T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Februar 27, 2009

[Ankündigung eines Blogs. Aus Dankbarkeit für einen Satz, der einen Tag zu retten vermochte. - Ich bin sehr gespannt, wann mir etwas zu einem Thema einfallen wird, zu dem ich nichts zu sagen habe, was auch nur einen Hauch von gegenwärtiger Erfahrung verbreiten könnte.]


Neue Stelle, neue ArbeitskollegInnen, neue Tätigkeiten, neue Arbeitszeiten. Ab dem 9. März wird vieles nicht mehr so wie früher sein. Nun, ich weiss mir selber durch allerlei kluge Überlegungen Trost zu spenden. So führe ich mir etwa folgende durch gründliche Betrachtung des Lebens gewonnene Erkenntnis vor Augen: Es gibt nicht wenige Menschen, die ihre Arbeit bereits morgens um 8 Uhr in Angriff nehmen; und nicht wenige davon sollen diese seltsame Gepflogenheit überlebt haben. Ich glaube fest daran, dass auch ich zu den starken Naturen gehöre, die ein solcher Lebenswandel nicht umbringen wird. Zudem ist es mir ja vergönnt, jede zweite Woche, wo die Schicht um 1 Uhr nachts beginnt, das zu tun, was ich eh schon immer getan habe, bloss dass meine Tätigkeit dann bezahlt wird, was ich - auch das muss mal gesagt sein - höchst anständig finde.

Während ich meinen eigenen philosophischen Zuspruch recht gut vertrage, reagiere ich auf fremden Zuspruch ziemlich gereizt. Es sei denn ...

"Herr Clemenz, ich warte gespannt darauf, von Ihnen einen Blog zu lesen mit dem Titel

Morgenstimmung



["Ich fühle Luft von anderen Planeten." (Schönberg, 2. Streichquartett, 4. Satz: Entrückung. Sehr Langsam.)]

Mittwoch, Februar 25, 2009

Rubrik: Blogs, die nie geschrieben wurden


Musical Events


Einleitung: Wenn Sound (Klänge/Geräusche/(Be)Schall(ung)/(Töne)) als Musik gehört wird, haben wir es mit drei Prozessen zu tun: 1) Schallwellen 2) Sound - acoustical events 3) Was wir im Sound hören, wenn wir ihn als Musik hören - musical events

Hauptteil: I. Die Ablehnung des Dualismus bezüglich der beiden Arten von Ereignissen.

Exkurs: Wie Spinoza das Verhältnis von Leib und Seele denkt.

Hauptteil: II. Übertragung der Anschauungen Spinozas auf das Verhältnis zwischen akustischen und musikalischen Ereignissen: Wir haben es mit zwei Konzeptualisierungen einer Sache zu tun. III. Die Inkommesurabilität der beiden Konzeptualisierungen.

Schluss: Hörempfehlungen, einfach so.


[Scruton hat ein paar wenige Zeilen lang ein bisschen den Arm geschüttelt. Dabei ist ihm etwas aus dem Ärmel gefallen. Das hab ich dann husch aufgeschnappt. Und noch vorher hat er in zwei, drei mit 'Time, Space und Causality' überschriebenen Abschnitten den ollen Kant geschüttelt. Was dabei herausgekommen ist, kann ich leider nicht auf die Schnelle erhaschen, zumal mir die Musikästhetik Schopenhauers zu wenig geläufig ist. - Manchmal wünschte man sich schon, man hätte ein paar Dinge einfach drauf. [Ich hätte nie gedacht, dass ich die intentionalen Objekte Brentanos und Husserls eines Tages irgendwie vermissen würde. Zum Glück ist mir Hegel nicht fremd. Der wird doch tatsächlich als der Mann hingestellt, der das Anregendste zum Thema Rhythmus gesagt haben soll. Das überrascht mich nun, ehrlich und nicht ohne Angeberei gesagt, weniger; Hegels Ausführungen zum spekulativen Satz in der Vorrede zur PhG haben mein musikalisches Interesse schon früh geweckt.] - Ich muss schon sagen: Awesome. Vita brevis, ars longa. Seufz!]

