man reden? Mit dem saudischen Königshaus? Oder mit Ayatollah Khamenei?" - "Es ist spät geworden, mein Sohn. Geh schlafen! Gute Nacht!"

Tja, die Angelegenheit ist nicht einfach zu behandeln. Darauf zu verzichten, sich gegenüber einem andern als Vollender aufzuspielen, ist eine Sache. Ihm nahezulegen, er solle darauf verzichten, sich länger als Vollender aufzuspielen, eine andere, diffizilere. Wenn man bedenkt, wer sich da nicht alles beleidigt fühlen könnte.

"Ja, mein Sohn, ich verstehe dich schon. Das sind verdammt verbissene Gottesanbeter." - "Vollendung! Wenn ich das nur schon höre! Was hat Mohammed denn Neues gebracht? Einen noch weitergehenden Anspruch. Kämpferisch, um nicht zu sagen kriegerisch, vorgetragen." - "Mein Sohn, das bleibt aber unter uns!"

Freitag, Oktober 06, 2006

Für Eva

Liedchen, Tierchen, verstreute Erinnerungen


Die meisten Leute, die noch nie von einem schwarzen Leoparden in den Blick genommen wurden, schauen bloss verständnislos, wenn ich verkünde[!], dass ich im Basler Zoo mal Blickkontakt mit so einem Tier hatte. Was soll schon dabei sein?

Nun, das Biest hat mich wirklich fixiert, als ich langsam auf das Gehege zuschritt. Die Lefzen hochgezogen, die Reisszähne knapp sichtbar. Und dann dieses tiefe Knurren! Es hat meinen Körper ergriffen und zum Zittern gebracht. Ich habe mich total geöffnet und dieses Knurren und diesen Blick in mich aufgesogen, erschüttert vor Glück!

Was ist schon dabei, wenn einem an einem Nachmittag im Basler Zoo die Eingangstakte von 'Vier letzte Lieder' (R. Strauss) durch den Kopf geistern. Und warum sollte einer die Luft anhalten, wenn ihm auf der Heimreise im Zug der Beginn der letzten Strophe des ersten Lieds einfällt?

"Du kennst mich wieder."

Montag, Oktober 02, 2006

Für die Katz (1/1001)


Eine Katze macht aus einem Haus erst ein Zuhause. Sie ist ein wandelndes, schlafendes, sich stets veränderndes Kunstwerk.
(Patricia Highsmith)

"ein sich stets veränderndes Kunstwerk": Das gilt auch für die Mimik. Unser Krilin etwa macht zeitweilig den Uhu, oder er spielt den Chinesen. Aber vorherrschend sind doch zwei Gesichtsausdrücke:
 
1)  
Entrüstung: Der Napf ist leer. "Tu wat!"
2)  
Komplette Zufriedenheit: Der Napf ist schon wieder leer. "Was will denn der von mir? Wer ist das überhaupt?"

Sonntag, Oktober 01, 2006

Kitsch


Da muss man natürlich höllisch aufpassen! Und ganz genau unterscheiden. Frage dich: Vermag mich das Ding, das ich zuverlässig als Kitsch identifiziert habe, zu Tränen zu rühren, oder langweile ich mich bloss dabei? - Langeweile ist immer ein Gegenargument. Und Tränen sind nie ein Argument. Dann entschlage dich der Argumente und heul weiter! Du hast eine Perle gefunden!

Altersweisheit


Weiterwursteln wie bisher, bloss mit einem viel besseren Gefühl. Keine Spur von Einkehr und grösserer Besonnenheit. Bloss ein noch härterer Schädel und die ruhige Entschlossenheit, dass die andern einen genau so, wie man eben ist, ertragen müssen. Die Lehrjahre sind vorbei. Gefruchtet haben sie nichts. Jetzt gilt es halt auf Teufel komm raus, sein sonderbares Leben zu leben. Man hat ja sonst nichts.