T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, Mai 26, 2010

F: Herr Ibanki, was ist das stärkste Motiv im Menschen?

A: Die Gier.

F: Haben Sie selber schon mal einen Menschen über den Tisch gezogen?

A: Klar doch! Wenn so ein Mensch sich bei mir quer über den Tisch legt, warte ich nicht, bis ein Konkurrent ihn auf die andere Seite des Tisches zieht. Da packe ich schon selber zu.

F: Ein Mensch sollte sich freiwillig über den Tisch ziehen lassen?

A: Sicher. Er will von mir ein Produkt, risikofrei und mit beträchtlicher Rendite. Ich bedaure zunächst, so ein Ding z. Zt. nicht vorrätig zu haben. Er insistiert aber und denkt laut darüber nach, sich in einem andern Laden umzusehen. Tja, und schliesslich bin ich derjenige, der ihm zu dem verhilft, was er nicht lassen will.

F: Ist das richtig?

A: Es ist jedenfalls unblöd.

F: Haben Sie das öfter mal getan?

A: Im Ernst jetzt: Niemals! Ich war Investment-Banker. Ich habe keine Choco-Riegel verkauft.

F: Sondern Hochrisiko-Papiere!

A: Meistens Firmenobligationen. In einem IPO, einem Initial Public Offering. Kurz erklärt: ...

F: Und Sie haben damit innert weniger Wochen ein kleines Vermögen verdient.

A: Nicht immer. Es gab schon auch Tage, an denen ich ein grösseres Vermögen verdiente.

F: So hoch war der Bonus?

A: So gross war mein Anteil an der Differenz zwischen dem ursprünglichen Preis des gesamten Obligationenpakets, das ich der von mir beratenen grösseren Unternehmung abkaufte, und dem Preis, zu dem ich es am Kapitalmarkt wieder verkaufte.

F: Und wer hat Sie bezahlt?

A: Die Bank, die ich bei solchen Käufen immer im Rücken hatte. Sie hatte mir das Geld zur Verfügung gestellt und beteiligte mich nun am von mir erwirtschafteten Gewinn.

F: Ist das gerecht?

A: Etwas anderes wäre doch wohl ungerecht, oder?

F: Können Sie die Leute verstehen, die sich über einen dermassen hohen Verdienst empören?

A: Irgendwie schon, ja. Ich weiss bloss nicht recht, was ich da verstehen soll ...

F: Und wie erklären Sie diesen Leuten Ihren ehemaligen hohen Verdienst?

A: Gar nicht, natürlich.

F: Wieso?

A: Weil mich noch keiner danach gefragt hat.

F: Ich bin aber überzeugt davon, dass die Leute das interessieren würde.

A: Sie wissen genau, dass Ihre Leute das nicht interessiert. Sonst würden Sie danach fragen.

F: Herr Ibanki, werden Sie jemals wieder arbeiten?

A: Das ist eher unwahrscheinlich.

F: Es gibt Leute, die ihr Leben lang hart arbeiten müssen und dabei nicht das verdienen, was Sie innert kürzester Zeit verdient haben.

A: Richtig.

...


[Mein Freund Gary verliert an dieser Stelle definitiv das Interesse am Gespräch und vertieft sich in einen Artikel in der 'Handelszeitung' über die Preisentwicklung von Emerging Market Bonds. Er findet so Zeugs halt nach wie vor ziemlich aufregend, und er mag sich partout nicht langweilen lassen. - Philotustan]

Montag, Mai 24, 2010

[Wir fragen Gary]


Frage: Der Euro-Stabilisierungs-Mechanismus ist eingerichtet, der Euro-Rettungsschirm ist aufgespannt. Klar, ein paar Details bleiben noch zu klären, aber ...

Gary: Ein hübsches, noch ungeklärtes Detail: Soll der vorgesehene Fond schon bestehen, oder soll er erst bei Bedarf mit den nötigen Mitteln bestückt werden? - Stell dir vor: Spanien steht vor der Insolvenz, und jetzt erscheinen auf dem Kapitalmarkt ein paar hochverschuldete Staaten mit dem Antrag auf einen kostengünstigen Kredit, den sie dazu verwenden wollen, einem höchstverschuldeten Staat einen Kredit zu gewähren. - Und überhaupt: Solange es im Kässelchen nicht klingelt, ist da nichts eingerichtet und nichts aufgespannt. Der Fond (EWF, Soli- Rettungsfond, ...) existiert schlicht nicht. So einfach ist das.