Seinem Schicksal entgeht keiner. - Ηϑος ανϑρωπω δαιμων. (Heraklit) Sein Wesen ist dem Menschen sein Schicksal.

(Denn) [Auftakt; und weiter im 3/4-Takt:]

Rosenmontagskinder müssen närrisch sein


70-er Jahre. Eine linksextreme Kölner Gruppierung verzweifelt darüber, dass das doofe Proletariat seine revolutionären Aktionen und seinen marxistisch-leninistischen Jargon partout nicht verstehen will, und greift - schlechtes Gewissen hin, Abscheu her - zum Äussersten: Um die auf ihre Befreiung wartenden Massen doch noch zu erreichen, wird eine regelrechte Stunksitzung veranstaltet, mit Emblemen, Festkomitee, einer Kapelle, die für die Tuschs zuständig ist, 'Alaaf'-Rufen, mit allem eben, was dazugehört. Das Ganze natürlich kritisch und mit politisch verantwortbaren Inhalten, versteht sich. Man bedient sich zwar der allgegenwärtigen munteren und wehmütigen Liedchen, füllt sie aber mit anspruchsvolleren kritischen Inhalten.

Eine der linken Aktivistinnen beginnt, so ein Liedchen vorzutragen. Und siehe da: Ein Funke springt über! Kein revolutionärer Funke zwar im engeren Sinne des Wortes, aber es tut sich was. Und es kommt noch besser: Der Funke springt zurück! Zurückgeworfen von einem von Begeisterung und Wehmut bewegten Publikum. Die allgemeine Bewegung ergreift unsere stramme Sängerin, und - tja - es kommt, was da halt kommen musste: Sie gerät mit ins Schunkeln. Völker, hört die Signale, auf ins wiegende Gewoge! Die Rosenmontagstimmung ergreift die Avantgarde. Die musikalische Bewegung begräbt die kritisch dümmlichen und philosophisch aufgemotzen Texte unter sich. Wir sehen eine selig sich gehen lassende Sängerin vor einem glücklich bewegten Publikum.

Die ehemalige Aktivistin hat mir am Rosenmontag davon erzählt. [Ich bin ein Zapper.] Ihre letzten Worte: "Es war eine Offenbarung."


Am Rosenmontag bin ich geboren,
Am Rosenmontag, bei uns daheim.
Bis Aschermittwoch bin ich verloren,
Denn Rosenmontagskinder müssen närrisch sein.

Wer findet irgendwo im grossen, prall gefüllten Saal das ungerührte Auge, wenn dieses Liedchen erklingt:

Heile, heile Gänsje
Es is bald widder gut,
Es Kätzje hat e Schwänzje
Es is bald widder gut,
Heile heile Mausespeck
In hunnerd Jahr is alles weg.

Dienstag, Februar 24, 2009

[Bloss ein Lebenszeichen zwischendurch. Meine fleissigen LeserInnen dürfen wissen, woran ich gerade bin.]


Musik, gehörter Klang, ein reines, von der den Klang verursachenden physikalischen Quelle abtrennbares Klangereignis, eine Bewegung, mit der wir uns bewegen, weil/wenn sie unsere Bewegung, die Bewegung unserer empfindlichen Saiten ist. - Wir werden in Schwingungen versetzt, wenn wir unsere Saiten blosslegen und sie dem berührenden, anrührenden, sacht verführenden Wellengang der Klangereignisse überlassen. - Und Stop!

Ich bin im Moment bloss am Ausholen. Mein Ziel ist es, über Musik zu schreiben. Und zwar nicht nur lauter dummes Zeug. Davon gibt es schon genug. Doch jetzt ist die Kunde zu mir gedrungen, dass es Leute geben soll, die begonnen haben, die nicht gerade ertragreiche Sparte der musikalischen Ästhetik bzw. Philosophie der Musik wiederzubeleben. Es soll sich um Leute handeln, die in der Tradition der sogenannten 'analytischen Philosophie' stehen und überdies, wie der Komponist Roger Scruton, aus reicher musikalischer Erfahrung schöpfen können.

