T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, September 30, 2005

Thema: Flat Tax

Und Hegel hat doch recht


Frank A. Meyer ist ja kein Dummkopf. Er wird sich bestimmt etwas dabei gedacht haben, als er kürzlich bemerkte, dass "Denken und Welt" der Befürworter einer Flat Tax "auf einem Bierdeckel Platz" haben.

Und er hat doch recht! Das müsste eigentlich jedermann einleuchten, der zwei und zwei zusammenzählen kann und nicht gerade vom Virus des Neoliberalismus befallen ist. Flat ist nicht progressiv und damit "sozial zutiefst ungerecht" (Gerhard Schröder im TV-Duell mit Angela Merkel, die ihm darauf nichts zu entgegnen wusste). Die Steuern massiv senken und den Staatshaushalt im Gleichgewicht halten oder sogar einen Überschuss generieren? Quatsch! Kein vernünftiger Mensch fällt darauf herein. Sobald er mehr als einen Bierdeckel braucht, um seine Gedanken darlegen zu können, muss er zum Schluss kommen, dass so etwas nicht funktionieren kann. Auch die Befürworter sollten eingestehen, dass ihre Überlegungen zumindest nicht plausibel sind.

Einverstanden! Plausibel mag die Chose nicht sein. Und von mir aus auch nicht vernünftig. Was für die Flat Tax spricht, ist eigentlich nur eine Reihe von Tatsachen. Ich denke hier an Erfolgsmeldungen aus den mittlerweile neun Ländern, die die Flat Tax eingeführt haben, entsprechende positive Berichte der OECD, Haushaltüberschüsse, Verdreifachung der steuerlichen Einnahmen und so'n Zeugs. Wie gesagt, Tatsachen, und nur Tatsachen, sprechen dafür. Und sonst rein gar nichts!

Wenn aber ein Konzept ganz unvernünftig ist und wenn seine praktische Umsetzung Tatsachen generiert, die jeder vernünftigen Prognose spotten, dann können wir kaum anders, als uns unserem Titelhelden anzuschliessen: "Umso schlimmer für die Tatsachen!"

Ich verzichte hier darauf, Tatsachen anzuführen. Ich will ja niemanden von irgendwas überzeugen. Und aus blossen Tatsachen - so lehrt mich ein durchaus vorhandener Mangel an Naivität - lässt sich natürlich kein Konzept ableiten. Ferner hat, wer sein Wissen punkto Fiskalpolitik auf ein paar Faustregeln à la 'flach ist nicht ansteigend' beschränkt halten möchte, zumindest die Bundesverfassung auf seiner Seite (Reich Ranitzki: "Ich muss nicht alle Bücher, über die man spricht, gelesen haben. So steht es im Grrrundgesetz geschrrrieben!").
Wer sich informieren will, kann das tun. Und er wird sich darüber freuen, dass sich im Wirtschaftsteil der NZZ immer wieder kleine Artikelchen finden wie das vom 30.09.05 mit dem Titel:
Haushaltüberschuss in Rumänien. Weiterer Erfolg einer Flat-Rate-Tax.
Und dann werden ein paar für mich geradezu amüsante Tatsachen aufgeführt. Na ja, auch die Tatsachen sind nicht mehr, was sie mal waren.

Rubrik: Deutsch für Schwerstfortgeschrittene

Sitcom


Ich mag Sitcoms und bewundere ihre Hersteller. Salven von Pointen zu schreiben, die nie fad oder ausgelaugt wirken, will gekonnt sein. Und man muss ein rhythmisches Talent besitzen, um den richtigen Bogen von Pointe zu Pointe zu spannen. Das verträgt keine Schlaffheiten oder Überspannungen. Die Dinger müssen sitzen. Und der Effekt: leichte Stimmung und gute Laune.

Sitcom heisst zu Deutsch "Kicherglotz". "Kicherglotz" ist sächlich. "Er vollendete sein Tagewerk, erledigte noch rasch die Steuererklärung und stürzte sich wohlig in das Kicherglotz."

Näheres findet sich in Band 2 meiner unveröffentlichten Werke unter dem Titel:
Das Kicherglotz: Regeneration oder Regression?
Das Allotria im Zeitalter der gleichnishaften Wiederkehr des Albernen

(Oder war's doch die alberne Wiederkehr des Ewigen? Der genaue Wortlaut des Untertitels ist mir leider entfallen. Und ich hab den Text grad nicht zur Hand.)

Donnerstag, September 29, 2005

Rubrik: Lebensweisheit

Nichts verleiht
mehr Überlegenheit,
als ruhig und
unbekümmert zu bleiben.

(Thomas Jefferson, 1743-1826 USA-Präsident,
Verfasser der Unabhängigkeitserklärung)

Rubrik: Existenzphilosophie

"Ach wie flüchtig, ach wie nichtig"
[Kantate zum 24. Sonntag nach Trinitatis, BWV 26]

Futility


[futile: adj producing no result; useless; pointless]

Philip Roth: The Professor of Desire. - Ich erinnere mich: David Kepesh in Prag. Gespräch mit einem Lehrer, der unter dem kommunistischen Regime nicht mehr unterrichten darf und der nun Melvilles "Moby Dick" ins Tschechische übersetzt, obwohl keine Aussicht auf Veröffentlichung besteht. Das Wort "futile" ist bei mir hängen geblieben. Der Mann erklärt, er übersetze mit grosser Ernsthaftigkeit, im Bewusstsein der "futility" seines Unterfangens.

Jahre später lese ich Roths "The Dying Animal": Der Ich-Erzähler (David Kepesh) spricht über sein Klavierspiel und verrät uns dann, was das 'Thema' seiner Erzählung ist:

I have a huge amount of music that I've read through. That's a technical term - it doesn't mean looking at it like you look at a book, it means at the piano. I've bought a lot of music, I have everything, piano literature, and I used to read it, and I used to play it, badly. Some passages maybe not so badly. To see how it worked and so on. It wasn't good in terms of playing, but I had some pleasure. And pleasure is our subject. How to be serious over a lifetime about one's modest, private pleasures.
(Vintage TB, 93f [Hervorhebung von mir])

Der Lehrer in Prag weiss um die Nutzlosigkeit seines Unterfangens. Und er betreibt es mit grosser Ernsthaftigkeit. -
David Kepesh pflegt seine kleinen Freuden. Und er versucht, sie/sich ernst zu nehmen. -
Richard Rortys liberaler Ironiker weiss um die Zufälligkeit auch seiner tiefsten Überzeugungen. Und er vertritt sie mit Ernst und Nachdruck.

