T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Juni 29, 2012


Die Einladung
oder
Wie Martin sein eigentliches Selbst entdeckte

Angeregtes Beisammensein bei und nach schmackhaftem Essen in geschmackvollem Ambiente. Es ist, wie die Damen versichern, wirklich sehr nett und furchtbar reizend. Es gibt nix und niemanz, was unsern Martin langweilen könnte. Er ist - merkwürdig aufgedreht - im Gespräch und allem ganz dabei. Die Zeit verfliegt.

Anderntags glaubt Martin - widerwillig erst - feststellen zu müssen, dass er sich bei der Einladung doch gelangweilt habe. Er gerät - auf der Suche nach der verflogenen Zeit, pardon, der tiefen Langeweile - ins Grübeln und beschenkt uns der einfacheren Dinge wie der 'Nichtung' und dergleichen etwas Überdrüssigen mit zwei neuen Prägungen, die ihm und uns zugleich und sogleich - Ist es fass-bar? - einen eigentlicheren Einblick in das eigentliche Wesen der Eigentlichkeit verschaffen werden:

Der Situation gestern fehlte die Unruhe des Ausschauens nach … Ich war im Gegenteil bei allem, was vor sich ging, dabei und plätscherte mit. "Dieses mitplätschernde Dasein [ist] ein Sichmitnehmenlassen von dem, was da gerade sich abspielt. Was ist mit dieser Lässigkeit? … Das Suchen nach einem Ausgefülltsein von Seiendem unterbleibt im vorhinein." - Und bald dämmert Martin, was sein eigentliches Selbst ist:

Eigentlich bin ich der, den ich zu Hause liess, als ich gestern auf diese Einladung ging.


[Quelle: 40 der 150 dem Phänomen der Langeweile eingeräumten Seiten aus "Die Grundbegriffe der Metaphysik", der Hauptquelle von Philip Wüschners Buch "Die Entdeckung der Langeweile. Über eine subversive Laune der Philosophie". Mein Blog soll auch ein Hinweis für alle sein, die sich mit der Frage herumquälen, warum Heidegger 1934 dem Ruf nach Berlin nicht folgte, und die in der Rundfunkansprache "Warum wir in der Provinz bleiben" keine befriedigende Antwort gefunden haben.]

Donnerstag, Juni 28, 2012


die Nichtung: das von der Angst durchstimmte Geschehen, in dem der Welthorizont das Dasein umdrängt

Anmerkung: Das Dasein ist nicht etwa vor diesem Geschehen schon da. Vielmehr wird das Menschenwesen (u.a.) durch dieses Geschehen erst in sein Da-sein verwandelt.


[Das lange weilende Vorgehen Heideggers ist oftmals darin begründet, dass er sich, dem Geist seines Denkens widersprechend, einer extrem verdinglichenden Sprechweise befleissigt. (Die Rede davon, dass "das Nichts selbst  nichtet", ist ein hübsches Beispiel dafür.) Da muss er dann nachträglich immer eine Reihe von Abschnitten anfügen, in denen er die Missverständnisse, die er selber provoziert hat, wieder auszuräumen versucht. Dass er bei dieser Ausräumarbeit wiederum eine verdinglichende Sprache verwendet, versteht sich von selbst … tja, und der Rest ist dann sinngemäss. - Ich glaube schon, dass es auch etwas kürzer (ca. 86 Bände eines Gesamtwerks bei Vittorio Klostermann kürzer) geht. (Aber schon klar, es gibt schlimmere Formen der Langeweile als das Stöbern in den erwähnten Bänden.)]

Mittwoch, Juni 27, 2012

Die Genugtuung,
ungläubig staunend noch und bänglich,
am Ende des Weges zur Philosophie angekommen
zu sein.

Die aufkommende Gewissheit, dass kein Weg noch weiter führt.

Der stetig sicherer werdende Gang auf einem Holzweg.

Die Einwilligung in den Umstand, dass das Philosophieren wesensmässig anfänglich ist.





[Tja, und dann auch die Bereitschaft, sich beim Anrennen gegen die Grenzen der Sprache noch manche Beule zu holen. - "Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt …" Ja, der ehemalige Zögling eines katholischen Internats mag die Versammlung unterschiedlicher Gestalten, von denen eine mit einem tiefen Misstrauen vor philosophischen Tiefgängen nach letzter Klarheit der Gedanken strebt, während eine andere durch ihren Drang zum Erhabenen sich gerne in sprachlichen Untiefen tummeln mag.]


[zu meinen Akten]

[Das Sein und das Nichts]

Als Wesen mit Gedanken, die eine propositionale Sprache sprechen, verfügen wir über einen Begriff/eine Idee von Welt bzw. einen Welthorizont. Dieser Horizont bleibt zunächst und zumeist im Hintergrund; er drängt sich nicht vor/auf.

Mit den Ausdrücken "das Sein" und "das Nichts" ist nun jeweils ein so oder so gestimmtes Geschehen gemeint, in dem der Welthorizont sich in den Vordergrund schiebt/drängt, sich aufdrängt, einen - wenn  es einem unheimlich ist - bedrängt usw., je nach der vorherrschenden Gestimmtheit eben.


[Näheres zum ersten Abschnitt ist bei Frege, Davidson und Tugendhat zu finden. Zum zweiten Abschnitt hat Heidegger Ausgiebiges/Ergiebiges vorgetragen; ich habe hier bloss eine lange schmerzlich/ärgerlich vermisste 'Definition' nachgetragen.]

