T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, Oktober 29, 2008

[Kann als kleine Übung in Dschungalesisch verstanden werden.]

Ein gewisser Herr Sinn hat kürzlich sinngemäss folgende Aussage gemacht: Jede Krise braucht ihre Sündenböcke; was die Juden für die Weltwirtschaftskrise damals waren, sind für die jetzige Finanzkrise die Manager. - Grosser Aufschrei: Herr Sinn soll sich für seine Äusserung bei den Juden entschuldigen.

Das wirft eine Reihe von äusserst langweiligen Fragen auf. Aber eine interessiert mich doch: Von Theodor W. Adorno stammt der Aphorismus: "Die Fremdwörter sind die Juden der Sprache." Hat er sich eigentlich jemals bei den Juden dafür entschuldigt?


[Herr Sinn hat seine Äusserung inzwischen offiziell bedauert und zurückgenommen. Ich verstehe das gut. Es hielt es wohl für einfacher, einen Rückzieher zu machen, als dem Zentralrat und Claudia Roth zu erklären, wie das Wort 'Sündenbock' zur Not auch noch verstanden werden könnte.]

Montag, Oktober 27, 2008

[Werbung]

Ein langwieriges linguistisches Projekt hat zu folgendem Resultat geführt: Meine Sprache und diejenige meines Gesprächspartners sind gleich in dem Sinne, als ihre Erforschung keine nennenswerten soziolektalen und dialektalen Unterschiede zutage gefördert hat.

Faustregel für meine Versuche, meinen Gesprächspartner zu verstehen: Behandle seine Äusserungen so, als stammten sie von einem Sprecher des Dschungalesischen!

Das scheint Davidson mir zu raten. Ein etwas exzentrischer Ratschlag, keine Frage, aber er ist - praktisch - unschlagbar. Dies wird nur einer bestreiten, der diesbezüglich noch keine die Augen öffnenden Aha-Erlebnisse gehabt hat, was wiederum darauf zurückzuführen ist, dass er von der äusserst naiven Annahme ausgeht, der andere spreche die gleiche Sprache wie er. [Das war zirkulär, sicher, aber ich mache hier Werbung, ich argumentiere nicht.]

Es hat jetzt natürlich keinen Sinn, mir die aberwitzig vielen Fälle auszudenken/einzuwenden, in denen mein Verfahren komplett witzlos ist. Nur auf die seltenen Fälle des gelungenen, rundum befriedigenden, ja beglückenden Verstehens kommt es an.


[fortzusetzen/auszuführen, zu exemplifizieren (erzählen!), zu integrieren]

Freitag, Oktober 24, 2008

Dass es in deinem Kopf rumort, ist beileibe noch kein Zeichen dafür, dass sich bei dir was tut.
"Einige sind schon gestorben, sie wissen es nur noch nicht." (Heinrich Heine)


Die Spülung


Es gibt aller Gattung Leute. Es gibt u.a. welche, die dein Herz erfreuen, und welche, die dir nicht gut bekommen. Letzteren gehst du natürlich am besten aus dem Weg. Aber manchmal geht das halt nicht, und es mag auch schon mal dazu kommen, dass sie dir übel mitspielen. Nun reicht deine Souveränität oder Coolness nicht immer so weit, dass du das nun einfach wegstecken könntest. Die üblen Zeitgenossen drohen sich in deinem Kopf einzunisten. Was tun?

Eine nüchterne, schonungslose Analyse des Widerfahrnisses tut sicher gut. Du treibst sie bis zum Punkt, wo du sie dann getrost abbrechen und stehen lassen kannst. Wohltuend ist auch, wenn du jemanden findest, der sich deine Geschichte anhört. Ein Widerfahrnis gehört zu deiner Lebensgeschichte, und Geschichten wollen erzählt werden. Nichts einzuwenden ist gegen einen kurzen, gut gezielten Racheakt, der keine lange Planung benötigen, sicher keine Debatte einschliessen und dir leicht von der Hand gehen sollte. Leicht sollte er daherkommen und bitter weh tun. Sonst lässt du die Rache besser bleiben. Denn:

Was sich da in deinem Kopf ansammelt und dich umtreibt, ist nichts als ein Haufen Scheisse. Tja, und was da nottut, ist eine Spülung. Hierbei sollte dir jedes Mittel recht sein. Die probate Rache hatten wir schon. Unter Umständen hilft aber auch eine gnadenlose Versöhnungsgeste, mit der du en passant zu verstehen gibst, dass Scheisse von der Art, mit der zu tun hattest, dir deine gute Laune nicht zu rauben vermag. Dein Ton dabei ist ein hoher Ton, der leicht herablassende Ton des Edlen, dem es in seiner guten Laune gerade danach zumute ist, sich zu bücken und ein Stück Scheisse aus dem Weg zu räumen. Na ja, tu, was du willst, aber tu nichts, was die Scheisse in deinem Kopf vermehrt. Es gibt keinen Einwand gegen kein Mittel, das der Spülung dient.