Der Findling [To do: Verweis!] verfügt über so was wie ein Sinn-Organ, das ihm sein Tun immer wieder fragwürdig erscheinen lässt. Er kann es nicht schlicht dabei belassen, etwas zu tun, sich einer Sache völlig hinzugeben oder in ihr aufzugehen. Er wird zwischendurch auf sich selbst zurückgeworfen. Und diese 'Reflektion' scheint mir beileibe keine Horizonterweiterung oder Vertiefung oder ähnliches zu sein. Sie erscheint mir eher als hemmendes, lästiges Anhängsel, das dem freien Blick und dem Sich-Einlassen auf das Zeug, das die Welt ausmacht, im Weg steht.

In der Lebensspanne jedes Findlings mag es Momente geben, wo er Heideggers Analyse des 'Man' nur mit einem "Schön wär's!" quittieren kann. Der klare Blick des Findlings muss ein tapferer Blick sein. Und ein trotziger dazu: "Und zum Trotz fahre ich nun ernsthaft weiter!" Eine gute Mischung aus Trotz und Gelassenheit scheint das Rezept zu sein, die Existenz zu bestehen. Wer gegen die Welt anrennt, stösst nur besonders brutal wieder auf sich selber. Biegsam bleiben, sich einlassen auf Zeug, auch das Zeug anderer Findlinge, sich in den Ritzen und Poren der Gegenständlichkeit verkriechen, daselbst Schutz suchen vor den Gewittern, die periodisch über das Dasein hereinbrechen, daselbst sich im gnadenhaften Zustand der Selbstvergessenheit eines Kindes verlieren, das seinen Blick neugierig auf so viel Gezeugs und Gewürm und Getue, auch dasjenige seltsamer Findlinge, zu richten vermag: Das sind Aussichten! Und ein brutal-eleganter Abschluss dieses Blogs sind diese 'Aussichten' obendrein.

[Hoppla! Das alles hat ja mehr mit meinem Findling zu tun, als ich eingangs dachte. -
Das Problem der Architektur meines Buches stellt sich. - Wie wär's mit einem Buch, in dem man wie im Internet surfen kann? Von Kepesh geht's zu Heidegger oder Rorty, von Heidegger zum Findling, von der Existenzphilosophie zum Begriff der Anerkennung, von dort zur AA und dann wieder via Anerkennung zum katholischen Priester, der den erschöpften Leser dann via Augustinus zur Ruhe in Gott führen mag, oder so, oder ganz anders.]

Dienstag, September 27, 2005

Thema: Flat Tax

[Dieser Blog fungiert als blosser Platzhalter.]

[Bestnoten der OECD für die Slowakei.
Erstes Mitgliedsland mit einer Flat-Rate-Tax.
NZZ, 27.09.05]

Montag, September 26, 2005

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Der Alkoholiker

Der anerkannte Alkoholiker
oder
Warum die AA so erfolgreich ist


Herr C ist ein trockener Alkoholiker. In seinem Hauswesen wohnt ein Alkoholiker, dem er einen eigenen kleinen Wohntrakt zugewiesen hat. Die beiden kommen gut miteinander aus. Ab und zu lädt Herr C seinen Hausgenossen sogar zu einem kleinen Schwatz in sein ansonsten sorgsam gehütetes Privatzimmer ein. Dann entzügeln die beiden ihre Phantasie und schicken sie auf schwankende Beizen - und Bierzelttouren, oder sie quasseln etwa über die ab und zu doch ganz erträgliche Seichtigkeit des Seins im süss-dumpfligen Permarausch. Nur eine Hausregel muss dabei immer eingehalten werden: Der Alkoholiker muss die Flasche in seinem Wohntrakt zurücklassen. Denn der Hausherr hat eine persönliche Verhaltensregel, die da in aller Schlichtheit lautet: "Das erste Glas stehen lassen!" Und als kluger Kämpfer weiss er, dass das besagte Glas nicht unbedingt unmittelbar vor ihm stehen muss. Ein tapfererer Kämpfer würde das zulassen, gesteht er sich ein, und fügt mit einem kleinen Schmunzeln hinzu: "Doch ach wie bald muss sich ein wagemutiger Recke bei einem wohlverdienten Gläschen von den Strapazen des Kampfes erholen!"

Herr C hat kapituliert. Der Krieg gegen den Alkoholismus ist vorbei. Selbst die Spannungen des Waffenstillstands sind abgeklungen. Herr C hat eine neue Front bezogen. Er kämpft nun gegen seinen[!] Alkoholkonsum. (Was muss er lachen, wenn er des Antialkoholismus verdächtigt wird ...) Und diesen Kampf führt er auf ganz individuelle, der jeweiligen Situatione angepasste Weise, mit Klugheit und Leichtigkeit (Verbissenheit und das Sich-Einlassen auf taktische Verwicklungen führt bestenfalls zu ehrenvollem Scheitern), aber unerbittlich. Tja, da gibt es keine langen Überlegungen, kein Bitten und Betteln, keine Erklärungen. Dauerhafter Friede herrscht nur, wenn das Glas weit weg ist. Wer das Glas in seine Nähe schiebt, wird erschossen. Was soll man machen? So leicht hat's man nun auch wieder nicht.

Den Alkoholiker anerkennen bedeutet für ihn, vor der Droge Alkohol zu kapitulieren. Und gerade dadurch wird er stark. Denn jetzt kann er seine Kräfte anderweitig einsetzen.

Und bevor dieser Blog in eine Sonntagspredigt ausartet, schliesse ich ihn hiermit ab. Ich werde Herrn C fragen, ob er eventuell bereit ist, uns ein paar seiner speziellen Tricks und Durchhalteparolen zu verraten. Er ist ja nunmehr seit gut 15 Jahren trocken. Da müssen sich in seinem Waffenarsenal doch einige ganz brauchbare Mittelchen angesammelt haben. Es wird aber ziemlich viel Überredungskunst von meiner Seite brauchen, damit er sie preisgibt. Denn der betagte Krieger [So versteht er sich selber] hat auf entsprechende Bitten bisher regelmässig mit einem grummeligen "Wen interessiert's?" geantwortet. -

Und da mag er halt nicht so unrecht haben.

[To do: Herr C verrät uns seine Tips und Tricks]

Rubrik: Lebensweisheit

Was hier - so süss und ach so einfältig - einsetzt, hätte sich gut und gern zu einem Rondo capriccioso entfalten können, wäre der wiegenliederliche Sänger nicht dem Drang, dem Schlaf sich zu ergeben, allzu bald erlegen:

Ergebung


(Für Sibylle in Berlin)

Gib mal dem einen nach.
Dann gib dem andern nach.
Gib allen beiden nach.
Husch ab ins Schlafgemach.
Sag öfter mal "Gemach!
Gemach!"

