T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Juli 31, 2009

Hi!

Weiss der Teufel, was der Chef mit dieser Schwarzen Dame am Hut hat. Jedenfalls ist sie wieder mal bei uns eingezogen, mit Sack und Pack. Der gefällt es hier. Aber für mich ist es nur halb so lustig.

Zum Glück weiss ich, wie man mit dem Chef umgehen muss, wenn er untröstlich drauf ist. Ich versuche erst gar nicht, ihm irgendwie Mut zu machen. Das belastet ihn nur, das weiss ich ganz sicher. Am liebsten ist ihm, wenn man einfach akzeptiert, dass er wieder mal in irgendeinem Dreckloch schmort, von dem man eh nichts versteht, und wenn man einfach unbekümmert seinem Zeug nachgeht. Na ja, gegen eine Streicheleinheit zwischendurch ist er natürlich alleweil empfänglich, wer ist das nicht? Tja, so gebe ich ihm halt zwischendurch, was ihm guttut. Aber in seine Gespräche mit der Alten mische ich mich nicht ein. Habe eh Besseres zu tun.

Bleiben wir unbekümmert!

Jan Schlendri

Sonntag, Juli 26, 2009

[zu meinen Akten (nebst einer Empfehlung für (fast) alle):]


Eine einfache Art, sich Scrutons Unterscheidung zwischen 'sound' und 'tone' zu verdeutlichen: eine Modulation: Es geht via einen Neapolitaner von einer Molltonart zur einen Halbton höher liegenden Durtonart.

[Beispiel: c-moll -> Des-Dur: t - D - t - s(n) = T der Zieltonart - S - D - T. (c - G - c - s(n) = Des - Ges - As- Des.)]

Mit dem Neapolitaner ist die Tonika der Durtonart - rein klanglich betrachtet - schon da, wird aber nicht unmittelbar, sondern höchstens nachträglich, in einem geeigneten Kontext, als solche gehört. - Die Tonika gehört in die Kategorie 'tone'; sie gehört zu dem, was wir im 'sound' hören; sie ist ein intentionales Objekt des Hörens.

Die beiden klanglich identischen Dreiklänge (der Neapolitaner und die Tonika der Zieltonart) haben musikalisch zunächst mal gar nichts miteinander zu tun. Sie enthalten zwar die genau gleichen Töne, aber ansonsten sind sie komplett verschieden. - Tja, bei solch ohrenfälliger Sachlage drängt sich Scrutons Unterscheidung schon auf.


Scruton über ein Thema aus dem zweiten Satz von Schuberts letzter Klaviersonate (Es erscheint zuerst in cis-moll und sofort anschliessend in E-Dur): You might say that in its second occurrence the melody is composed of completely different tones, which happen to be acoustically indistinguishable.

[Ich kann die Sonate (B-Dur, D960) allen empfehlen, die seelisch gefestigt sind und ihr Leben einigermassen im Griff haben. Bei den andern könnte die von Scruton besprochene Stelle zu beträchtlicher seelischer Erschütterung führen. Aber vielleicht ist das gerade die richtige Medizin?]

Samstag, Juli 25, 2009

Robert Schumann: Märchenbilder, op. 113. Vier Stücke für Viola und Klavier.

Ich bekomme ein Märchen erzählt. Kein bestimmtes Märchen. Ich mag aber auch nicht allgemein von etwas Märchenhaftem sprechen. Da wird etwas Bestimmtes vorgetragen, und die Art des Vortrags versetzt mich zurück in den Zustand, wo ich, schlaftrunken nicht länger aufnahmefähig, in mich aufsog, was da an Altvertrautem in der wohlbehüteten Luft des nur schwach beleuchteten Kinderzimmers lag. Es war einmal ... und sie hatten einander so lieb ... sie konnten zusammen nicht kommen ... Aber das wird natürlich nicht gesagt. Es sind Dinge von dieser Art und die Art, wie sie gesagt werden, was da nichtgesagt wird. Und wie sie nichtgesagt werden, das verschafft ihnen eine erschütternde Präsenz.