Stell dir vor, du bist umzingelt vom Gesindel und ertappst dich dabei, wie du gedankenverloren und selbstvergessen ein paar Takte Schumann vor dich herträllerst: Du darfst den Verdacht hegen, dass du ein Quentchen von einer Weisheit ergattert hast, von der die ... Nein, du Neuweiser, von Dreck soll hier nicht mehr die Rede sein!

Donnerstag, Oktober 23, 2008

Es kann sich einer irren, verirren, in die Irre geführt werden, sich in die Irre führen lassen oder wie auch immer. Nicht weiter schlimm, schon klar. Ich beispielsweise gehörte mal zum Sympathisantenkreis der RAF.

[Ich habe mich da redlich geschlagen, auch wenn das nicht immer einfach war. Auch Irre(gegangene) ['Irregeführte' mag ich weniger] haben ihre Sorgen und Bedenklichkeiten. So mochten einem zwischen dem Frühstück und den ersten Bierchen die revolutionären, solidarischen und so Aktionen der Stadtguerilla mal nicht gar so toll vorgekommen sein. Und die Bedenklichkeiten zu äussern mochte seine eigenen Verwicklungen mit sich bringen. (Wer wollte etwa schon verraten, dass ihn die bürgerliche Moral immer noch ganz schön im Griff hatte.) Aber in solcher Not half dann eine rote Linie: Keine Distanzierung! Solidarische Kritik ja, aber ... Und es fand sich dann immer irgendeine Gruppierung oder ein Abtrünniger, dessen sich distanzierendes Verhalten sich aufs Korn nehmen liess; man war dann flott bei den Leuten und hielt den andern und sich selbst die Stange und die Reihen solidarisch geschlossen. Und und und ... und wen interessiert's!?]

Nun, die Sache ist dermassen erbärmlich, dass sie keinerlei Aufarbeitung und dergleichen zu verdienen scheint. Die Sache ist Geschichte, eine saudumme Geschichte. Aber es tut irgendwie gut zu wissen, dass man einmal ein riesengrosses Arschloch war. Dass man sich da in was total Bescheuertes und Menschenverachtendes hineinreiten/hineinsteigern konnte. So kann man sich für den Rest des Lebens eine gesunde Skepsis gegenüber so manchem bewahren.


[Ha, ich hasse meinen versöhnlichen Ton. Aber hier komme ich nicht weiter. Beim besten Willen nicht. Drum breche ich ab.]

Sonntag, Oktober 19, 2008

ARD, 20.15. 'Brandmal'. Der Kölner Tatort. Alles da eigentlich, nur die Currywurst hat gefehlt.

Im Rhein, im heiligen Strome,
Da spiegelt sich in den Well'n,
Mit seinem großen Dome,
Das große, heilige Köln.

Kleiner Rundgang: Vom Hauptbahnhof gleich neben dem Dom über die Hohenzollernbrücke und dann rechts dem Kennedy-Ufer entlang bis zur Stelle, wo's hoch geht zur Deutzbrücke. Was dort fehlt, ist die kleine Bude, wo die Herren Ballauf und Schenk nach dem Abschluss eines Falles jeweils ihre Currywurst verdrücken. Über die Brücke und wieder rechts quer durch die Innenstadt zurück zum Dom.

Im Dom da steht ein Bildnis,
Auf goldenem Leder gemalt;
In meines Lebens Wildnis
Hat's freundlich hineingestrahlt.

Du zündest eine Kerze an. Kniest nieder. Betest. Leichtes Erstaunen über dich: Wie selbstverständlich, wie leicht dir die lange nicht mehr geübten Verrichtungen aus den Gliedern fahren, wie leicht die Worte über deine Lippen kommen. Und weil es gerade so richtig katholisch-fromm zu- und hergeht, stellt sich auch gleich ein, was deinem kleinen Rundgang zur vollkommenen Schönheit noch gefehlt hat:

Es schweben Blumen und Englein
Um unsre liebe Frau;
Die Augen, die Lippen, die Wänglein,
Die gleichen der Liebsten genau.