Gemach!
Du warst doch heut schon dran.
Nun kommt auch mal das andre dran.

Gib mal dem einen nach.
Dann gib dem andern nach.
Gib nach ...
...

bzzzzz ...

Vielleicht gibt ihm der Herr was Besseres im Schlaf.

Dienstag, September 20, 2005

Rubrik: Existenzphilosophie

Der Findling


Ich beginne mal mit ein bisschen philosophischer Terminologie:

Martin Heidegger spricht vom Dasein oder der Existenz.
Peter Sloterdijk spricht vom Findling.

Das Dasein ist, wie allgemein bekannt, nicht einfach ein Seiendes unter Seienden; es ist nicht bloss vorhanden. Es ist das Seiende, das nach dem Sein fragt, weil [Sehr gewagt, Philotustan!] es ihm in seinem Sein um sein Sein geht. Es ek-sisitiert, ist hinausgehalten ins Nichts, in die Welt geworfen, in der Sorge.

Auch der Findling ist nicht einfach bloss vorhanden; er ist vielmehr das Wesen, das (wie bestellt und nicht abgeholt) sich vorfindet. Es hat ihn ins Flachland verschlagen.

Wie der Findling sticht das Dasein aus der Welt heraus. Es verschmilzt nicht mit ihr, liegt nicht weich eingebettet in der Welt. Es stösst immer mal wieder an die Grenze der Welt, nämlich dort, wo die wohligen Selbstverständlichkeiten jäh aufhören, wenn es auf das Fragwürdige [Vorwärts, und nicht vergessen: die Bindestrichelei!], nämlich auf sich selber, stösst.

Der Koautor eines grossen Readers über die Gnosis und Verfasser der Schrift mit dem magnetisierenden Titel 'Weltfremdheit' hat mit dem Findling ein grossartiges Bild in die Existenzphilosophie eingeführt. Na ja, jedenfalls ist es ein Bild, das mich zu exakter Träumerei einlädt.

Wir Menschen sind Findlinge. Es hat uns in die weite Welt verschlagen. Da finden wir uns nun vor und fragen: Was fang ich mit mir an, was mit all dem Zeug, was mit den andern Menschen? Was hab ich damit zu tun?

Wir versuchen nun, es uns in dieser Fremde heimisch einzurichten. Viele Einrichtungen sind schon da: die Mutter, die Kirche, die Dorfgemeinschaft, die Familie, der Verein. Das alles gibt Geborgenheit, und es beengt. (Sogar die freiste dieser Einrichtungen, die Freundschaft, kann eines Tages beengend werden.) Und so hat die Erkenntnis, dass wir im Grunde allein sind, zwei Auswirkungen: Sie wirft uns aus vertrauten Bahnen, und sie befreit. Und dann stehen wir erneut in offenem Gelände und müssen/können uns die Fragen erneut stellen: Ich, die andern und das ganze Zeug: Was ist damit? Und die Antworten, die wir dann finden, sind stark, weil verwurzelt in einem Wesen, das sich verloren und wiedergefunden hat. -

Die Situation ist voller aufregender Spannung: Wir erleben uns als frei, ob wir es wollen oder nicht. Und wir erleben uns als abhängig von allen möglichen Dingen. Wir sind stark, weil wir Einsamkeit in unwirtlicher Gegend ausgehalten haben. Und wir wünschen uns nichts mehr als den Schutz einer Hütte, wo wir uns voll ergeben können. Wir sind Kälte gewohnt und suchen das warme Feuer. Wir sind abgehärtet und zerbrechlich. Wir sind ungebunden und liebesbedürftig. Gottes Kreaturen, mit seinen Gaben reich beschenkt und schwer beladen, geschaffen am sechsten Tag. Und auch an diesem Tag sah der Herr, dass es gut war. -

"Fein, Philotustan. Aber wie wär's mit etwas mehr Aufbauendem. Der Herr, der mit seinem Werk zufrieden ist, reicht mir nicht ganz. Es gibt doch auch die Liebe ... ". -
OK. Die grossen Steinbrocken, die es in der letzten Eiszeit ins Flachland verschlagen hat, finden sich dort nun vor, schauen sich - ein klein wenig verdattert - um, versuchen sich zurechtzufinden. Und die Liebe, verstanden als teilnehmende Neugier, hilft ihnen dabei. Sie sind unverwechselbare Wesen. Jedes hat seine spezifische Geschichte. Jedes ist allein. Und aus diesem Wissen heraus können sie ganz unspektakuläre, aber unverwechselbare Beziehungen untereinander eingehen. Ja! Die Liebe ist etwas, was dem Findling eine eines Menschen würdige Behausung gibt! -
"Das hast du aber schön gesagt, Philotustan. - Ach übrigens, könntest du das nicht in deine neuste Nichtveröffentlichung aufnehmen?" -
Daran habe ich eigentlich nicht gedacht. Aber vielleicht liesse sich da was via 'Anerkennung des Findlingsstatus' machen. Werde dem mal nachgehen.


[Nachbemerkungen:
1)
Gewiss sieht sich nicht jeder Mensch vor existenzielle Fragen gestellt; aber solche Fragen zu stellen ist doch sehr menschlich. Keiner ist grundsätzlich gegen sie gefeit. Sie können über Nacht in unser Leben hereinbrechen. Eben war die Welt noch in Ordnung, und dann das!
2)
Wäre ich akademisch tätig, müsste ich das, was ich hier anrichte, mit korrekten Zitaten und Literaturangaben garnieren/bereichern/veredeln/(ver)salzen. Sollte ich? -
Kein Mensch muss müssen, und ein Pöstler müsste? -
Lieber stell ich hier mit dem Peter an, was der mit dem Martin angestellt hat: Erneuerung des Vokabulars, Weiterspinnen von Fäden, Abschneiden von Langfädigem; und ein eine Spur leichtfüssigeres Auftreten als das der Denkwurzel aus dem Schwarzwald wird immer wieder gern gesehen.]

