T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, April 06, 2012

[Neue Rubrik: Kränzchen für Fritz Heidegger]


Das Fassende des Fassbaren ist die Nacht. Sie fasst, indem sie übernachtet. So ge-fasst, nachtet das Fass in der Nacht. Sein Wesen ist die Ge-fasstheit in der Nacht. Was fasst? - Was nachtet? Dasein nachtet fast. Übernächtig west es in der Umnachtung durch das Fass, so zwar, daß das Fassbare im Ge-fasst-werden durch die Nacht das Anwesen des Fasses hütet. Die Nacht ist das Fass des Seins. Der Mensch ist der Entberger und Hüter des Fasses. Dies ist seine Ver-fassung. Zwar entbirgt sich dem Dasein als sein Existential des Über-die-Welt-hinaus-seins das Ge-fass. Das Fassende des Fasses aber ist die Leere. Nicht das Fass fasst die Leere, nicht die Leere das Fass. Sie fügen einander wechselseitig in ihr Fass-bares. Im Erscheinen des Fasses als solchem aber bleibt das Fass selbst aus. Es hat sein Bleibendes in der Nacht. Die Nacht übergießt das Fass mit seinem Bleiben. Aus dem Geschenk dieses Gusses west die Fass-nacht. Es ist unfassbar.
(Fritz Heidegger)

Ich schwanke zwischen Bewunderung und Entrüstung. Meine Bewunderung ist grenzenlos. Drum sag ich nur: Awsome!

Die Entrüstung: Da reden sie wochenlang von diesem zu Guttenberg und übersehen eine Ungeheuerlichkeit, die seinesgleichen nicht finden kann: Martin Heidegger hat weiss Gott Dreck am Stecken, aber dass sein Lebenswerk ein einziges Plagiat ist … Das geht entschieden zu weit! Warum hat das noch keiner gemerkt!? Dabei hat er sich nicht mal gross Mühe gegeben, die Sache zu vertuschen: Die Bindestrichelei, die typischen syntaktischen Wendungen wie das 'so zwar, dass' und etliche Schlüsselwörter werden schlicht übernommen. Andere Wörtchen sind bloss geringfügig abgewandelt: 'nachtet', 'nichtet': Das ist himmelschreiend durchsichtig! Fehlt bloss noch der Humor [Das 'nachten' macht 'fast' schmunzeln, das 'nichten' bloss Ärger, ja, so steht es, mit diesem Nichts!], aber damit hatte es der Meister aus Deutschland wohl weniger. Ich könnte mich ohrfeigen. Da schreibe ich jahrelang von der 'Denkwurzel aus dem Schwarzwald', und dann das! Das 'ur-sprüngliche Denken' ein Plagiat! Ich fasse es nicht.

Donnerstag, April 05, 2012

Plagiatskrise, Staatsschuldenaffäre, Dönerfrauen, Schleckermorde … Doch, doch, ich bleibe da schon dran, an den brennenden Fragen, die die Menschen bewegen und so, aber vorher muss ich noch ein paar wichtigere Dinge auf die Reihe kriegen.

- Wie hat die Elfriede es geschafft, dass die Gemeinde Todtnau die Hütte ans Elekrizitätsnetz anschliessen liess?

[Ich weiss schon, dass es da einen Brief an die Landesregierung in Baden gab. Vermutlich hat die Lehrerin und Volkswirtin selber das Schreiben abgefasst. Die Lösung einer Frage, in der es schliesslich um Sein oder Nichtsein ging, wird sie wohl kaum ihrem ansonsten des Schreibens durchaus mächtigen Gatten überlassen haben. Es mag Elfriede kaum überrascht haben, dass ihr Mann an der Uni Marburg schon mal mit dem Hausmeister oder Heizungsmonteur verwechselt wurde, aber die elementare Unterscheidung zwischen Schein und Sein hatte die Gattin des einschlägigen Experten durchaus intus.]

- Seit wann wusste die Elfriede von der Hannah?

- Welcher Maulesel hat Elfriedes Gatten von Freiburg aus bis zur Hütte hochgeschleppt?

Bevor ich mich mit diesen verwickelten Fragen beschäftige, wende ich mich ein paar leichter zu bewältigenden Fragen zu:

Introduktion, Transduktion und Verfugung


Einleitende Frage: Wie kommt es, dass Martin Heidegger in seinen Reden und Pamphletchen, die er als Mitglied verschiedener katholisch antimodernistischer Bunde und Bündchen verfasste, antisemitische Töne durchgehend vermied? Ich meine, solche Töne gehörten in diesen Kreisen doch einfach zum guten Ton. [Pah, auch das ist nicht so einfach, man könnte glatt zum - ich schliesse hier an das eingangs verwendete Gegenwartsvokabular an - Antisemitismusskeptiker werden. Und wo wir grad beim einschlägigen Vokabular sind: die Nazifrage:]

Die Frage: Heidegger ein Nazi? - Klar doch! Aber warum?!?
(Zum Glück gibt es die einfachen, keine komplexen Antworten erfordernden Fragen!)