[Heinrich Heine: Buch der Lieder: Lyrisches Intermezzo XI]




Sie saßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

Die Liebe muß sein platonisch,
Der dürre Hofrath sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: Ach!

Der Domherr öffnet den Mund weit:
Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.
Das Fräulein lispelt: Wieso?

Die Gräfin spricht wehmütig:
Die Liebe ist eine Passion!
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herren Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.

[Heinrich Heine: Buch der Lieder: Lyrisches Intermezzo LI]

Weltschmerz: die Welt in rosa Watte eingepackt. Überdruss: eine reinigende Kraft. Beelendung: Welche Dinge auch immer sich einem vorstellen, sie drängen einem ihre wertlose Seite, ihr blosses Sein, auf. Man ist ihrer schon längst überdrüssig, doch sie stehen immer noch im Weg, verstopfen die Welt, stinken unbeirrt vor sich sich hin. Sie stinken durch ihr blosses Vorhandensein. (Langeweile erscheint demgegenüber als erlebte Freiheit.) Alles, was besteht, ist wert, dass es zugrunde geht, schon klar. Doch es fehlt der Grimm des Überdrusses, der das Gezeugs aus dem Weg räumt. Es fehlt die Kraft, sich ihres aufdringlichen Andrangs zu erwehren.

Kommt ein Kater geschlichen ...

Du streckst deine Hand aus: "Ach du ..." Und das schleichende Miezgetier entfaltet eine schnurrende Gegenwart. Sein grosser Blick unter stets wachen Ohren beseelt. Fordert alsbald: Du stinkst hier satt und träge vor dich hin, während mir einmal mehr der Hungertod droht. Wie herzlos von dir, mich hier einzusperren, wie rücksichtslos, mich so lange auszusperren. Fütterung, Entlassung in die Freiheit. Dann

Schleicht ein Kater von dannen ...


[Klar, dann wird ein Blog geschrieben. Hingeschnurrt wird er, der finstre Blog. Ich verstehe die Schwarze Dame schon, dass sie die bekrallten und wohlbeschnauzten Wollknäuel, diese sanften, gierigen, nach Streicheleinheiten heischenden, sich jede weitere Berührung verbittenden Viecher, diese kleinen Nervensägen und betulich auftretenden Meister der Versenkung nicht ausstehen kann.]

Nun liegst du da,
In Versenkung verkringelt.
Ohrenspiel, Pfotenspiel,
Wahrnehmbar kaum.

Dann streckst du dich hoch,
Drehst du dich um dich.
Verkringelst dich wieder,
Verschlummerst sanft.

[Vortragsanweisung: Zwei Betonungen pro Vers. Dann schwingt das Ding auch ohne strenges Metrum.]

Mittwoch, Oktober 15, 2008

consolatio philosophiae


"Meine Absicht war es von Anfang, alles dieses einmal in einem Buche zusammenzufassen, von dessen Form ich mir zu verschiedenen Zeiten verschiedene Vorstellungen machte. [...]
So ist also dieses Buch eigentlich nur ein Album."
(PU, Vorwort)

Eine der vielen zwischen der ersten Planungsphase und dem vollendeten Album gemachten Erfahrungen/Einsichten: "... dass meine Gedanken bald erlahmten, wenn ich versuchte, sie, gegen ihre natürliche Neigung, in einer Richtung weiterzuzwingen."
(ebd.)


["Worauf willst du eigentlich hinaus?" - Weiss ich nicht, muss da jeweils erst meine Gedanken befragen.]

[Es tut schon gut, ein bisschen mit Wittgenstein über gemeinsame Erfahrungen zu plaudern, nachdem man nach einer ziemlich fordernden Probezeit an einer neuen Arbeitsstelle einen negativen Bescheid bekommen hat. - Der Bescheid ist gefasst. Ich stehe auf dem Bahnsteig. Ein Griff in die Jackentasche. Ein bisschen blättern. Für mehr als das Vorwort reicht es heute schon nicht ... Zugankunft. Ein kleiner Blog wird verfasst. Man hat andere Sorgen. Ein Titel muss her! Andere haben andere, und wieder andere haben wieder andere Sorgen. Und jeder muss halt selber schauen. Und da hat halt dann der andere unter Umständen keinen Platz. Ist es nicht schön, dass jeder für sich selber sorgen kann? - Na ja, ein bisschen verbittert bin ich schon.]