Sonntag, September 18, 2005

Thema: Opa erzählt 1

Feminismus


[Wir dachten ja schon, er sei eingeschlafen. Er hatte lange unbeweglich und mit halb geschlossenen Augen auf den Bildschirm geglotzt, wo die wie immer gut gelaunte Alice Schwarzer einem unerbittlichen Bedenkenträger und Schwerenöter ein paar Takte aus Heinrich Heine vorsang, die schöne alte Weise von denen, die schon gestorben sind und es bloss noch nicht wissen. Doch dann legte er los, unser Opa, mit seinem Abendständchen:]

Ja, die Feministinnen damals. Ich war 17 Jahre lang mit so einer zusammen. Ich war ja immer dafür. Ich konnte gar nicht anders. Sie haben mich oft zum Lachen gebracht. Und glaubt mir: Wir hatten nicht viel zu lachen, in der organisierten Linken, damals. -
Da sagt doch ein linker Macker - er hatte sich zu uns an den Tisch gesetzt, es waren vorwiegend Frauen da, er war noch nicht zu Wort gekommen, kein Weibsbild hatte ihn nach seiner Meinung gefragt - da sagt also dieser Macker zur Emanze: "Ich finde ja wirklich gut, was ihr da so macht. Aber wäre es nicht langsam an der Zeit, dass wir wieder gemeinsam ... also ich finde, wir sollten mehr miteinander ... ich meine das Gespräch ... ." Sie: "Ich hab im Moment einfach keinen Bock, mit dir zu stussen. Unterhalt mich im Moment gerade mit Frauen. Sei einfach mal einen Augenblick still." -
Ja, solche Töne taten es mir an. Ich konnte davon gar nicht genug kriegen. -
Auf unserer Suche nach dem revolutionären Subjekt (für Marx war's das Proletariat, aber dem wollten wir das doch nicht mehr so recht zutrauen) stiessen ein paar ganz Gewitzte schliesslich auf die bessere Hälfte der Bevölkerung: die Frauen. Ich seh sie noch schnauben, meine Marianne: "Frechheit das! Ihr Wichser lasst doch nichts unversucht, uns vor einen Karren zu spannen ... ." -
Ich hab von diesen Weibern viel gelernt, damals. Die hatten den Dreh raus. -
Die Thürmer-Rohr war Mariannes Idol. Die hab ich dann auch gelesen. Und mal im Fernsehen beobachtet, in einer "Sternstunde Philosophie". Sie wird nach ihrem Orgelspiel befragt, und legt los, über Bachs Orgelfugen. Ein männlicher Befrager versucht beflissen, das Gespräch auf wesentlichere Dinge zu lenken, und fragt sie nach der Aufgabenteilung im Haushalt. Sie: "Ach lassen Sie mich mit diesem Kram in Ruhe! Das hat mich noch nie interessiert. Wie andere Leute ihren Haushalt organisieren, war noch nie mein Thema." -
Ich hab gejapst vor Entzücken. Ja, so muss es sein: Bachs Orgelfugen und Leoparden und Computerprogramme und was halt sonst die eigene Sache ist, die einen gepackt hat, und keine faulen Kompromisse und keine halben Sachen, und wenn die Feministin dazu gedrängt wird, zum für sie Wesentlichen vorzudringen und endlich zu sagen, was man von ihr doch wohl erwarten dürfe, tut sie das umgehend: "Hab im Moment null Bock drauf!" -
Ich hatte ja nie Verständnis für den Feminismus. Ich war allzusehr begeistert von ihm. -
Ihr jungen Frauen braucht ja dieses Zeug nicht mehr, nehm ich mal an. Manchmal denke ich, ich bin der letzte Feminist. Es hat halt so gut getan .... damals ...chrrrhhhh ... bsühhhhh ... Was!? ... Wo bin ich!?? ... Ahhh! ... chrrrhhhh ... bsühhhhh ...

Schlaf wohl, du Bester. Morgen gibt es wieder viel Spannendes zu tun.


[Möglichkeit, den Opa als einen der anerkannten Hausgenossen ins Buch aufzunehmen. Ihn auf der rechten Seite bloss erwähnen und auf der linken von den alten Zeiten träumen lassen.]
[Fäden: 1) Meine Ansprache bei der Abdankungsfeier für die vom Opa erwähnte Marianne. - 2) Philip Roths Hymne auf die Campus-Schlampe Janie Wyatt aus 'The Dying Animal']

Samstag, September 17, 2005

Buchprojekt: Der kluge Hausherr: Hausgenossen: Der Innere Kritiker

[Ich bin ja inzwischen ein reifer Mann, der schon etliche nachpubertäre Krisen erfolgreich gemeistert hat. Friedrich Nietzsche hat einmal ein Kriterium dafür angegeben, dass ein Jugendlicher erwachsen geworden ist: Er vertraut seine lyrischen Ergüsse dem Holzofen an. Ich darf mich rühmen, ein guter Heizer zu sein. Doch niemand ist vollkommen.]

Die Befragung


Den Inquisitor reden lassen.

Kasuistik
genau hinhören
scheppert
genau hinsehen
hinter eingedicktem Geifer
Einzelheiten erfassen
in redlich verzogenem
eine Geschichte entwerfen
von verlassenem Spinnengewebe verklebtem
die Uebung abbrechen
Mundloch.

Den Befragungsraum verstauben lassen.

Bern, 26.5.91


[Die gesperrt gedruckten Zeilen müssen natürlich eingerückt werden. Eventuell HTML-Tabellen verwenden.]

[So schaut ein schönes Buch aus: Auf der rechten Seite steht ein durchlaufender Text. Die linke Seite lässt Raum für Notizen des Lesers. Aber auch der Autor darf schon etwas hineingeschrieben haben: Einen schmeichelhaften Gruss an seinen reichen Onkel in Amerika, eine unverblümte Liebeserklärung an die Dame, der er das Buch als erster geschenkt hat, ein Gedicht, das den Flammen gerade noch entrinnen konnte, ... . -
So ein schönes Buch gibt es schon: Georg Janoska: Vergeltung und Schuld. Du findest es hier. Da er der Autor leider schon verstorben ist, möchte ich an dieser Stelle dem Manne danken, der wesentlich zu seiner Fertigstellung beigetragen hat. Sein Name ist Ueli Raz. Auch er ist ein studierter Herr und Philosoph. Daneben besitzt er aber auch eine Fähigkeit, die das Herz jeder Betrachterin höher schlagen lässt. Schau dir doch mal seine Fotos an.