Na ja, ich habe ein Buch gekauft und bin dabei, mich darin zu vergraben: Roger Scruton: The Aesthetics of Music.

Awesome! Ach, es schadet überhaupt nichts, wenn man sich in der Wellenphysik gut auskennt. [Ich sage 'Wellenphysik' und nicht einfach 'Akustik'; wir wollen ja schliesslich interessante Vergleiche zwischen Farben und Tönen anstellen.] - Ohne eine gewisse Vertrautheit mit ontologischen (die Seinsweise von Gegenständen betreffenden) Überlegungen geht gar nichts. Wir sollten ja nicht gleich erschrecken, wenn einer versuchsweise bemerkt, dass wir es bei der Musik mit sekundären Qualitäten von sekundären Objekten zu tun haben könnten. [Und überdies mit dem Leben selber; und das alles sollte man dann irgendwie zusammendenken.] - Sprachkritik ist sowieso ein vertrautes Feld. Schon bald wird uns nämlich auffallen, dass wir uns in lauter Metaphern bewegen, wenn wir über unsere simpelsten musikalischen Erfahrungen sprechen, und wir werden uns dann fragen, ob solche Rede einen verschnörkelten Luxus oder eine Notwendigkeit darstellt. - Zum Glück haben wir schon mindestens eine Harmonielehre durchgearbeitet [Autsch! Der de la Motte hat bei Debussy Halt gemacht], besitzen Stapel von Partituren und verschiedenen Tonträgern, und Lutoslawski ist uns nicht die Bohne weniger vertraut als Schütz. [By the way: Partituren und Tonträger sind eine feine Sache. Aber auch ein Klavier müsste her! Wer hat mir eins? Sich an die geliebte Sache buchstäblich heranzutasten dürfte sehr ertragreich sein.] - Wie gesagt, es schadet überhaupt nichts, wenn man über diese Dinge verfügt. Aber: Nicht erschrecken, wenn du den Eindruck hast, dass du bei Scruton dein musiktheoretisches Wissen in pulverisierter Form antriffst. Es darf dich nicht erschrecken, wenn Scruton deine Faustregeln für dies und das mittlerweile zu Sägemehl verarbeitet hat. Dieses Mehl ist nicht nutzlos: Du darfst erkennen, wie musikfremd es wirkt, wenn du daraus nette kleine Förmchen bastelst, die sich dann an möglichst vielen Klangereignissen bewähren sollen. [de la Motte ist diesen Weg der Pulverisierung schon ein schönes Stück gegangen. Aber Scruton ist bedeutend radikaler. Wie mir auf ein paar erste Blicke scheint. Ich neige dazu, der Besserwisser vom Dienst zu sein, wenn es um die Sache geht, von der ich wirklich etwas verstehe. Egal.]


[Ok. Jetzt wissen wir es: Philotustan hat ein Buch gekauft. Wie aufregend! Übrigens: Raoul Schrott hat die 'Ilias' übersetzt. Das ist wirklich aufregend. Ich warte auf die Schliessung der Schanzenpost. Das ist deprimierend. Schubert wechselt in der letzten Strophe des ersten Lieds der 'Winterreise' von Dur nach Moll. Das ist herzerweichend. Lutoslawskis einleitende Streicherglissandi zwischen Vierteltönen aus seinem 'Livre pour orchestre' (1968) sind schön, schlicht und ergreifend schön. Jedenfalls so lange, als ich keine besseren Worte dafür habe. Wenn ich wüsste, was ich sagen will, wäre das ganz toll. Wenn ich gar sagen könnte, was es ist, was mein seelisches Saitenspiel in bebende Verzückung versetzt, wenn die Wetterstoa Musikanten einen Boarischen intonieren, oder was mir wehmutsvoll das Herz bricht, wenn Schubert in der B-Dur Sonate D960 eine Melodie erst in Cis-Moll und unmittelbar darauf - als identische [Hier setzt jetzt die analytische Philosophie ein] - in E-Dur auftreten lässt, dann bräuchte ich für den Rest des Lebens nichts mehr zu sagen. - "Horch! Das! Hörst du's? Das ist es!" Das Rätsel der Welt und des Lebens ist gelöst. Nunc dimittis ... Nun entlässest, du, Herr, deinen Diener in Frieden. Amen.]