Montag, Juni 25, 2012


[Aufzeichnungen aus der Gegend zwischen dem Bodensee und dem Oberen Donautal]



1

Selbstbestimmung: seine Gedanken, auch die bloss monoton aufdringlichen, seine Gefühle, auch die unerwünschten, seine Wünsche, auch die nicht so edlen, seine Erinnerungen, auch die quälenden, diese Dinger sich zu eigen machen, sie übernehmen, zu ihnen stehen. (nach Peter Bieri)



2

Herr von und zu Seyn, seines oftmals emphatischen, aber stets auch mit Leiden verbundenen Schürfens auf dem sinn-baren Grund der Dinge überdrüssig, begibt sich in eine geschlossene Therapieeinrichtung. Schon nach wenigen Tagen ist er höchst erstaunt und völlig verrätselt. Es macht ihn staunen - und auch leicht ärgerlich -, dass die tägliche Einnahme von gerade mal drei Tropfen einer 'ontolethischen' Tinktur seinem Leiden alsbald ein definitives Ende bereiten soll. Er ist verrätselt, weil er die klare Entschlossenheit, mit der er die Tinktur jeweils umgehend in eine Blumenvase giesst, nicht verstehen kann. - Herr von und zu Seyn verlässt die Anstalt, schmunzelnd und mit einer gewissen neuen Entschlossenheit, fortan sein Leben zu leben.


Ach gar wenig hat man eben
Neben seinem eignen Leben.

[Dementia präcox oder einsetzende Spätphilosophie? Jedenfalls eine sinn-bare Zuversicht.]



3

In kurzen Abständen dringen sanfte Winstösse in dichtes Blattwerk ein, das sich wieder und wieder aufbläht und wieder in sich zusammenfällt. Auf solch atmendem Blattwerk schaukeln zwei Marienkäferchen, ein rotes mit schwarzen und ein schwarzes mit roten Punkten.

Am nächsten Tag lese ich im Heidegger-Museum in Messkirch: "Wenn am Sommertag der Falter sich auf die Blume niederlässt und, die Flügel geschlossen, mit ihr im Wiesenwind schwingt …"

Ich bin glücklich.

Samstag, Juni 16, 2012


Eine Woche Urlaub in Pfullendorf-Schwäblishausen. Nein, das ist nicht am Ende der Welt; das liegt ganz nahe beim durch seinen berühmten Fasnachtsredner Fritz Heidegger allen bekannten Städtchen Messkirch.

[Das Wetter. Egal. Zur Not kann ich ja in mitgeschlepptem Schrifttum zur Daseinsanalyse schmökern. - Eine Richtung der Psychotherapie mit nicht uninteressanten Quellen: Husserl, Freud und der Bruder des oben genannten Fasnachtsredners.]

Montag, Juni 11, 2012


[Eine Kuh macht Muh; viele Kühe machen Mühe: Eine philosophische Betrachtung zu einem Gemeinplatz]

Im Belpmoss, zwischen Salat- und Chabisköpfen, niedrigen Mais- und Getreidestengeln sowie frischen Setzlingen herumstreunend, eine einzelne Kuh. Zwei Bauersleute, des Wesens dieses Tieres eingedenk, geben sich keine Mühe, das Trampeltier durch Fuchteln und Brüllen auf seinen angestammten Weideplatz zurückzulocken. Sie verlassen sich vielmehr auf das muhende Bemühen der Artgenossen des vom rechten Pfad abgekommenen Viechs:

Mühe macht die eine Kuh;
Andre Kühe machen Muh
Dazu.


[gewidmet der Kuh, der vielbemuhten Muhse meiner etwas bemühten Mussestunden heute im Belpmoos]

Samstag, Juni 09, 2012


[Freiheit]

Die Freiheit sei eine Illusion, meint der Szientist. "Das habe ich mir auch schon einbilden wollen", seufzt der Existenzialist.

Donnerstag, Juni 07, 2012


Ein wortkarger Salzsieder auf Læsø erzählt mit breitem Grinsen, wie er darauf gekommen ist, auf effizientere Weise als bisher das weisse Gold aus dem Gewässer, das seine vor der Ostküste Norjütlands liegende Insel stetig durchflutet, zu gewinnen:

Schuld daran war nur der italienische Rote. Der löste meine Zunge. Und die Ideen begannen zu sprudeln.


[erstmals erschienen in den Kleist-Studien, VII, 2015]


[Stimmung!]

Was hat es nun mit diesem Sein oder - im Hinblick auf deine Jacken und Hosen aus dem letzten Blog - mit dem Nichts auf sich? Soviel dürfte ja wohl klar sein: Dieses Dingsbums hat man ja nicht einfach so. Wie ist es gegeben? Wo treffe ich es an?

[Wir stellen uns an den einzigen Ort, von dem her die Frage beantwortet werden kann. Besser: Wir [Findlinge] finden uns immer schon "inmitten des irgendwie im Ganzen enthüllten Seienden gestellt" und führen uns die Antwort zu Gemüte, die Fritz Heidegger mir eingeflüstert hat:]

Sein ist, wenn es einem ist.

Mittwoch, Juni 06, 2012


Mit dem Sein ist nichts; das Seiende hat schon alles 'ist' aufgefressen. Da bleibt nichts mehr übrig. Das Sein ist null und nichtig, ein Nichts eben. Sein und Nichts ist Jacke wie Hose.

Frage: Warum ist das so? Warum ist es nicht gerade umgekehrt? Anders gefragt: "Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?" Ende der Vorlesung "Was ist Metaphysik", die  - so meint der Vortragende 20 Jahre später - von diesem Ende her gelesen sein will.