F: Aber den EU-Menschen ist es schon ernst, oder?

G: Und wie! Hör mal, wie in meinen Ohren klingt, was da aus Brüssel in sie dringt: Die EU-Kommission betont nachdrücklich, dass sie entschlossen an einem noch zu konkretisierenden Plan arbeite, der vorsehen werde, die seit nunmehr zehn Jahren geltenden Stabilitätskriterien für die Euro-Zone energisch durchsetzen zu wollen.

F: Wird Griechenland vielleicht doch noch pleitegehen?

G: Das Land ist pleite. Man könnte sich ja nun etwas ausdenken, wie die Sache einigermassen schadlos abgewickelt werden kann. Aber man kann natürlich auch pausenlos gegen meinesgleichen wettern.

F: Könnte es sein, dass du da etwas empfindlich reagierst?

G: Schon, ja. Aber keine Sorge: Meistens bringt mich das pathetisch-dämliche Gequatsche doch eher zum Kichern. Wenn das Stück bloss nicht so entsetzlich langweilig wäre! ...

F: Magst du mal über deine Arbeit plaudern?

G: Wieso?! Jedermann weiss doch, was ein Mensch wie ich tut! Steht doch überall geschrieben! Man weiss ja, und gegen so ein 'man weiss ja' ist keine Schilderung gewachsen.

F: Wenn etwas dagegen gewachsen ist, ist es eine Schilderung!

G: Nicht, wenn die Leute nicht wissen, wovon die Schilderung eine Schilderung ist. Wenn sie keinen blassen Schimmer haben ...

F: Versuch's doch einfach mal!

G: Ok. Mal sehen ...

Sonntag, Mai 23, 2010

Hi!

Mein Name ist Gary Ibanki. Ich übernehme. Nein, keine feindliche Übernahme. Für den Philo ist das schon ok. Der hat im Moment nur noch Zahlen und gewöhnungsbedürftige Konzepte (yield to maturity, return rate, coupon bond, present discounted value) im Kopf. Die kriegt er aber nicht flüssig auf die Reihe. Drum ist es ihm gerade recht, wenn hier ein anderer ein bisschen Schwung reinbringt.

Ich mag den Philo. Der versteht schon was vom Leben. Ora et labora! Immer ein bisschen Maschinenwartung, gepaart mit philosophischen Betrachtungen. Im Grunde genau mein Fall, bloss die zeitliche Verteilung ist bei mir etwas anders: Einmal im Leben gewaltig viel Arbeit, und dann nur noch philosophische Betrachtungen. Auch eine Variante des Kommunismus. Der Kapitalismus macht's möglich. Ja, der Philo und ich haben viel gemeinsam.

Nun, ihr werdet es schon vermutet haben: Ich war mal Investment-Banker. Na ja, irgendwie bin ich es immer noch. Die Arbeit war halt schon richtig schön aufregend. Und mein Herz hat sich von diesen Dingen ja nie losreissen können. Warum sollte es auch? Spannend bleiben diese Dinge alleweil. Es freut mich auch sehr, dass der Philo sich jetzt einen Business-Calculator angeschafft hat. Ich kann mich jetzt richtig gut mit ihm unterhalten. Der olle Knabe ist zwar etwas langsam geworden, aber im Prinzip lernfähig geblieben. Ich denke, er mag mich auch. Er liebt halt nun mal Leute, deren Herz hörbar für etwas schlägt. Sei das nun die soziale Gerechtigkeit oder die Zwölftonmusik oder eine Methode zur adäquaten Bestimmung des sogenannten Zinssatzes. (Ja, VWL ist out. In ist jetzt die Finanzökonomie.)