Samstag, Februar 14, 2009

[Ein Mensch in seiner Herrlichkeit kann nicht bleiben, / sondern muss davon wie das Vieh. (Psalm 49, 13.21) - Denn des Menschen Geist muss davon, und er muss wieder zu Erde werden; / dann sind verloren alle seine Pläne. (146, 4)]
[Et expecto resurrectionem mortuorum / et vitam venturi saeculi. Amen. (Credo)]


Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit. - "Was kommt danach?" - Das Leben geht weiter, ohne mich/dich.

Wir erinnern uns an die Erdklümpchen aus Genesis 2 und daran, wie der Herr in ihre Nasen geblasen hat: Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: Wie dies stirbt, so stirbt auch er, und sie alle haben einen Odem, und der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh; denn es ist alles eitel. / Es fährt alles an einen Ort. Es ist alles aus Staub geworden und wird wieder zu Staub. / Wer weiss, ob der Odem der Menschen aufwärts fahre und der Odem des Viehs unter die Erde fahre? / So sah ich denn, dass nichts Besseres ist, als dass ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein Teil. Denn wer will ihn dahin bringen, dass er sehe, was nach ihm geschehen wird. (Kohelet 3, 19-22)

Staub wird zu Staub, und da ist nichts (keine besondere Substanz etwa), was diesem Grundgeschehen entkommen könnte.

Die Toten sind tot. In vollkommener Übereinstimmung mit dieser Wahrheit, die, wie mir scheint, einige Plausibilität für sich beanspruchen darf, befindet sich eine einst weitverbreitete Religion, bekannt unter dem Namen 'Christentum', in der von der Auferstehung der Toten sowie von der Auferstehung des Fleisches gesprochen wird. Eine Reihe von Texten dazu finden sich auch gegen Ende des grossen Sammelbandes, in dem ich zur Zeit wühle, versonnen, von Gedanken benommen, in Gedanken versponnen.


[Kohelet. Schwärza geht's nimma. Drum lasst uns fröhlich sein und uns gütlich tun in unserm Leben. - Die verfluchten Lichtblicke und Hoffnungsschimmer sind das Schlimmste. Bei ihnen kann die schwarze Dame ansetzen. Hoffnung? Es gibt weiss Gott Besseres. Gottesfurcht! - Wenn ich nur genauer wüsste, wovon ich hier rede ... Tja, und wüsste ich's genauer, würde mich das kein Quentchen fröhlicher machen. Vermute ich mal. Und überhaupt: Da sah ich, dass die Weisheit die Torheit übertrifft wie das Licht die Finsternis; / dass der Weise seine Augen im Kopf hat, aber die Toren in die Finsternis gehen; und ich merkte doch, dass es dem einen geht wie dem andern. / Da dachte ich in meinem Herzen; Wenn es denn mir geht wie dem Toren, warum hab ich dann nach Weisheit getrachtet? Da sprach ich in meinem Herzen: Auch das ist eitel. (2, 13-15)]

Freitag, Februar 13, 2009

[Nun muss eine weitere mir sehr nahestehende Person die Qual der Ungewissheit über den Ausgang von ärztlichen Abklärungen erdulden.]


Vor die Sintflut hat der Herr viel Ungemach, anhaltende Mühsal und entsetzliches Leid gesetzt.


["Mehr könnte ich beim besten Willen nicht mehr ertragen." Dieser Satz drückt die naive Hoffnung aus, dass auf eine Reihe leidvoller Erfahrungen kein noch viel grösseres Leid folgen könne. Tzzz ... Schon was von Hiob gehört? Und zur Erinnerung: Wir befinden uns hier allemal im Reiche Jahwes.]

[Der Gottesfürchtige setzt seine Hoffnung in Jahwe, den Grenzenlosen, in seiner Überfülle über jedes Ziel Hinausschiessenden. - Ja, ich denke schon, dass eine beständige Hoffnung (nur) besitzt, wer seine Hoffnung in Gott setzt. Da weiss er, was er hat: das blanke, durch keine wie auch immer geartete Idee veredelte Leben. - Nichts weiter dazu. Es steht ja alles geschrieben.]