["Ich zähle täglich meine Sorgen ... Wenn ich nicht mehr zähle, weiss ich, dass ich dich verlor." - So trief, so albern, so wesentlich. (Richtig! Peter Alexander.) Und wenn man erst in grösseren/höheren Dimensionen denkt: "Siebentausend Rinder! Kinder, Kinder, Kinder! ... Immerzu, lauter Ochsen, lauter Kuh." (Nein. Peter Hinnen.) - Nein, die Schwarze Dame kann diese Liedchen nicht ausstehen.]

Dienstag, Oktober 14, 2008

Laute, Wörter, Sätze 3/103


"Kontrolliert trinken? Nix für dich; du kennst da kein Mass", schrieb der trockene Alkoholiker in sein Kurtagebuch, in der Zeit also, als die durchschnittliche Länge seiner Sätze im Zuge einer um sich greifenen Ernüchterung abzunehmen begann. Und dann das da:
"Leide! Aber tue es kontrolliert!"


Ich lese zwischendurch gern im Heft ('TAGALK') meines Hausgenossen:

"Ich bin alkoholabhängig." (Das ist die halbe Miete, wie er mir heute versichert.)

"Den Alkoholismus vergleichst du am besten mit einer Krankheit wie der Zuckerkrankheit." (Das ist Epikur: Die Götter denkst du dir am besten ...)

"Bier ist etwas Gutes." (Das ist wahrhaftig.)

"Wenn jemand neben dir schweigt, bist du nicht der einzige, der schweigt."

[Thema: das Gefühl, nicht ernstgenomen zu werden:]"Wie du dieses Gefühl pflegen kannst:
1)
Frage dich, was die andern von dir hören wollen.
2)
Worauf es nicht ankommt, ist, ob du überhaupt etwas zu sagen hast oder ob du etwas sagen willst.
3)
Was du sagst, ist sowieso nicht so wichtig. Unterstreiche diese Tatsache durch geeignete Gesten. Achte auf den entsprechenden Tonfall."
(Er hatte den österreichischen Lehrer dabei. Der schlägt ja dann bei jedem irgendwie durch.)

[Hier kommt ein Nietzsche gerade rechtzeitig:] "Nietzsches 'moralischer Imperativ der Natur' (JGB, V, 188): 'Du sollst gehorchen, irgendwem, und auf lange; sonst gehst du zugrunde und verlierst die letzte Achtung vor dir selbst.'"
(Kein Wunder, dass Hochwürden, ein ehemaliger Internatszögling, und der ehemalige Kurgast sich so gern über das Leben hinter Mauern unterhalten. Hand aufs Herz: Die haben ihre Zeit genutzt: Keine Bars, keine Weiber, und viele viele Philosophen.)

[Ein Streit beginnt, oder jemand fängt an zu gifteln:] "Stehst du auch schön in der Schusslinie?"


Und dann versuche ich, ihm nachzueifern. Ich knüpfe beim Leiden an:

Das Leiden hat noch keine(n) so richtig froh gemacht.

Froh zu sein bedarf es wenig, doch ...
Wer leiden will, hat wahrhaft Stoff genug.
(Und wenn es bloss der Stoff ist, aus dem die harmlosesten Geschichten des Lebens geknetet sind.)

Freitag, Oktober 10, 2008

Rubrik: Sprachphilosophie


Meine Art des Philosophierens ist mir selbst immer noch, und immer wieder, neu, und daher muss ich mich so oft wiederholen. Einer anderen Generation wird sie in Fleisch und Blut übergegangen sein, und sie wird die Wiederholungen langweilig finden. Für mich sind sie notwendig.
(Vermischte Bemerkungen, 1929)
[Lies 'Über Gewissheit' von 1951! Du wirst dort ähnliche Sätze finden.]