Thema: Authentizität
1. Bemerkung

[Es ist schon blöd, wenn man das Gefühl hat, man sei irgendwie nicht authentisch. "Eigentlich müsste ich mal x tun", sagt sich einer, wobei x nicht gerade zu seinen alltäglichen Verrichtungen gehört. Er lässt es aber bleiben, weil er da so seine Bedenken hat. Und er denkt weiter nach, und er wird das Gefühl nicht los, er sei irgendwie nicht authentisch, müsste eigentlich ... ]

Ich möchte hier ein Beispiel für ein Philosophieren anführen, das irgendwie gescheit tut und dabei bloss erbärmlich schlecht ist: "Verfällt nicht gerade der, der sich für ihn untypische Freiheiten herausnimmt, im Augenblick dieser Transgression ['Grenzüberschreitung' ist in diesem Zusammenhang ja auch schon recht geschwollen, aber wenn schon dann schon!] der Nicht-Authentizität?" Hat doch etwas für sich, oder? Ist es gar tief gedacht? Mit Nichten und Neffen! - Hier denkt jemand über sein 'Wesen' nach, darüber, was er 'eigentlich' und 'im Grunde' und so Zeugs ist. Bloss: Es gibt nichts herauszufinden! Authentisch-Sein ist nicht ein vorliegender Gegenstand, über den man bei tiefer Betrachtung etwas herausfinden könnte. Man tut was, probiert mal was Neues aus, und dabei mag man dann - überglücklich - über so etwas wie einen Einklang mit sich selbst stolpern. Genaueres weiss ich darüber nicht, vermute aber immerhin, dass man sich dann Katzen und Schildkröten (noch) verwandter fühlt.

Donnerstag, September 15, 2005

Buchprojekt (Anerkennung)

Vorbemerkung: Der Artikel über die Toleranz ist noch nicht abgeschlossen. Ich tu mich schwer damit. Und während ich ihn so ruhen lasse, schieben sich andere, verwandte Themen vor die Toleranz (Ich bin ja gespannt, ob sie es schaffen werden, die hehre Tugend schliesslich zu verdrängen/entzaubern): Von Anerkennung und Coolness war schon die Rede. Und nun gesellt sich Richard Rorty mit seinem Konzept des Ethnozentrismus und seiner Figur des liberalen Ironikers dazu. Ich geh dem allem mal nach, ganz gemach, Stück für Stück, Blog für Blog, und dann werde ich weitersehen. Zunächst also Richard Rorty, der vielleicht nicht zu den bedeutenden, sehr wohl aber - zusammen mit David Hume und Odo Marquard etwa - zu den freundlichen Philosophen zählt:

Der Ethnozentrismus und
die Figur des liberalen Ironikers


Verschiedene (Gruppen von) Menschen haben verschiedene Werte. Diese Werte sind allesamt kontingent. (Welche Werte ich habe, hängt von vielem ab: vom Landstrich, wo ich geboren bin, von der Familie, in der ich aufgewachsen bin, ... . Kontingenz, so weit das Auge reicht.) (Das hat nichts mit Relativismus zu tun; das ist keinen Ismus wert; es ist allzu banal.)

Die Bejahung der Kontingenz und der Verzicht auf Metaphysik

Der Ethnozentrist sagt Ja zur Kontingenz. Er verzichtet (gerne) darauf, seine Werte vor der Kontingenz zu retten (sie härter, stabiler, 'objektiver' oder verbindlicher zu machen), indem er sie an etwas Nicht-Kontingentem befestigt. Er hat es nicht mit denen, die glauben, sie müssten alles, was in Werten nach Landstrich, Kinderstube, Jugendgruppe oder Ausbildung ausschaut, in stetem und redlichem Bemühen wegsäubern, um schliesslich etwas in der Hand zu haben, was mit diesen zufälligen Verunreinigungen nichts mehr zu tun hat und darum umso unbedingter gelten soll. Für solche Leute sind die wahren Werte 'abgeleitet', und zwar aus Prinzipien, die der individuellen Lebensgeschichte sowie der Geschichte jeder Ethnie spotten. - (Darüber, wie das Nicht-Kontingente, also das, was die Zufälligkeiten des Lebens hinter sich lässt (transzendiert), ausschauen könnte, will ich mir nicht weiter den Kopf zerbrechen. Ich bin einfach zu alt dazu.)

Der Ethnozentrismus bezeichnet den naheliegendsten Ausgangspunkt. Dieser wird gebildet aus den real existierenden, kontingenten Werten der Gruppe(n), der/denen der Ethnozentrist angehört. "Von was zum Teufel sollte ich denn sonst ausgehen?", fragt er. - Und dann mag eine abenteuerliche Reise beginnen. Der Ethnozentrist braucht sich sich ja vor dem Umgang mit Angehörigen anderer Gruppen nicht abzuschotten. Vielleicht sucht er gar 'die bereichernde Begegnung mit Menschen anderer Kulturkreise' oder so Zeugs. Vielleicht lernt er sogar eine nicht-indoeuropäische Sprache.* Er braucht ja nicht auf seinen Prinzipien zu reiten. Er mag bessere Fortbewegungsmittel wie feurige Lobeshymnen auf die Verfassung seines Heimatlandes oder liebevolle Einlassungen auf die Mentalität eines ihm schräg vorkommenden fremden Zeitgenossen benutzen. (Meiner Phantasie zumindest sind hier keine Grenzen gesetzt.) - Nur eines ist sicher: Den Ausgangspunkt der Reise bildet das Reich, das von dieser Welt ist, wo die Zufälligkeiten blühen und gedeihen, soweit das Auge reicht. -
* ["Hoppla! Jetzt hab ich dich. Du gehst offensichtlich wie selbstverständlich von deinem europäischen Hintergrund aus." - Und wie selbstverständlich das ist!)

Und der liberale Ironiker? - Seinetwegen liebe ich Richard Rorty. -
Stell dir einen freundlichen, gütigen Menschen vor. Zu dessen festesten Überzeugungen gehört, dass die Erniedrigung eines Menschen (die Aberkennung seines Personencharakters) die schlimmste Grausamkeit darstellt, die man sich vorstellen kann. Ab und zu bemerken wir in seinem Auge ein leichtes Zwinkern. Es sagt uns: "Ich bin ja nicht naiv. Ich bin mir voll und ganz bewusst, dass sogar meine tiefsten Überzeugungen kontingent sind." Und dann? "Dennoch halte ich an ihnen fest!" Und dann? Dann wendet er sich wohlwollend einem anderen Menschen zu.

Mittwoch, September 14, 2005

Buchprojekt (Anerkennung)

Wer von Anerkennung spricht, darf auch ein paar Worte über Toleranz verlieren:

Was ist Toleranz?


Ich beginne gleich damit, die Frage zu verschieben:

Wann ist Toleranz?