[Das letzte Stück - Langsam, mit melancholischem Ausdruck - hören und dabei halb bewusstlos in die Tasten hauen - und sofort posten. (Das Ding verträgt kein Nachdenken.)]

Isolde ist tot. Sie starb heute um 22.20 in Anwesenheit der Bundeskanzlerin in Bayreuth den Liebestod.
(Quelle: SWR 2 und Bayern 4)

Sonntag, Juli 19, 2009

Trost


In einer Sandmulde zwischen zwei von Strandhafer bewachsenen Dünenkuppen hocken und den Blick über den Strand und die schmalen Sandbänke hinaus aufs Meer gleiten lassen: Die Sorgen geraten in den Sog der weiten Landschaft, werden von ihr verschluckt.

Samstag, Juli 18, 2009

Denn jede Zeit ist wert, dass sie zu Ende geht


Es gibt Hunderte von Dingen, die mich davon abhalten zu denken, dass früher, als - Tja, was war denn früher im Wesentlichen anders? - die Zeit noch weniger weit fortgeschritten war und die Jahre mich noch nicht älter gemacht hatten, alles besser war. Mozart, bei dem "auf so herausfordernd-unergründliche Weise alles 'stimmt'" (Clemens Kühn), ist nicht älter geworden. Patricia Kopatchinskaja (Violine), Sol Gabetta (Cello) und Henri Sigfridsson (Klavier), die an den diesjährigen Schwetzinger Festspielen Beethovens 'Geistertrio' daherzauberten, haben noch viel Zeit, älter zu werden.

Die jungen Leute heute sind so gut ausgebildet, so sorgfältig und überlegt, und so beherzt: Sol Gabetta schlägt wild und präzis auf ihr Cello ein und lässt sich dann - unmittelbar/abrupt - von einer kleinen liedhaften Figur im Pianissimo davontragen: Mit der Faust auf den Tisch hauen und gleichzeitig in ein Lächeln ausbrechen. Und so geht das - Satz für Satz, Phrase für Phrase, Figur für Figur - ein ganzes Geistertrio lang. [Ich war anschliessend einfach zu erschöpft, um mir noch ein Klaviertrio von Tschaikowski reinzuziehen.


Ach, ich pilgere nun vielleicht doch nach Bayreuth. 2011. Zum Pilgerchor und so Melodien. Zunächst aber will ich eine kleine Litanei anstimmen: Thomas Hengelbrock dirigiert den 'Freischütz', Thomas Hengelbrock dirigiert die 'Rheinische', Thomas Hengelbrock dirigiert die 'Pastorale' ... Thomas Hengelbrock dieses Jahr auch in Luzern, Thomas Hengelbrock wird neuer Chefdirigent des NDR-Sinfonieorchesters, Thomas Hengelbrock dirigiert 2011 in Bayreuth den 'Tannhäuser'.

Donnerstag, Juli 16, 2009

[Gib mir ein H! / Gib mir ein U! / Gib mir ein M! / Gib mir ein B! / Gib mir ein A! ...]

Laute, Wörter, Sätze 13/103


Wenn Scruton eine Philosophie der tonalen Musik geschrieben hat und die Eule der Minerva erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug beginnt, dann ...

Wenn alle wahre Volksmusik naiv ist und im volkstümlichen Schlager, der die Volksmusik verdrängt, die Naivität bloss inszeniert ist, dann ...