[Verwandter Blog: Marianne]

Donnerstag, Februar 12, 2009

Kein Blog zu Genesis 5. Bloss ein kurzes Innehalten. - Abel ist tot, Kain vom Angesicht des Herrn verbannt. Aber von deren Bruder, Set, führt eine direkte Linie zu Noah, der zusammen mit seinen drei Söhnen überleben wird, was niemand sonst überleben wird: Vor uns die Sintflut. Davor aber noch ein paar unausgegorene Sentenzen:


Die Lektüre des AT: Meine Art, mich mit der Welt in ein unaufgeregtes Nicht-Einverständnis zu setzen.

Die Lektüre des AT: Meine Art, mich mit der Welt in ein [grimmiges][vollkommenes] Einverständnis zu setzen.

Die Gottesfurcht ist das [grimmige][vollkommene] Einverständnis mit dem Lauf der Welt.

Das AT ist mir ein feiner Wortgeber. Es bringt alles zur Sprache.

[Auch Dinge, die man nach den ungeheuren Fortschritten der letzten Jahrhunderte nicht mehr denken/aussprechen dürfen sollte. Zumindest nicht in Luthers Sprache, die ja nun doch ... ich meine/finde ... man sollte ... das 'Weib' beispielsweise ... "Lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. ... und was sein wird, ist auch schon längst gewesen ... " "Nihil novi sub sole." (Kohelet I, 9) - Man bemühe sich, sie irgendwie zum Schweigen zu bringen, diese Sätze! Man versuche, den Sturm dieser Sätze zu bändigen! Ein eitles Unterfangen und "Haschen nach Wind". (I, 14 u.a.)]

Wer die Sprache verbieten will, muss schon die Bibel verbieten.

[Ja, es bleibt noch viel zu tun für die guten Menschen. "Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen." (III, 10)]


[Mittlerweile ist der Ich-Erzähler aus Roths neustem Roman dabei, das Wort 'indignation' zu buchstabieren. Sloterdiks 'Zorn und Zeit' hingegen habe ich aus meinem Angesicht verbannt. Es führt mir bloss vor Augen, dass ich nicht schreiben kann. Aber schon ein Buchtitel ist manchmal ganz schön anregend.]

Mittwoch, Februar 11, 2009

[Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden. - Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.]


"Nie wieder Krieg!" - "Der Krieg in Ixheimen hat nach Angaben der Organisation ABC auch in der vergangenen Woche wieder zahlreiche Opfer, darunter auch Frauen und Kinder, gefordert." - "Neue Hoffnung für Ixhausen. Der Friedensprozess in der Region hat neuen Aufschwung erhalten, nachdem der Beauftragte der P-Gruppe der Q-Staaten am vergangenen Mittwoch nach intensiven Gesprächen mit den verfeindeten Parteien erklärt hatte, er sehe neue Möglichkeiten für eine Stabilisierung der Situation in der krisengeschüttelten Region."

Es darf einmal mehr neue Hoffnung geschöpft werden. Und wenn dann erklärt wird, dass die Hoffnungen sich nun endgültig zerschlagen zu haben scheinen, reicht es dann vielleicht gerade noch für ein leichtes Schulterzucken. Man kennt das Ostinato dieser Texte halt mittlerweile auswendig.

Ich will starke Texte, grosse Texte, bejahende Texte. - Μηνιν αειδε, ϑεα ... - Kain erschlägt seinen Bruder. Er hat dafür einen verdammt starken Grund, die Demütigung durch den grossen Urheber der ganzen Veranstaltung selber. Dieser ist mitnichten etwa ein neutraler Beobachter oder Richter, sondern selber ein Teil von jener Kraft, die das Gute sowohl als auch das Böse schafft. Das ist eine Kraft, die für Kontinuität sorgt: Der Herr selber wird Kain fortan schützen: Wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und Lamech, ein Ur-ur-ur-Enkel Kains, stimmt ein in das grosse Wort und spricht zu seinen Frauen: Ada und Zilla, höret meine Rede, ihr Weiber Lamechs, merkt auf, was ich sage: Einen Mann erschlug ich für meine Wunde und einen Jüngling für meine Beule. Kain soll siebenmal gerächt werden, aber Lamech siebenundsiebzigmal.