Die PU können schon ein Quälbuch sein. Zwischendurch mag einen die Ungeduld packen. Man will die Sache nun endlich auf den Punkt bringen und greift dabei zu irgendetwas Formelhaftem, an dem man sich nun festzuhalten gedenkt. (Die Formel wird sicher den Ausdruck 'Sprachgebrauch' enthalten, und vielleicht auch solche Dinger wie 'Sprachspiel', 'soziale Praxis' oder gar 'Lebensform'.) Nun, vielleicht wäre es am besten, an dieser Stelle einfach einen Punkt zu setzen. Doch da schnappt man dann noch schnell eine kurze Bemerkung auf: 'Denke dir nun ...', 'Wie steht es nun aber mit ...', 'Wie könnte nun einer, der ...' und dergleichen. Und das ganze Disaster beginnt von vorne. Du hast vielleicht den Eindruck, du müsstest deine Erfahrungen/Erkenntnisse irgendwie vertiefen, indem du deine Formel, die wieder einmal hinten und vorn nicht ausreicht, erweiterst. Aber: Noch ein paar Paragraphen, und du wirst weitersehen. [Noch ein paar Fortschritte, und wir werden weitersehen. (Enzensberger)] Wittgenstein lässt nicht locker. Er gönnt dir/sich[!] keine Ruhepause. Dein Denken verwickelt sich. Und kein Ende ist in Sicht. Dann schiessen dir vielleicht Wittgensteins Idealvorstellungen durch den Kopf, und du konstatierst, dass du von nichts weiter entfernt bist als davon: Du konstatierst gelassen: "Ich kenne mich (bloss) nicht aus." Du gehst da einer Tätigkeit nach, die du jederzeit abbrechen kannst. Du denkst nicht, du schaust bloss. Du schiesst deine Formeln/Erklärungen in den Ofen und lässt reine Beschreibung an ihre Stelle treten. Die Nebel, die gewisse Wörter umhüllen, lichten sich. Die Seelenruhe kehrt ein. - Pustekuchen!

[Wittgensteins Denken ist obsessiv. Er ist besessen vom Bild der Sprache und des menschlichen Geistes, wie er in unserer Teegesellschaft grassiert. - Einen schwärzeren Gedanken über mein Leben als diesen kann ich mir schwer vorstellen: Der Internatszögling hat sich bei der Lektüre der PU mit dem Virus seines Therapeuten infiziert.]

Nun, Wittgenstein hat gezeigt, was wir tun können: Wir verkrümeln uns aus der Teegesellschaft und begeben uns auf den Spielplatz. Augen auf und zugeguckt!

Ja, es war ein weiter Weg zum Sprachspiel im Par. 2. (Die Erweiterung in Par. 8 denken wir uns natürlich dazu.) Und das ist das Ende des Weges. Will heissen: Jedesmal, wenn neuer Nebel das Denken einzuhüllen droht, verkrümle ich mich auf den Spielplatz.

Die Bedeutung von 'gelb'


Was ist das denn?! - [Der Lehrer arbeitet mit Farbmustern, und er lässt den Schüler nie mehr als drei Bauteile gleichzeitig anschleppen:] "gelb platte dorthin." Dabei zeigt er ein rotes Farbmuster, und sein Finger weist exakt auf eine Pfütze. Der mittlerweile routinierte Schüler begibt sich zum Stapel mit den roten Platten, geht die Reihe der Farbwörter ["blau, gelb, rot"] bis zur zweiten Stelle durch und nimmt für jedes Farbwort je eine (rote) Platte, also genau zwei Platten, und legt diese exakt neben die Pfütze. - Ein Vorgang von allergrösster Durchsichtigkeit, wenn wir bloss aufmerksam hinschauen. - "gelb platte dorthin" + Blick auf Finger und Farbmuster. - Was die Platzierung der beiden Platten betrifft, schiesst uns nebenbei das 'Principle of Charity' durch den Kopf. Das schadet für einmal gar nichts: Der Schüler weiss halt, was gespielt wird [Einbettung der sprachlichen Äusserungen in eine gesellschaftliche Praxis blabla], und er will sich und seinem Lehrer früheren Ärger ersparen. - Ein harmloser Vernebelungsversuch noch: "Steht hier nicht das Wort 'gelb' für einen abstrakten Gegenstand, nämlich die Zahl zwei?" - Der hier ist noch harmloser: "Fungieren hier nicht die Wörter 'blau', gelb' und 'rot' - so wie die Buchstaben des Alphabets in Par. 8 - als Zahlwörter?" - Die Repliken schneien uns ins Gehirn: "Als 'Zählwörter', wenn schon, du Depp!" Der Rest ist Schulterzucken, Gekicher und dergleichen. Wir haben den erstrebten Seelenfrieden erreicht.