Nimm ein Thema mit einem sehr grossen Ambitus, das erste Thema aus Bruckners Siebter beispielsweise. Da wird in gewaltig grossen Bögen ein riesiger Tonraum durchmessen, keine Frage. Bist du vielleicht geneigt auszuschliessen, dass sich dasselbe Gefühl auch bei einem Stück mit bedeutend kleinerem Ambitus einstellen kann? Dann musst du weiterlesen:

Wie weit hat sich der Herr von den irdischen Dingen entfernt, als er gen Himmel fuhr? Gerade mal eine Oktave, wenn wir das Offertorium zum Fest Christi Himmelfahrt (Ascendit Deus) zum Massstab nehmen. Und das ist weit, sehr weit! Und überstürzt wird da gar nichts. Zweimal hintereinander geht es eine kleine Terz abwärts, der Rest bewegt sich in Sekundschritten.

In-cli-na, Domine, aurem tuam ad me. [Nur weil es so schön ist: Laetifica animam servi tui, quoniam ad te, Domine, animam meam levavi.] Ein Aufschrei: Eine Quinte! Hui! Und dann gleich noch eine kleine Sekunde oben drauf gesetzt. Leute, das sind Distanzen!

Belki bir gün özlersin ... Ein türkischer Popsong. Da tut sich was! Deine arme Seele befindet sich in grosser Bewegung. Und eines Tages stellst du vielleicht einigermassen verblüfft fest, dass du die immer gleichen drei Töne im Rahmen einer kleinen Terz vor dich hinschmachtest.

[Wenn sich eine weit schweifende Sehnsucht, ein Aufschrei aus der Tiefe oder die Himmelfahrt des Herrn in kleinsten Tonschritten innerhalb eines eng begrenzten Tonraums darstellen lässt, dann ... ]


[Bussübungen:]
1) Der bekannte Narrenspruch 'Kölle Alaaf!' ist zum ersten Mal in einer Bittschrift des Fürsten Metternich an den Kölner Kurfürsten für das Jahr 1635 schriftlich belegt.
2) Alphornbläserinnen und Alphornbläser, Ampelfrauchen und Ampelmännchen, Täterinnen und Täter, Täterinnen und Täter, Täter'nn 'n Täter, Täter'nn 'n Täter ...
[Und nach der Bussezeit die Fastnacht:]
Ja da geht's Humba Humba Humba Täterä, Täterä, Täterä ...

Dienstag, Juli 14, 2009

Hegels These vom Ende der Kunst

Eine schnelle Abhandlung

Hab's nicht gelesen. Weiss es nicht. Darum apodiktisch, aus einer tiefen Vertrautheit mit dem Meister heraus: "Alle wahre Kunst ist naiv. (Schiller hat dazu das Notwendige gesagt, tja, und Goethe ist der Grösste.) Mit der Romantik hat die Kunst ihre Naivität endgültig verloren. Sie lässt die Idee nicht länger sinnlich scheinen, sie hat zum Gedanken gegriffen. Und auf diesem Gebiet hat die Philosophie, zumal in der vollendeten Form, zu der sie durch mich gefunden hat, alleweil die Nase vorn.
[Für räsonnierende Einwürfe wenden Sie sich an jemanden, bei dem selbige eventuell Nebenwirkungen zu zeitigen vermögen."]

Bei Hegel bin ich mir nicht so sicher, bei Scruton schon. Das hier hat er bestimmt nicht gesagt: "Alle wahre Musik ist tonal. Das Blöde ist bloss, dass heutzutage niemand mehr ganz naiv tonal schreiben kann. Die Tonalität ist in neueren Arbeiten bloss Zitat oder Versatzstück, so postmoderner Firlefanz eben. Kurz: Die Musik ist tot."


[Was heisst Denken? - Das, was Hegel wirklich sagte, verdeutlichen durch das, was Scruton wirklich nicht sagte.]

Vor dem Café 'christoffel' im Berner Bahnhof ist so mancher Blog entstanden. Dieser Blog ist nicht dort entstanden. Das 'christoffel' ist seit gestern 14.00 ganz und gar raucher-und-raucherinnen-frei. Selbstverständlich kann ich diese Wendung zum Noch-Besseren nur begrüssen. Ich bin ja auch gegen das Morden und für das Gute. Und dazu leiste ich nun einen aktiven Beitrag. Tja, und damit, findet der Mohr, hat er seinen Dienst getan. Man sollte nichts übertreiben. Seine Familie und ein paar wenige gute Freunde - der Rest sind nur die Nichtraucher- und Nichtraucherinnen.