Ich solle aufhören, rät mir der Philo. Das genüge für den Anfang. Ok. Dann bis bald

Gary

Sonntag, Mai 16, 2010

[Nachtrag zum letzten Blog]


Klar, es fällt nicht schwer, all diese Rettungspakete und Stabilisierungsmechanismen und ... von EU/IMF/EZB zu kritisiern. Die Frage ist, worum es dabei eigentlich geht. Nun, ich vermute mal, dass hier versucht wird, eine grössere Finanzkrise zu verhindern. Es dürfte sich jedenfalls lohnen, genau hinzusehen, was sich im Bankensektor der am meisten gefährdeten Staaten abspielt. Dazu ein paar Stichworte unter Bezugnahme auf eine fiktive portugiesische Bank:

Aktiven: Kredite: Hypotheken + hoher Anteil an einheimischen Staatsanleihen [1]

Passiven: hohe Verschuldung im Interbankenmarkt

Ein Problem entsteht, wenn die Bank ihre Schulden im Interbankenmarkt nicht mehr refinanzieren kann. [2] Das Szenario, das mir vorschwebt, gleicht demjenigen, das 2008 in den USA bestand. Ich versuche die Politik mal so zu verstehen, dass sie einer solchen Entwicklung vorbeugen will.


[1] Der Kauf dieser Papiere durch die EZB könnte die Bank vor der Insolvenz bewahren.

[2] Dazu ein Satz aus dem 'Economist': These credit lines [die kurzfristigen Kredite auf dem Interbankenmarkt] need to be rolled over regularly and their price and availability depend on the creditworthiness of the government. - Grundlinie: Die hohe Staatsverschuldung könnte die einheimischen Banken vom Interbankenmarkt abschneiden. [Die Banken trauen einander nicht mehr ... Das kennen wir doch ...]


[Ach Gottchen, ich habe tatsächlich den Ehrgeiz, solche Dinge zu verstehen, ohne mir durch den Wust an öffentlichen Erklärungen und vorschnellen Kommentaren (auch in seriösen Blättern) den Kopf vernebeln zu lassen. Braver Philotustan!]

Es geht auch so? - Geht es so auch?


Ich lese dies und das:

Die Gesamtverschuldung Japans beträgt 200% des Bruttoinlandprodukts (BIP). -
Vow!

Der laufende Staatsetat Japans wird zu deutlich mehr als 50% durch Neuverschuldung finanziert. -
Hoppla! Bisher dachte ich immer, ein Budgetdefizit sei ein Loch im Etat. Aber was ist hier das Loch? Interessant! [1]

Einiges kann ich mir auch selber locker zusammenreimen:

Wenn in Griechenland alles ganz prima läuft, wird das Land mit Hilfe der Kredite von EU und IMF bis Ende 2012 seine Schulden bedienen und die jährlichen Budgetdefizite finanzieren können. (Das diesjährige Budgetdefizit beträgt 13.6% des BIP, und gemäss den Auflagen des IMF muss die im Euroraum geltende Traumgrenze von 3% erst 2014 erreicht werden.) -
Prächtig! Also kommt es doch noch zu einem Staatsbankrott! [2]

[Und so weiter und so fort. Ich lese dies, ich lese das, ich stelle kleine Milchbüchleinrechnungen an. Manchmal bin ich doch sehr erstaunt oder ich frage mich, ob dies und das eigentlich schlimm ist. Nun, offensichtlich geht es auch so, in Irland, in Deutschland, in Spanien, in den USA, in England, in ... [3]]

Die Netto-Auslandverschuldung der portugiesischen Banken beträgt 46% des BIP. -
Ist das schlimm? - Eigenartig ... Auf einmal habe ich das Gefühl, das gehe nun wirklich nicht. Klitzeklatzekleine Panikattacke. Ein bisschen nachdenken, ausgiebig schlafen und dann vielleicht einen Blog darüber schreiben ...


[1] Um die laufenden Ausgaben finanzieren zu können, muss Japans Neuverschuldung durch steuerliche Einnahmen komplettiert werden.

[2] Die Gesamtschulden des Landes werden sich dann auf deutlich über 150% des BIP erhöht haben [Das nennt man sparen], und die nächsten Budgetdefizite müssen natürlich auch finanziert werden. (Wie gut, dass ich nicht der Chef der Deutschen Bank bin und so meine Milchbüchleinrechnungen hier unbekümmert niederschreiben kann!)

[3] Nein, in der Schweiz geht das nicht. Die überbietet die Maastricht-Kriterien. Um eine Bemerkung des gutgelaunten Josef Ackermann bei Maybritt Illner aufzugreifen: Wenn die Euro-Staaten ihre guten Vorsätze in die Tat umsetzen, ist es nicht ausgeschlossen, dass sie eines Tages der Schweiz beitreten können.