Toleranz kommt dort ins Spiel, wo grundlegende Überzeugungen/Werthaltungen (im Gegensatz etwa zu Geschmacksfragen oder blossen Meinungsverschiedenheiten) aufeinanderprallen. Eine Person A mit einer festen Werthaltung, die ihm fundamental wichtig und unverzichtbar erscheint, trifft auf eine Person B mit einer entgegengesetzen Werthaltung. A muss B's Werthaltung ablehnen. Entgegengesetzte grundlegende Überzeugungen vertragen sich nicht. Sie sind einander zuwider.

Daraus folgt: Wer in einer Frage keine feste Werthaltung hat, braucht nicht tolerant zu sein. Nur wer eine feste Werthaltung hat, kann überhaupt tolerant sein. Eine feste Werthaltung, die verbunden ist mit einer klaren Ablehnung dessen, was ihr zuwider ist, ist eine notwendige Voraussetzung für Toleranz. Ohne feste Werte keine Toleranz. Wer feste Werte hat, kann widerstreitende Werte nicht einfach gutheissen, er muss sie ablehnen. Tolerant kann nur sein, wer ablehnt.

[Fortsetzung:
a)
Charakterisierung der Toleranz als Tugend, die tapfer erträgt (lat. tolerare), was ihr zuwider ist. -
b)
Behandlung der Frage, ob diese tugendhafte Haltung, die ein gewisses Mass an Achtung zweifellos verdient, wirklich erstrebenswert ist, oder ob sich, was den Umgang mit widrigen Dingen und Personen betrifft, nicht doch was Bessres finden lässt. -
What about coolness? -
Könnte das Konzept der Anerkennung hier nicht weiterhelfen?
Möglichkeit, hier keine Antwort zu geben, sondern diese dem Leser zu überlassen!!
Sollte ich das nicht überhaupt vermehrt tun?]

Dienstag, September 13, 2005

Nachricht

Ich habe eine neue Website


Sie wird sich, was meine Beiträge betrifft, kaum von dem vorliegenden Blogger unterscheiden. Der Hauptunterschied: Ich hab sie mit PostNuke eingerichtet. Somit ist sie bedeutend übersichtlicher und bietet neben der Möglichkeit, eigene Beiträge zu schreiben, auch ein Forum. Da ich die Site selber hoste, ist sie allerdings nur erreichbar, wenn meine Maschine eingeschaltet ist. Die Adresse lautet:

http://philocon.homeunix.net

Und so wirst du dort begrüsst:

Raum - Ruhe - Leichtigkeit


Willkommen auf meiner philosophischen Spielwiese!

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.


Die philosophische Grunderfahrung, aus der diese Spielwiese gespeist wird, ist ein Erlebnis aus dem Frühjahr 1990. Es war kurz nach Mittag. Ich befand mich auf einer Waldlichtung am Rande von Ostermundigen. Da traf ich auf den Sinn des Lebens. Als er mich erblickte, verkroch er sich im Unterholz. So hatte ich die Waldlichtung für mich allein.


Hier geht es freundlich zu und her. Die grosse, hehre Pflicht duckt sich vor der Güte und löst sich in lauter kleine, erträgliche Verpflichtungen auf.


Du kannst hier lesen, Geschriebenes kommentieren und eigene Beiträge schreiben. Du bist herzlich dazu eingeladen.


Mein Name ist Alban Clemenz, Jahrgang 52. Ich bin unter anderem als philosophischer Berater tätig. Ich bin sehr neugierig auf andere Menschen.


Philosophie ist eine Tätigkeit. Sie findet statt, wenn Menschen lustvoll und entspannt, aber auch mit grossem Ernst sich miteinander über die Welt und ihre Stellung in ihr unterhalten. - Und morgen schlage ich eine andere Definition vor. Oder noch besser: Du verrätst mir deine Definition!

Montag, September 12, 2005

Anerkennung (Buchprojekt)

Der kluge Hausherr


(andere Titel: Anerkenne und herrsche! - Anerkenne und tu, was du willst - Der aufgeklärte Fürst - Der Diktator und der aufgeklärte Fürst - Autonomie und Anerkennung - Freud und die Anerkennung ...)

Zuerst sei hier ein Personenbegriff eingeführt: Eine Person ist ein Bündel von propositionalen Einstellungen (ich denke hier in erster Linie an Wünsche und Überzeugungen).

Und dem lasse ich gleich eine bäumige These über das Unbewusste folgen: Das Unbewusste hat Personencharakter. -
Wir erinnern uns: Nach Kopernikus und Darwin hat Freud dem Ich eine dritte schwere 'Kränkung' zugefügt: "Das Ich muss erkennen, dass es nicht einmal Herr im eigenen Haus ist." - Diese Formulierung sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wann sagt man von jemandem, dass er nicht Herr im eigenen Haus ist? - Nun, man denkt dabei keineswegs an schadhafte Dächer oder unstabile Fundamente, nicht an böse Geister, die im Keller spuken, nicht an Geldnot, nicht an plündernde Soldaten. Nein: Eine Person ist dann nicht Herr im eigenen Haus, wenn eine andere, ihr nahestehende Person dort das Sagen hat. Das Ich muss also eingestehen, dass in seinem Haushalt noch mindestens eine andere Person ihren Einfluss geltend macht.

Im Folgenden werde ich nun systematisch mit diesem Bild arbeiten. Das Ich ist der Hausherr, der einem Haushalt vorsteht, dem neben ihm noch andere Personen mit eigenen Wünschen und Überzeugungen angehören.

Betrachten wir nun einen Hausherrn, der sich als unbeschränkter Diktator gebärdet und auf seine absolute Autonomie pocht. Dieser Hausherr muss mehr oder weniger drastisch erfahren, dass die Dinge nicht so laufen, wie er sie geplant hat. Dabei wusste er doch genau, was er wollte. Doch das Resultat ist oft erbärmlich. Und er versteht nicht, wie es dazu gekommen ist. Manchmal ist es, als hätte der Teufel ihn bei einem Vorhaben geritten oder ihm ins Handwerk gepfuscht. Es ist schon fast peinlich, wenn er am Stammtisch mit der Faust auf den Tisch haut und beteuert, dass er allein das Sagen habe, dass niemand ihm blöd vorbeikommen solle und was der Sprüche mehr sind. - Wir können seine Lage so zusammenfassen: Er gleicht einem Puppenspieler, der alle Fäden in der Hand hat. Bloss befinden sich an deren Ende keine Puppen. Die haben sich selbständig gemacht und tun zwischendurch, wonach ihnen gerade der Sinn steht.

