T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, März 27, 2008

Liebes Tagebuch

Hermann Lübbe spricht von der 'Sprachgewaltsamkeit' Heideggers.

Ich finde nichts, aber auch gar nichts von dem, was Adorno als Gesellschaftsanalyse vorträgt, auch nur halbwegs erträglich. - Warum also mag ich den Adorno? - Lübbe hält Adorno, der ihn mit seiner Verachtung der formalen Logik 'verblüffte', für einen exzellenten Lehrer, der "zur Evidenz brachte, dass der Verstand, der erklärt, was man hört, eben damit die Hörfähigkeit steigert".

Zurück zu Heidegger: Lübbe macht in S&Z einen "hohen Oberton des Aufrufs zur Vereigentlichung" aus. Mit diesem Ton, von dem ich in jüngeren Jahren sehr angetan war, kann ich heute überhaupt nichts mehr anfangen. Das Menschenwesen, das seiner Existenz oder seines Daseins gewahr wird, erlebt eine regelrechte Katastrophe. Eigentlich-Sein ist so attraktiv wie die Seekrankheit oder die Migräne. Es gehört wesentlich zum Menschen in dem Sinne, dass keiner davor gefeit ist. Doch wen es getroffen hat, der tut gut daran, sich Taktiken der Existenzvermeidung zuzulegen. Mir gefällt, mit welcher Härte Heidegger die Seekrankheit beschreibt. Aber ich betrachte sie nicht als ein Rezept. Pfui Deibel! Ich wiederhole: Existenzvermeidung!


["Keine Quellenangaben?" - "Ach ja doch, ich habe wieder mal Zeitung gelesen."]

Mittwoch, März 19, 2008

Rubrik: Existenzphilosophie

Heideggers KEHRE


vorher:
Versammlung des Denkens auf die Verfassung des Daseins.

nachher:
Versammlung des Hörens auf das, was zum Dasein spricht [es anspricht, in den Anspruch nimmt, es denken heisst; das, dem das Denken ein Andenken bewahrt; ...].

Montag, März 17, 2008

Rubrik: Leserfragen

"Wer oder was gibt Ihnen die Impulse zum Denken?"


Zu nennen sind hier in erster Linie Unklarheiten, die eine Beunruhigung darstellen. Mit ihnen setzt das Denken ein.

Hat es erst einmal eingesetzt, nährt es sich zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus sich selber. Das Denken ist nämlich ein Abenteuer, eine Bewegung auf offenem Gelände, wo der Denkende nie sicher ist, wohin ihn seine Bewegungen führen.

So richtig in Schwung gerät das Denken dann, wenn es sich mitteilt. Im Idealfall treffe ich auf jemanden, der sich selber auf einem Denkweg befindet, mir erlaubt, ein Stück dieses Weges mitzugehen, und bereit ist, ein Stück meines Weges mitzugehen.



Kleine Zugabe:

Das Denken ist ein Geschehen, in das man mit andern Menschen, Katzen und vom Mond beschienenen Gesteinsbrocken in offener Landschaft verwickelt ist. Oft ist der eigene Beitrag dazu ein blosses, mehr oder weniger verzweifeltes Strampeln. Auch gelungene Formulierungen, wie ich sie gerne anstrebe, sind keine Endpunkte, sondern bloss Momentaufnahmen, in syntaktische Förmchen gegossene Gebilde, die sich hübsch anhören mögen, ansonsten aber keine höhere Weihe als die des gelungenen Augenblicks geniessen.

Sonntag, März 16, 2008

Rubriken: Existenzphilosophie; Buchprojekt: Versuch über die Langeweile


LANGEWEILE


Alles wird schwer, weil nichts ein Gewicht hat.



Ende Blog. - Noch ein paar Stichwörter:

Das Dasein vor das Sein im Ganzen gestellt, weil ihm das zerstreuende Interesse an diesem und jenem abhanden gekommen ist.

Das pure Sein - [von mir seit eh und je als hell beleuchtete, weisse Wand in einem riesigen Verhör- bzw. Foltersaal gedacht] - sagt einem nichts. Doch damit ist nicht nichts gesagt. Damit ist alles gesagt. [Liebe Leserin, es lässt sich kaum vermeiden: Dieser sprachliche Schnitzer ist schier unvermeidlich:] Das pure Sein sagt einem NICHTS.

Das zerstreuende Interesse als Sammelpunkt für das Dasein, das so der es vernichtenden Eigentlichkeit entgeht. [Hier weiss ich nicht, ob das nun mit oder gegen Heidegger gedacht ist. Na ja, wahrscheinlich beides; mit Heidegger gedacht ist die Chose alleweil.]

zerdehnte Zeit

Freitag, März 14, 2008

[Thema: Anerkennung]

Les Farley


Les Farley (Philip Roth: The Human Stain) hat ein Problem: Er existiert nicht.

Da wird doch der Vietnam-Veteran, der verschiedene Arten von Resozialisierungs- oder Integrationsprogrammen durchlaufen muss, einfühlsam gefragt, ob er schon mal einen Menschen getötet habe.