Montag, Juli 13, 2009

"Brauchte die einstimmige türkische Musik, die so große Bedeutung trug, eine mehrstimmige Art? Da die klassischen Werke so reich an Tönen sind, brauchen sie keine mehrstimmige Art wie im Westen."
(In einem Türkei-Forum aufgeschnappt)


Das ist lustig und bringt mich auf Gedanken. Das mit dem Reichtum der Töne verstehe ich gut, wenn ich mir vergegenwärtige, wie beschränkt das Tonmaterial Josquins, eines Meisters der klassischen Polyphonie, ist, oder wie chancenlos ich dastehe, wenn ich versuche, eine schlichte Melodie aus einem Stück türkischer Kunstmusik nach zigmaligem Anhören mitzusummen.

Natürlich habe ich mich etwas über die Tonskalen der türkischen (und arabischen) Kunstmusik kundig gemacht. [War schon eine interessante Erfahrung zu realisieren, wie tonlos verzagt ich vor diesen Dingern stehe. Keine Sicherheit nirgends. Habe ich irgendetwas annähernd richtig getroffen? Nun, auch das ist nicht mit letzter Sicherheit auszuschliessen.] Ein Verdacht steigt auf: Es scheint Musikmaterial [Tonvorräte, Skalen (auch tonikalisierte)] zu geben, das sich gegen Mehrstimmigkeit sperrt. Der oben erwähnte Tonreichtum steht einem Reichtum an Stimmen möglicherweise im Weg. Und entsprechend dürfte bei uns die langsam sich entfaltende Mehrstimmigkeit einen anfänglich grösseren Reichtum an Tonvorräten und Skalen nach und nach zurückgedrängt haben.


[Ich denke hier nicht an unser System der Tonalität, wie es in der Kunstmusik vor allem zwischen 1700 und 1850 vorgeherrscht hat. Ich denke an mehrstimmige Musik, wie sie um 1200 herum entstand. - Die Geschichte der Tonalität zu verstehen ist nicht mein Problem. Die entsteht - nicht notwendig, aber mit einer nachvollziehbaren Logik - über Jahrhunderte hinweg in/aus einer Folge von unzählbaren Experimenten in Mehrstimmigkeit. Versteht man diesen Prozess, versteht man die Tonalität. Mich interessieren die Bedingungen der Möglichkeit von Mehrstimmigkeit.]

Samstag, Juli 11, 2009

Du wendest dich entschieden ab von der Idee, dass die Sprache ein Mittel der Repräsentation ist, und die Frage, wie Musik Bedeutung/Gehalt/... haben kann, verliert ihre Rätselhaftigkeit.


[Es zeigt sich, dass eine bestimmte Vorstellung vom Funktionieren von Sprache ein jahrzehntelanges Anrennen gegen sie hartnäckig zu überstehen vermochte. Doch bei der Beschäftigung mit Musik zeigt sie noch einmal ihre penetrante Fratze und zerbröselt dann. Ich habe mich in einem Rätsel verfangen, realisiere, dass ein altes Bild mich immer noch gefangenhält, schüttle dieses ab und ... das Rätsel ist verschwunden. Und es hebt an die Beschäftigung mit wunderbar Rätselhaftem. - Liebe LeserInnen! Tönt das nicht nach Alterswerk? - "Von mir aus, aber ein starkes sprachphilosophisches Argument hast du damit noch lange nicht vorgebracht." - Richtig. Aber ich finde schon, dass eine Sprachphilosophie, die sich vor der Musik dermassen blöd anstellt, eine weitere Beschäftigung mit ihr einfach nicht verdient.]