"Tja, und was genau ist nun die Bedeutung von 'gelb'?" - "Macht zwei Stunden Spielplatz. Den Bericht darfst du morgen abliefern."


Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, dass er grösser ausschaut, als er wirklich ist. (Nestroy. Motto der PU) - Ich darf ergänzen: Den Fortschritt, den wir erzielen, wenn wir uns auf den Spielplatz begeben, ist bedeutend grösser, als er ausschaut. Die Denkfortschritte hinken da bloss hinterher. Anders: Lass dich vom Fortschritt, den andere, die bereits beim Par. 6nn sind, gemacht haben, nicht zu sehr beeindrucken. [Nestroys Motto als freundliche Lektüreempfehlung: "Ich ziehe zwar weite gedankliche Kreise, aber bloss, weil ich keine Ruhe finde. Lass dich von ihnen also nicht zu sehr beeindrucken."]


[Musste hier einer "die leiter abewerfen, sô (er) an ir ûfgestigen"? - Hier für einmal ein exakterer Quellennachweis: So zitiert in 'Der Name der Rose' Pater Williams gegenüber seinem Gehilfen Adson "einen Mystiker aus (dessen) Heimat".]

Donnerstag, Oktober 09, 2008

Rubrik: Sprachphilosophie


"Wer in ein fremdes Land kommt ..." (PU 32) - Klein Aurelius hat sich in unsere illustre Teegesellschaft verirrt. Der hübsche, aufgeweckte Bengel wird von den Anwesenden mit allerlei Leckereien und erlesenen hinweisenden Definitionen verwöhnt: "Das ist eine Zigarre." - "Das ist Tee." [Tee -> heisses, gefärbtes Wasser -> Bääääh!] - "Das ist ein Sessel."

"Meine Herren, so geht das nicht!" - Ein gelernter Primarlehrer aus Österreich. "Ihr tut so, 'als habe' der kleine Gottesanbeter 'schon eine Sprache, nur nicht' die eure. (ebd.) ... [Ein paar jüngere Herren machen sich Notizen in blauen und braunen Heften.] ... Einen Satz verstehen, heisst, eine Sprache verstehen." (199)

"Äh ... wenn Sie vielleicht ein kleines Paper ... Oder etwas in der Art des 'Traktats' ..." - Der Lehrer ist nicht so gut drauf heute: Es gibt Tage, an denen er Hinweise auf seinen 'Traktat' nicht ausstehen kann. Auch ist ihm die Unzulänglichkeit seiner Darlegungen allzu bewusst. So verkrümelt er sich. Und klein Aurelius nimmt er mit. Zum Spielplatz. Dort baut er mit der Hilfe des Kleinen ein Häuschen. Aus verschiedenen Bauklötzchen. Schon klar. Denn wir sind eben beim zweiten Paragraphen der PU angekommen.


"PU 2. Vow! Nur nichts überstürzen, gell?" - Keine Angst. Hast du den Martin schon bemerkt? Er steht gleich neben der Schaukel. Der findet 'Sprachspiel', und vor allem 'Lebensform', richtig gut. Aber er möchte uns die Szene auf andere Weise erschliessen. Er möchte sein 'Zeug' loswerden. - "Neiiiiiiiin!"

[Lehren durch hinweisende Erklärungen - deuten/(radikal) interpretieren; Lehren durch Abrichten - sich den Erwartungen entsprechend verhalten.]

Mittwoch, Oktober 08, 2008

Rubrik: Sprachphilosophie


Vertreter der 'chattering classes' haben sich zum Tee eingefunden. Sie sitzen allesamt ganz versonnen da und hegen und pflegen jedes für sich seine privaten Gedanken. Alle Gedanken sind schon da, alle Gedanken, alle. Sie können bloss noch nicht kundgetan werden. Das ist schade. Wie angenehm wäre es doch, wenn es gelänge, "gewisse äussere, sinnlich wahrnehmbare Zeichen" zu finden, mit deren Hilfe die Kundgebung angestossen werden könnte. Nun ist es nicht etwa so, dass alle bloss dasitzen würden, ohne einen Laut von sich zu geben. Schliesslich verfügen alle über "jene artikulierten Laute, die der Mensch mit solcher Leichtigkeit und Mannigfaltigkeit zu erzeugen imstande" ist. Alle Wörter sind schon da, alle Wörter, alle. Fehlt nur noch die Sprache; die Zeichen fehlen. Doch nun die zündende Idee: Man nimmt "gerade die Wörter", deren Massenproduktion man ja schon beherrscht, und verwendet sie als Zeichen für seine Gedankenwelt. Das bedeutungslose Wortgeklapper hat ein Ende gefunden; es beginnt das bedeutungsvolle, geistreiche Gespräch.