Montag, Mai 10, 2010

[Zwei kurze Blicke in die Zukunft und zurück zum Tagesgeschehen]


(Die nicht so ferne Zukunft:)
Die EU-Kommission kündigt eine Erhöhung der EU-Steuer an.

(Die absehbare Zukunft:)
Die EU-Kommission ergreift Massnahmen gegen die wachsenden Angriffe von Spekulanten auf die gemeinsame Währung. Die zentrale Massnahme besteht in der schrittweisen Einführung einer EU-Steuer, die es der Kommission erlaubt, sich schrittweise von ihrer Abhängigkeit vom Kapitalmarkt zu befreien.

(Die unmittelbare Gegenwart:)
Zu den zentralen Massnahmen des soeben beschlossenen 'Europäischen Stabilisierungs-Mechanismus' gehört die Ermächtigung der EU-Kommission, in Zukunft als Emittent von Anleihen am Kapitalmarkt aufzutreten.

Samstag, Mai 08, 2010

[Tagesgeschehen]


Druckerpresse, Solidarität und Geldsegen


Wie schön wäre es doch für einen VWL-Studenten, einen Staatsbankrott mal live mitzuerleben! Aber er muss sich wohl noch etwas in Geduld üben. Gut möglich, dass Griechenland mit den 110 Mrd. Euro von EU und IMF seinen laufenden Zahlungsverpflichtungen am Kapitalmarkt nachkommen und seine Budgetdefizite finanzieren kann. Gut möglich, dass die griechische Regierung die harten fiskal- und arbeitsmarktpolitischen Massnahmen erfolgreich durchführt. Gut möglich, dass das Land in keiner Deflation versinkt. Aber dann! Aber dann! Dann beginnt alles von vorne: Ende 2013 wird das Budgetdefizit zwar nur noch die vorgeschriebenen 3% des BIP betragen, aber die Gesamtverschuldung des Landes wird sich auf 150% des BIP erhöht haben (die Kredite der EU und des IMF nicht eingerechnet) ...

Aber ich will ehrlich sein: Ich mache mir da keine Hoffnungen. Die Länder der Eurozone werden einen Bankrott Griechenlands verhindern. Die werden einfach weiter zahlen. [Heute noch nicht gekotzt? Dann lasst es mich so ausdrücken: Sie werden aus Solidarität und gesundem Eigeninteresse heraus alles in ihrer Kraft Stehende tun, um die Attacken der Spekulanten zurückzuschlagen und das Vertrauen in die gemeinsame Währung weiter zu stärken.] Aber dann bleibt immer noch die Hoffnung auf ein anderes spektakuläres Ereignis:

Anfangs Woche hat der Chef der EZB, Monsieur Trichet, mit energischen Worten verneint, dass seine Institution plane, bedrängten Staaten ihre Staatsanleihen direkt abzukaufen. Das ist der Hoffnungsschimmer! Immerhin wird darüber geredet, die Druckerpresse in Gang zu setzen. (Direktkäufe von Staatsanleihen durch die Notenbank, um durch unverantwortliche Spekulanten unter Druck geratene Regierungen in ingewöhnlichen Zeiten durch ungewöhnliche Massnahmen angemessen zu unterstützen - Leute, ich hab das Zeug zum EU-Sprecher!) Ein Traum könnte wahr werden: Geld, Geld, und kein Ende. Was tut man nicht alles, um die Stabilität der Währung der Eurozone zu stärken! Ich glaube schon (noch), dass Monsieur Trichet am kommenden Montag erneut klare Worte finden und die Hauptaufgabe der EZB hervorstreichen wird. Aber ich sage dann: Mami, sie haben schon wieder darüber gesprochen! Und ich darf dann weiter hoffen, dass das Unvorstellbare doch noch zum lebendigen Fallbeispiel wird, so wie dereinst beispielsweise in Vorpommern, wo einer nach ein paar Monaten Hyperinflation mit den Ersparnissen aus 20 Jahren gerade mal einen ganzen Hering käuflich erwerben konnte.


Philotustan, vom Typ her Sparer, stolzer Besitzer von ein paar Markstücken und heilfroh, in einem Land zu wohnen, das in seiner Weltoffenheit sich dem bornierten Europa gegenüber eher reserviert verhält. - Mit einem besonderen Gruss an meine lieben Freunde in Deutschland. Gehabt euch wohl! Und tragt Sorge zu eurer Mark!