Diese Frage kommt aus einer Welt, deren erstes Bestreben der Liebe, dem Frieden und der Harmonie gilt. Es ist eine Welt, die - inmitten bedrängenderer Fragen wie der nach den letzten Vorkommnissen im Oral Office - auch für Wesen von andern Planeten ein Herz hat und sie zu verstehen versucht. Das Verfluchte ist bloss, dass unser Vietnam-Veteran der Meinung ist, dass er halt auch irgendwie dazugehöre: "That's what I was supposed to do!" - Ist es etwa ein Teil Ihrer Lebensgeschichte, dass es Ihnen mal widerfahren ist, in eine Lage zu geraten, wo Sie - ich frage das ganz ohne Vorwurf - glaubten, einen Menschen töten zu müssen. (Schon klar: Es muss sich dabei um eine Lage gehandelt haben, wie sie nur auf einem andern Planeten eintreten kann.) Unter uns kommt so etwas nicht vor, aber wir nehmen Anteil an Ihrem aussergewöhnlichen Schicksal und werden Ihnen helfen, wenn Sie sich kooperativ zeigen.

Tja, Les muss erkennen, dass es nicht mehr wie früher ist, als er noch existierte. Das mag eine grimmige Welt gewesen sein, damals, aber mit einer Welt, in der er nicht mehr existiert, kann er halt auch nicht viel anfangen. Die Botschaft seines Kriegskameraden und Freundes, dessen Name auf der grossen Gedenkmauer steht, kommt hingegen aus einer sehr präsenten Realität, in der er sofort Fuss fassen kann: Er tat, was er tun muss: Er beseitigt das verfluchte Hurenpaar und verzieht sich nach Arkadien.

Und ich hinterher. Natürlich gehe ich nicht gleich auf ihn zu oder los, sondern schneide mir weit abseits mein eigenes Loch in den zugefrorenen See. Ich beobachete, wie Nathan Zuckerman zum Seeufer zurückweicht und schleunigst im kleinen Wäldchen verschwindet. Es wundert mich nicht die Bohne, dass er mit einem Mal sein kleines Häuschen verkauft hat und aus der Gegend verschwunden ist. - "Wird er wiederkommen?" - Mein Anknüpfungspunkt. Les vermutet stark, dass das nicht der Fall sein wird. "Es ist schon verdammt finster da unten", sage ich und lache. Les: "See you."

Wir unterhalten uns nicht oft. Aber wir haben - vom Fischfang mal abgesehen - ein paar gemeinsame Themen: Das allmorgendliche Exerzieren bei jedem Wind und Wetter; die peinlich genaue Schuhkontrolle; der Arrest; das Heimweh; das Gefühl der Fremdheit im Heimaturlaub. Und dann halt eben auch die Frage, wie man nicht existiert, nachdem die Institutionen, in denen man aufgewachsen ist, wie vom Erdboden verschwunden sind.


Verwandte Blogs:
The Human Stain
Schuhe

Sonntag, März 09, 2008

Buchprojekt: Der kluge Hausherr

D Müüs im Chälli


Vor Jaaru isch ds Unnerbäch ä Gascht us der Titschwiz in ä Feriu gsi. Uf um Fäld unnerhalb vam Dorf isch är mit dum a iheimischu Püür in ds Gschpräch cho. Wasch de scho uber ds Wätter und d Landschaft gredt hent ka, het dr Gascht värzellt, dass är scho sit Jaaru i psichiatrischer Bhandlig siigi wägu schiiner Angscht. Di Angscht vor allum und jedum nämä im jedi Läbäsfreid und triibä inu fascht i nu Waansinn. Und äs gäbä schlussäntli kei Doktär, wa im no chännä hälfu.

Dr Püür hat mu gseit, ob er mit imu i schiinä Chäller wellä cho. Är heigi da än güätä Tropf Eigunä Sanggermaaner. Dr Gascht isch froo gsi fär jedi Ablänkig va schiinär Angscht und isch mitgangu. Wasch änand züägiproschtut hent, löüft äs chleis Müüsi därdurch. Der Gascht isch, wiä immer, uhefli ärchlipft. Aber dr Püür het mu gseit: "Lüägät jezz das Müüsi a. Das frisst mär dr bescht Chees äwägg. Wenn i mi jezz üfregu, de geit schich di Müüs ga värschtekku und ich cha an nix me anners deichu als di Müüs z jagu. Wägu deschi han ich miinä güät Chees äs bizzji heecher gschtellt und ha witer unnina no än elträ Chees dar gitaa, wa äs tarf dra chnabru. Äsoo bliibt das chlei Müüsi äs chleis Müüsi und isch kei Plaag, wan ich bschtändig dra müäss deichu. Wenn iär d Angscht anämät und ira ärlöübät, in ewwum Chäller z läbä, de heit iär no gnüäg Chraft und Müät firigä fär alli Sachä, wa eww im Läbä wichtig sind."

Dr Gascht isch a dem Tag vellig ins Schtudiäru cho. Wa de är im neegschtu Jaar wider dem Püür bigägnut isch, het är gseit: "Wüsset si, i bi für äs par Tag in e Ferie und miini Fründin, d Angscht, wa in miimem Chäller läbt, het jezz dihei schturmfreiji Bude."


[Hubert Theler: Bo wentär sägä. 64 Gschichtjini. - Die Lautung und wenige andere Dinge habe ich meiner eigenen Vatersprache (und - aus Gründen der besseren Verständlichkeit - nicht etwa meiner Muttersprache) angepasst. - "Ja de woll appa!" (Was denn sonst!) - "Po friili!" (Na freilich!)]