Einen Haken hat die Sache noch: Die Bedeutung der Wörter "ist auf die Ideen dessen beschränkt, der sie gebraucht, und für nichts anderes können sie als Zeichen dienen". So redet jeder seinen eigenen englischen Idiolekt, und jeder englische Idiolekt ist vom andern, was die Bedeutung betrifft, so verschieden wie von irgendeinem chinesischen Idiolekt. Als freie Engländer sind sie alle geboren: Kein Mensch besitzt "die Macht, andere zu veranlassen, dieselben Ideen im Sinn zu haben wie er, wenn sie dieselben Wörter benutzen wie er." Schon klar also, wie die Geschichte weitergeht: Es wird ein "tacit consent" (ein 'Gentleman's Agreement') gefunden; durch ihn wird die Bedeutung der Wörter zwar enorm "beschränkt", aber die Vorteile für unsere Teegesellschaft sind doch augenfällig.


[Gestöbert in: John Locke: Versuch über den menschlichen Verstand.]

Dienstag, Oktober 07, 2008

[Laute, Wörter, Sätze 2/103]


"'Ich habe damit nichts mehr zu tun.' Wir haben's verstanden: Das Leben ist kein Schleck, und du bist so mancher Dinge überdrüssig. Und sonst?" - Nun, ich mag es, wenn einer in einem Essay über Metaphern etwa davon spricht, dass, wer beim Versuch, ihrem spezifischen Wesen Rechnung zu tragen, einen bestimmten Bedeutungsbegriff sich einschleichen lässt, die quirligen Dinger ums Leben bringt. Von so Dingen kann ich nicht genug kriegen. - "Von 'quirlig' steht bei Davidson gar nichts, und überhaupt wäre hier mal eine Quellenangabe fällig." - Womit wir dann wieder beim Thema Überdruss gelandet wären.

Mein Philosophieprofessor, Herr Georg Janoska, sprach mal in einer Seminarsitzung von seinem Leben nach der Pensionierung: kein administrativer Kram; kein Zwang, langweiliges Zeug nach allen Regeln der Kunst des (u.a.) Zitierens zu veröffentlichen, und dergleichen. Er schrieb ein ganz und gar nicht langweiliges Buch ('Vergeltung und Schuld'). Dann brachte er sich um.

Einer meiner Hausgenossen, der trockene Alkoholiker, befand sich gerade in der Kur, als ihn die Nachricht vom Selbstmord des Mannes, der über lange Jahre mit einem Alkoholproblem gekämpft hatte, erreichte. Da mag den Erschütterten dann ein grosser Überdruss überkommen haben: den Überdruss, noch länger mit dem Alkoholproblem zu kämpfen. Wie wir wissen, hat er diesen Kampf jedenfalls nie wieder aufgenommen.

Der trockene Alkoholiker steht auf dem Kickelhahn ob Ilmenau und blickt gen Süden Er lässt seiner Brust einen tiefen Seufzer entweichen:

"Der du von dem Himmel bist ...
Ach, ich bin des Treibens müde! ..."

Und weiter. Noch wird nicht gestorben: "I fliag zu dir!" Eine Seele "fliegt durch die stillen Lande", und, um diesen Blog durch Abrundung noch stringenter zu machen: Davidsons "thesis flies in the face of contemporary views". [Schon klar, das Wörtchen 'face' muss hier im übertragenen Sinn gemeint sein, denn eine andere Verwendungsweise ist uns ja viel geläufiger: "The Spirit of God moved upon the face of the waters." (S. 248. Hihi)]

Sonntag, Oktober 05, 2008

Petflasche, Ohrstöpsel, ..., als Schiefbemützung die oben ausgebeulte Schachtel eines ehemaligen Leutnants der Swiss Army: Eines dieser unverwechselbaren Individuen ist unterwegs. Es hat das Leben noch vor sich. - Sie werden immer unverwechselbarer. Ich habe damit nichts mehr zu tun.