Die Gottesfurcht als vollendete Gelassenheit


Alles ist schon seit jeher da; einiges davon tritt zeitweilig in den Hintergrund, dann beherrscht es wieder die Szenerie. Der Prediger blickt bereits auf eine lange Geschichte des Ewig-Gleichen zurück: Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig.

Ein jegliches hat seine Zeit ... lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit. Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. [Nichts kann dauerhaft festgehalten werden.] Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit ...; nur dass der Mensch nicht das Werk ergründen kann, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.

Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. ... Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchte.

Was geschieht, das ist schon längst gewesen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen; und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.


[Ein kleiner Tip zwischendurch: Ich werde hier beispielsweise nicht erklären, was 'Eitelkeit' bedeutet. Meine LeserInnen wissen ja, was sie zu tun haben: Das Wort Prof. Dr. Dr. Johnny Google an den Kopf werfen. Der verweist dann sofort auf eine grosse Enzyklopädie, und gleich bekomme ich nicht ein quengeliges "Was heisst denn hier 'Eitelkeit'" zu hören, sondern ein wissensstolzes "Ah! Gryphius."]

Montag, Februar 09, 2009

Du hast dich in Robert Nozicks berühmtem Gedankenexperiment gegen ein von lauter angenehmen Empfindungen durchtränktes Scheinleben entschieden. Du ziehst es vor, als frei Handelnder dein Leben selbstverantwortlich zu gestalten.

Nimm nun weiter an, es gäbe eine Reihe von Theorien, Weltanschauungen, Heilslehren und dergleichen, darunter durchaus auch beachtenswerte Konstrukte, die deine Ideen von Handlung, Freiheit und Verantwortung als illusionär hinstellen. Du bist davon zwar nicht besonders beeindruckt, bist aber - aus Faulheit, Überdruss oder welchen Gründen auch immer - nicht in der Lage, den besagten Anschauungen argumentativ schwergewichtig zu begegnen. Vielleicht übt eine Personen und Handlungen unter die Dinge und Ereignisse rubrizierende Ontologie sogar einen gewissen Reiz auf dich aus. Wie dem auch sei:

Ändert sich dadurch etwas an deiner Entscheidung?

...
...

[Und wenn du mich fragst: Mich belustigt die vollkommene praktische Irrelevanz theoretisch durchaus nicht vollständig uninteressanter, wenn vielleicht auch etwas zu aufgeblasener Konstrukte.]

Sonntag, Februar 08, 2009

Die beiden Paradiesbewohner haben es weit gebracht: Eh schon zum Ebenbilde des Herrn geschaffen, wird ihnen nun, da sie unerlaubterweise vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, vom Herrn selber attestiert: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiss, was gut und böse ist. Fehlt bloss noch, dass sie von den nicht unerlaubten Früchten des Baums des Lebens essen. Doch da sei Gott vor! Und die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.

[Schon an so früher Stelle des Buches darf vermutet werden, dass sich Ungehorsam in den allerseltensten Fällen auszahlen wird.]


'Die Sache Makropoulos' enthält eine beunruhigende Vision. Aber das hier ist entsetzlich: Philip Roths Ich-Erzähler ist, wie wir nach gut 50 Seiten erfahren, vom Baum des Lebens endgültig abgeschnitten. Es besteht auch nur eine äusserst vage Vermutung, dass der (Nicht-)Ort, von dem aus er sich an den total verblüfften Leser wendet, bloss 'the anteroom to oblivion' sein könnte. Doch vorerst kann von Vergessen keine Rede sein: Marcus Messner, abgeschnitten auch von dem letzten, endgültigen Gericht, leidet eher an einer Überdosis von dem Wirkstoff der Früchte des Baums der Erkenntnis: And the judgment is endless, though not because some deity judges you, but because your actions are naggingly being judged for all time by yourself.