Neben diesen Poltergeist stellen wir nun einen Hausherrn, der weiss, dass er auf seine Hausgenossen angewiesen ist. Er erkennt in ihnen Personen. Und die haben ihre eigenen Vorstellungen und Ansprüche. Diese nimmt er zur Kenntnis und, anstatt auf seine absolute Autonomie zu pochen, erkennt er in ihnen Beschränkungen seiner Selbstherrlichkeit. Er anerkennt die andern Personen. Dadurch gewinnt er selber die Anerkennung der andern. Er wird anerkannt als das, was er ist: als Herr im Haus.

Fazit: Eine gesunde Person weiss, dass andere Personen in ihr stecken, die anerkannt sein wollen. Sie setzt sich in ein bewusstes Verhältnis zu ihnen, anstatt sie zu leugnen. Sie hat den Traum von der unbeschränkten Autonomie verabschiedet und bemüht sich, den Haushalt in kluger Selbsbeschränkung mit Rücksichtnahme zu führen. Sie entgeht dadurch dem Los des Diktators, dessen Hausgenossen als nicht anerkannte sich in renitente, ungreifbare Mitbewohner, böse Hausgeister, Drachen und dergleichen verwandeln.

[In folgenden Beiträgen werde ich das Bild vom klugen Hausherrn konkretisieren, indem ich Personen vorstelle, die als anerkannte in verschiedenen mir bekannten Haushalten wohnen. Darunter wird ein Alkoholiker sein, der im Haus eines trockenen Alkoholikers wohnt. Ein erzkonservativer katholischer Ordensmann, der im Haushalt eines libertären Atheisten gut untergekommen ist. Ein Kriegsveteran, der für seine einsamen, schaurigen Geschichten Gehör bei einem gütigen und friedliebenden Hausherrn findet. Ein schlampiger und fauler Mensch, der einen kräftigen Kontrast in den peinlich sauber geführten Haushalt seines arbeitswütigen Herrn bringt. Und so weiter, und so fort. Und wenn ihre Herren nicht gestorben sind ...]

Samstag, September 10, 2005

Rubrik: Lebensweisheiten

Das Leben ist voller seichter Abgründe, deren Schönheit sich dem offenbart, der sie sehen will.

Freitag, September 09, 2005

Das Gefühl der Absurdität des Daseins


Im Paradies

Du bist mit deinem Zeug beschäftigt. Du steckst mitten drin. Es interessiert dich (Inter-esse), nimmt dich ein, nimmt dich voll in An-spruch. Du findest daran Vergnügen. Dies ist dein bescheidenes, privates Vergnügen. Du willst nicht gestört werden. Auf Störungen reagierst du un-willig. Du gehst deinen Dingen nach, fraglos, selbstverständlich, selbstvergessen. Wie ein Kind. Dein Zustand ist paradiesisch. Dein Tun und Lassen macht Sinn; es ist sinngetränkt, du bist sinntrunken.

Die Vertreibung aus dem Paradies

Ab und zu taucht eine Frage auf. Eine tiefe Frage, eine objektivierende Frage, eine harmlos dahergeplauderte Frage, eine Frage, die dein Tun als Ganzes infragestellt. - "Schön und gut, aber ..." Einer der vielgerühmten kritischen Einwände kündigt sich an. - "Warum tust du das 'eigentlich'?" - "Wäre es 'im Grunde' nicht besser ...?" - "Könntest du nicht ebenso gut ...?" -

Hoppla! Da meldet sich einer, der den Ueber- und Durchblick hat, zu gewichtigem Wort. Ein höchst ernsthaftes und respektables Wesen. Es fragt nach der Sinnhaftigkeit der Veranstaltung als ganzer. "Befreie dich von zufälliger Beschäftigung, erhebe dein Haupt und richte deinen Blick auf dein Treiben. Was meinst du?"

Und eben meintest du doch noch gar nichts. Du hattest, was dein Tun und Lassen betrifft, schlicht keine Meinung, geschweige denn eine begründete Meinung. Und auch jetzt hast du in erster Linie nicht eine Meinung, sondern ein Gefühl: das Gefühl, dass es doch eben noch viel schöner war, dass die Luft zum Atmen dünner geworden ist und deine Katze es viel besser hat. Das Gefühl der Absurdität beschleicht dicht, wenn du aus deinem Zeug heraustrittst, dich auf eine 'höhere Ebene' stellst und die Fragen, die sich daselbst stellen, zu beantworten versuchst. Du hast keine Antworten, oder du hast allzuviele Antworten, und jede Antwort wirft eine neue Frage auf. Denn 'eigentlich', 'im Grunde' und 'letztlich' hat das Dasein keinen Sinn. - Du bist aus dem Paradies vertrieben worden.

Was tun?

Nun, ich schlage mal vor, du gehst ins Paradies zurück. Du kennst ja den Weg.

Warnung

"Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr das Paradies verfehlen."

[ToDo list: Ratschläge, Szenen ... ]

Donnerstag, September 08, 2005

Thema: Flat Tax

Ein Einfachsteuer-Modell für die Schweiz


Das Modell verkoppelt zwei Elemente miteinander:

1) Einen proportionalen (nicht-progressiven) Steuersatz von 18%
2) Steuergutschriften, die pro Kopf ausbezahlt werden:

Fr. 5000.- pro Kind (ohne Bedingung)
Fr. 5000.- pro Erwachsenen (Bedingung: Mindesteinkommen von Fr. 25'000.- bei Paaren, Fr. 15'000.- bei Singles)
Fr. 7500.- für Alleinerziehende (Bedingung: Mindesteinkommen von Fr. 12'000.-)

Damit sollen drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden:
a) Arbeit lohnt sich in jedem Fall, sogar für die Spitzenverdiener.
b) Der Mittelstand wird entlastet.
c) Am meisten profitieren die Working Poors.

Quelle: Markus Schneider: Weissbuch 2004. Rezepte für den Sozialstaat Schweiz. ISBN 3-905628-00-1

Ich will dieses Buch hier unbedingt empfehlen. Auch ein gelegentlicher Blick auf die Website des Autors lohnt sich alleweil. -

Zudem empfehle ich, dass du erst mal Papier und Bleistift zur Hand nimmst, um dir konkret zu vergegenwärtigen, was dieses Steuermodell zu bieten hat. Die Ergebnisse haben etwas Bestechendes, ja Verblüffendes. -

Kleine Gebrauchsanweisung: Du suchst dir ein paar interessante Fälle aus (Beispiel: Zwei Erwachsene mit zwei Kindern). Für jeden Fall wählst du verschiedene Lohnhöhen. Und los gehts: Du nimmst den jeweiligen Lohn, ziehst 18% Steuer ab und addierst die jeweilige Gutschrift. Fertig.

Und nun kannst du dir ein paar interessante Fragen beantworten: Für wen lohnt es sich zu arbeiten? Wieviel bleibt vom Lohn nach Abzug der Steuer und unter Berücksichtigung der Gutschrift(en) übrig? Wo ist die Grenze, bei der das Resultat deiner Berechnung kleiner als die Lohnsumme wird? Wer profitiert am meisten? (Natürlich kannst du dir die Berechnungen auch sparen. Einige Beispiele finden sich im Buch auf S. 79.)

Viel Spass!

Samstag, September 03, 2005

Buchprojekt: Anerkennung

Buchprojekt

Es freut mich, hier ankündigen zu dürfen, dass in nicht absehbarer Zeit der Band 5 meiner ungeschriebenen Werke nichterscheinen[!] wird. Das Buch wird verschiedene Textsorten, die irgendwo zwischen Sketch und Abhandlung anzusiedeln sind, um einen thematischen Schwerpunkt versammeln.

Es mag für den Leser interessant sein zu erfahren, wie der Autor zu seinem Schwerpunkt gefunden hat. Sein Verfahren war folgendes: Zunächst liess er noch einmal die Glanzlichter seiner bisherigen Nichtveröffentlichungen vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Er zog dann auch Veröffentlichtes in seine Überlegungen ein: Blogs, erste Liebesbriefe, Bewerbungsschreiben, Seminararbeiten, Einkaufszettel und was halt sonst noch so zusammengekommen ist. Nachdem er erkannte, dass ein solches Verfahren zu nichts führt, entschied er sich kurzerhand für den Begriff der Anerkennung. Er tat das aus der Überzeugung heraus, dass er dazu was zu sagen hat.

Der Begriff der Anerkennung


Anerkennung ist ein Glücksfall, der in der Beziehung zwischen zwei Personen auftritt bzw. ausbleibt.

Eine Person anerkennt[!] eine andere, wenn sie sie in ihrer Befindlichkeit/Gestimmtheit, ihrer Behaustheit, in ihrer Welt zur Kenntnis nimmt und sie sein lässt (SEIN lässt und sein LÄSST).
Befindlichkeit: Wo befindet sich die Person? - Mögliche Antworten: Sie steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Sie hängt einem ihrer Tagträume nach. Sie ist traurig gestimmt. Sie ist in Gedanken. Sie sucht in ihren Gedanken/ihrer Arbeit Schutz.
Behaustheit: Wo ist ihr wohl/unwohl? Wo ist sie bei sich? Wo gerät sie ausser sich? Wo sucht sie Schutz?
Welt: Auf welchem Planeten lebt die Person? Was ist ihr(e) Standpunkt/Perspektive? Was ist/sind ihre Geschichte(n)?

Hat eine Person den ersten Schritt, den der Kenntnisnahme, erst einmal geschafft, fällt es ihr schwererer, nun gleich mit ihren (moralischen und lebensphilosophischen) Wertungen, Einschätzungen und (vorläufigen oder abschliessenden) Urteilen über die andere Person herzufallen. Sie lässt also alles stehen und liegen und wesen, wie es eben steht und liegt und west, vor sich hin dümpelt oder in die Luft fährt: Sie lässt ES bleiben, und die andere Person lässt sie SEIN.

[auszuführen: Verhältnis von Anerkennung und Verständnis/Einfühlung; Grundlinie: Anerkennung ist kälter, aber fruchtbarer/wertvoller. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass jeder Mensch allein ist und allein gelassen werden will. Wärmere Dinge wie Kuscheln, Streicheln und dergleichen finden in der Anerkennung einen guten, dauerhaften Nährboden.]
[auszuführen: Frage der Gegenseitigkeit der Anerkennung. - Das Lob von seiten einer Person, die man selber nicht zu schätzen vermag]
[zu ergänzen: Die Wohltat, richtig wahrgenommen zu werden (Beispiel(e)!)- Das Lob für eine Leistung, die man selber nicht wertzuschätzen vermag.]

Freitag, September 02, 2005

Philotustan

Philotustan? - Ein toller Name. Bedeutungsschwanger. Vieles andeutend, nichts bedeutend. Mein Name.

Philotustan ist jener griechische Philosoph, der, nachdem er sich einige Jahre in der Platonischen Akademie gelangweilt hatte, sich in die Tiefen Zentralasiens vorwagte (Usbekistan, Kirgistan, Kasachstan ...) und nach seiner Rückkehr in Athen durch seinen ungewohnten (in der Sprache seiner Landsleute "barbarischen") Sprachbau, die sogenannte Suffigitis, von sich reden machte.

[Ich erkläre meine überaus witzigen Sätze eigentlich ungern. Aber hier kann es ja kaum schaden. - 'Suffigitis': Mein innig geliebtes Türkisch gehört zu den agglutinierenden Sprachen. Bei diesen werden die grammatikalischen Funktionen dadurch ausgedrückt, dass an die unveränderten Wortstämme Suffixe 'geleimt' werden. - Das Türkische gehört zusammen mit dem Usbekischen, dem Kirgisischen, ... zu den Turksprachen. -
Also: Philo(sophie)Tu(rkisch)(Usbeki- Kirgi- Kasach)stan.]

Devam edilir.

Hallo!

Ich begrüsse mich sehr herzlich bei 'T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn'.

Wie geht es mir? - Die Gefahr, in einer mittelprächtigen Depression zu verschwinden, scheint vorerst gebannt. Mein Schiffchen hat wieder etwas Fahrt gewonnen. Ein leises Lüftchen weht. Unsinn schiesst durch meinen Kopf. Leichtsinn mag walten. Projekte dösen vor sich hin. Haupsache: Es lässt sich leben.

Was erwartet mich auf http://philotustan.blogspot.com? - Nun, meine zahlreichen Einfälle natürlich. Und auf die bin ich ja sehr gespannt. Daneben informiere ich mich über alles, was ich gerade irgendwo aufgeschnappt habe. Ein Beispiel: Kürzlich erschien in einem deutschen Wirtschaftsmagazin ein mehrseitiger Artikel mit dem Titel "Nie wieder Vollbeschäftigung! Wir haben Besseres zu tun." Interessant! Ich versorge mich mit anregenden Ideen. Jetzt gerade zum Beispiel denke ich, wie es wäre, wieder mal den dritten Band der MEW zur Hand zu nehmen und der Frage nachzugehen, ob selbiger nicht die Autoren des genannten Artikels nachhaltig beeinflusst haben könnte.

Das war nun mein erster Blog. Ich schreibe gern Blogs. Das war's für heute. Ich verabschiede mich von mir.

Mit den besten Wünschen für leichtes Gedeihen

Philotustan