Samstag, Februar 07, 2009

Gartenerdenspiele


In Eden ward ein Garten angelegt, der Mensch ward dort hineingesetzt, er darf nun spielen. Immer nur spielen, und immer vergnügt ... Doch untröstlich ist der Mensch.

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Er braucht eine Gespielin, die zu ihm passt.

Der grosse Bastelkönig legt sich gleich mächtig ins Zeug. Aus Klumpen Erde formt er Figuren, belebt sie, indem er ihnen in die Nasenlöcher bläst, und stellt sie vor den Menschen, der sie nun benennen darf: "Zebra! Dino! Bär!" Der Vater gibt sich redlich Mühe, den grossen Buben bei Laune zu halten. Doch dieser bleibt untröstlich.

Da fängt der findige Vater die zündende Idee: Vollnarkose. Wechsel des Baumaterials. Aus dem Fleisch des Menschen wird ein zierliches Figürchen gebastelt, dem wird in die Nase geblasen, und dann wird der Junge wieder geweckt, er darf benennen: "Menschin!" Hoppla! Da hat's gefunkt! Der nörgelnde Namengeber ist endlich zufriedengestellt. Immer nur spielen, und immer vergnügt ... Von vielen Wässerchen feucht gehaltenes, wohlbesamtes Erdreich, und feine Äpelchen. So ist das Leben im Garten von Eden. Was will der Mensch mehr?

Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden sein ein Fleisch.


[Und so endet Genesis 2: Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht. - Genesis 3 wird dann die Scham einführen.]

[Μηνιν αειδε, ϑεα, ... Den Zorn singe, Göttin, ...]


Wo soll ich bloss hin mit meiner Wut? - Sie an andern auszulassen, verschafft mir bloss fruchtlose, fahrige Aufregung. Aber das höhere Gewürm des sechsten Schöpfungstages macht mir schon schwer zu schaffen. Vielleicht sollte ich dazu übergehen, die Menschen korrekt zu behandeln. Nicht gerecht - so weit ist mein Zorn noch nicht gediehen. Einfach korrekt, gnadenlos korrekt.


[Hinweise auf Bücher: (1) Peter Sloterdijk: Zorn und Zeit, (2) Philip Roth: Indignation, (3) Kohelet (Der Prediger Salomo), erschienen in einem alten unter dem Titel 'Altes Testament' bekannten Sammelband. (Vers I,2, in einer vulgatären Fassung: Vanitas vanitatum, dixit Ecclesiastes, vanitas vanitatum omnia vanitas. Oder urprotestantisch: Es ist alles eitel, sprach der Prediger, es ist alles eitel.]

Donnerstag, Februar 05, 2009

[Es ist eine alte Geschichte, / Doch bleibt sie immer neu; / Und wem sie just begegnet, / Dem springt das Herz entzwei. - Ja, der Heinrich gibt auch hier den Takt vor. Der fassungslos erzürnte Philotustan hat das Bedürfnis, dadurch allen seinen Freunden, die ihm ans Herz gewachsen sind, anzuzeigen, dass er immer noch empfänglich ist für die heiteren, freundlichen Töne. - Liebe deine Freunde, sei unerbittlich zu denen, die dir den Wecker verstellen!]


Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.

Er sprach, es geschah, und er sah, dass es gut war: (1) das Licht, (2) eine erste grobe Scheidung: die der Wasser durch die Feste, (3) eine zweite grobe Scheidung: Meer und Land; dazu die Pflanzen, (4) die Gestirne, (5) die Fische und die Vögel, (6) die Landtiere, die Menschen eingeschlossen.

Und der stinkzufriedene Schöpfer, frei von jedem Zornausbruch, weil unbehelligt noch durch das Geplärre des höheren Gewürms des sechsten Tages, sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.


Dann der wohlverdiente Schlaf des Gerechten, ... eine willkommene Gelegenheit für den ehemaligen Lichtträger und jetzigen Herrn der Finsternis, dem Ahnungslosen in sein Handwerk zu pfuschen und es dadurch - noch vor dem Sündenfall - gründlich zu verderben. - Hä!? Was war das?

Nun, das ist ein Teil der erlösenden Botschaft der Gnosis. Erlösung wovon? Von der Qual der langen vergeblichen Warterei auf das längst fällige Ende der Zeiten bzw. auf den Anbruch des Reichs Gottes. Das Warten ist zwecklos, die Schöpfung ist gründlich verdorben.


[Sommer 1990. Ich nehme den Schöpfungsbericht in Angriff. Ich fasse es nicht. Das soll alles gewesen sein? Nun, was hatte ich denn erwartet? [Ich krame in meinem Gehirnskasten nach Haydns 'Schöpfung':] Da fehlt doch die in grösster Verwirrung weichende höllische Geisterschar, die hinabstürzt in des Abgrunds Tiefen, zur ewigen Nacht, zur ewigen Nacht ... (Chor:) Verzweiflung, Wut und Schrecken begleiten ihren Sturz. Doch nicht erst Haydn hat mich über diese gewaltigen Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt. Diese Geschichte hatte ich schon als Schulbub auswendig lernen müssen. Nein, nicht das Libretto des Oratoriums mussten wir daherbeten. Es war unsere Schulbibel! Und so habe ich nicht schlecht gestaunt, als ich bei der Lektüre des von Sloterdijk und Macho herausgegebenen dicken Readers zur Gnosis ('Die Weltrevolution der Seele') in den gnostischen Evangelien erneut auf unsere alten Schulbibelgeschichten stiess. Auf unsern Schöpfungsbericht de luxe, den illusionsraubenden, der uns wohl gefasst machen sollte auf die triviale Erkenntnis des Erwachsenenalters: Die Welt ist schlecht. - Der weitaus schlichtere Text (Genesis 1) berührt. Die ungestörte Ruhe des tüchtigen Werkmannes berührt. Auch seine grossartige, durch kein martialisches Getöse unterfutterte Einzigkeit berührt. Die unberührte Schöpfung berührt.]

[Die 70er Jahre. Eine andere Heilserwartung: 'Spätkapitalismus': Das Verderben liegt in den letzten, besonders hässlichen, Zügen. Einst notwendig, jetzt überflüssig geworden: die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. Anbricht das neue Reich, das Reich der Freiheit. Aber dann hat die hässliche Fratze die Frechheit, einfach ungerührt weiterzuexistieren. Und einsetzt eine Light-Version der gnostischen Evangelien: Der abgrundtief schlechte Kapitalismus, dieses scheussliche Untier, vermag auch noch die grössten auf seine endgültige Vernichtung abzielenden Gegenbewegungen in sich aufzunehmen und für seine schmutzigen Zwecke zu vereinnahmen.]


[Fortsetzung folgt. - Aber wir wissen natürlich, dass da einer schon in weit kleineren Werken ertrunken ist. Na ja, jedenfalls lässt der Fassungslose sich z. Zt. durch keine Eintagsfliegen wie globale Klimakatastrophen oder allfällige Weltkriege, geschweige denn durch kleinkramsiges Gelaber aus der Zornesfassung bringen. Hoffen wir, dass er in Jahwe, dem grosse Zornbraten, wenigstens vorübergehend einen gewissen Halt findet. Eine feste Burg sei ihm der Herr! Amen.]

Mittwoch, Februar 04, 2009

Herr, sie wissen nicht, was sie labern. Aber ich atme in der Zuversicht, dass keine noch so grosse Blödheit eine Zuflucht vor der Gewalt deines Zorns zu bieten vermag. Ich, ein kleiner Teil des kleinen Versehens des sechsten Schöpfungstages, bitte dich: Erbarme dich des Gewimmels der Wasser, des Geschwirrs unter der Feste, und auf der Erde des Viehs, des Gewürms und der Tiere des Feldes. Amen.


Ich ertrage es nicht, dass nun auch der Heilige Vater in das pausenlos unsägliches Gerede ausstossende Getriebe geraten ist. - Ich hocke zerknittert in der Katastrophe, die mein heimliches Werkleben aus den Fugen bricht und durcheinanderwirbelt. - Und eine schwere Krankheit meines Vaters erschüttert mich.