Der Übergang: Hier ist das Leben, da das Werk. Das Verbindende: die Stimmung [SuZ, S. xyz …]. Die Stimmung ist das Magnetfeld, das die Elemente von Leben und Werk in einer wohlgeordneten Schwebe zusammenhält.
[Vom 'Magnetfeld' vielleicht abgesehen, heideggerlt das Sätzchen ganz artig, gell? Aber der Meister hatte sich ja nach dem Abbruch des Theologiestudiums an der naturwissenschaftlichen Fakultät eingeschrieben. Philosophie? Ja schon, aber mehr so nebenher halt. Der Wittgenstein und der Feyerabend haben ja auch … Genug der Stinkebildung! Rein ins Wespennest:]

Das Wespennest: Eine antimodernistische und antiklerikale Bewegung trifft die Stimmungslage eines bis in die Knochen antimodernistisch gesinnten jungen Mannes, in dessen Seele sich gerade ein Drama sondergleichen abspielt: Im Sohn des Sakristans von Messkirch, im Schlüsselbub, im Läuterbub, im Sohn einer Mutter, die ihr Vertrauen selbstverständlich und heiter in Gott setzt, im Bruder der Marie, die zusammen mit der Mutter liebevoll und prächtig die Kirche schmückt - in diesem jungen Mann ist ein abgrundtiefer Groll gegen die katholische Kirche gewachsen.


Ich bin erschüttert. Ja, auch darüber, dass mir nun endlich ein (mich selber überzeugendes) Sätzchen zu einem Problem gelungen ist, an dessen Lösung ich seit nunmehr bald vier Jahrzehnten rumdruckse. Aber das sind Fisimatenten im Vergleich dazu, wie mich das (bisher bloss) angedeutete Seelendrama angreift. Oder die Seelendramen des Bruders, dem wegen eines Sprachfehlers die Erfüllung seines Kindheits- und Jugendtraums, Pfarrer zu werden, versagt bleibt. Ja, ich gerate ganz nah ans Wasser, wenn ich mir das Primizfoto von Heinrich Heidegger ansehe, auf dem dieser zusammen mit seinem Vater Fritz und seinem Onkel Martin abgebildet ist.

Mittwoch, April 04, 2012

Unterwegs im Hochschwarzwald. Meine Gedanken kreisen um das Sein im Ganzen. Ontologie. Fundamentalontologie! Ne, kleiner geht's heute nicht. Wer sind wir denn? Wo sind wir denn? Die (im vorigen Block erwähnte) Holztafel: "Also gelesen haben wir das Buch schon; aber das versteht man ja nicht." Versteh ich denn das Zeug überhaupt? Nicht eigentlich. Oder eigentlich schon? In der mir verdammt vertrauten Stimmung der Langeweile bin ich schliesslich immer schon vor das Sein im Ganzen gebracht. Meint jedenfalls der, der einen beträchtlichen Teil seines Lebens da unten in der Hütte verbracht hat. Ich verkneife mir einen Abstecher und verbleibe im Metaphysischen. Wie schaut denn also dieses Sein aus, wenn wir vor es selbst zu stehen kommen? Nun, es steht dann eben vor uns; es wendet sich uns zu; es steht da, abweisend wie eine grell weisse Wand. Vor wenigen Tagen noch waren wir in Zeug und Geschichten verwickelt, von Zeug und Geschichten in Anspruch genommen. Jetzt steht sie da, die ganze Chose, in pures Sein verwandelt, pures Sein, und sonst gar nichts. Es ist da. Ok. Und was habe ich damit zu tun? Nichts. Und wie steht um dieses Nichts? - Ich verzichte darauf, selbiges noch nichten zu lassen und damit den Carnap noch mehr in Harnisch zu bringen. Diese ganze - ihr närrisches Wesen verleugnende - Gedankenmeierei hängt mir sowieso zum Hals raus. Und zum zigten Mal verscheuche ich einen Gedanken, der sich mir jedesmal aufdrängt, wenn ich an dieser Biegung des Denkwegs angekommen bin: Das ist doch eine verblüffend gute Beschreibung der depressiven Verstimmung. Und dann: Spinnst du? Lass den Heidegger da raus! Es geht hier bestimmt nicht um so was Belangloses wie deine Verstimmungen. Der Mann hat mit Parmenides und Heraklit und all den andern bestimmt nicht über deine Wehwehchen gesprochen. Himmel Herrgott Donnerwetter! Dass du überhaupt auf den Gedanken kommen kannst … Hoppla! Da hat einer dieselbe Abkürzung über einen immer noch schneebedeckten, abschüssigen Wiesenhang genommen, bloss halt im Gegenuhrzeigersinn. Ein Querdenker? Geht so: Es ist der Safranski. Wir bleiben keuchend voreinander stehen. Es entwickelt sich ein Gespräch. Hütte, Feld- Denk- und Holzweg … Es tut gut, so stinkgebildet miteinander plappern zu können. Da-dasein. Ja, der Fritz, der kann einem schon ans Herz wachsen. Geworfensein? Ne, kein nennenswertes jedenfalls: Wir haben doch beide die Überquerung des Hanges heil überstanden? Eigentlich schon! Gekicher. Es tut wohl, sich gehenzulassen und sich in diesem Jargon zu suhlen. Ja, das Wetter ist wunderschön: Wälder lagern, es murrt kein Wind, die Landschaft zeigt nicht ihr verdriessliches Gesicht. [Von der Erfahrung des Denkens. Pfullingen anno sowieso. Wir tragen das Zeug ja im Kopf mit uns herum.] Und natürlich die Sorge. Ich erzähle von dem Gedanken, der mich, immer wiederkehrend, plagt. Aber den grossen Erzähler hat es nun sehr gefreut: Er zieht weiter. Doch vorher hat er mir noch ein Sätzchen mit auf den Weg gegeben, eine kleine Ermunterung: Halte an deinem Gedanken fest! Er ist so abwegig vielleicht nicht:

"Heidegger liebt die grosse Gebärde, weshalb man nie genau weiss, ob er vom Abendland oder von sich spricht, ob nun das Sein überhaupt oder sein Sein zur Debatte steht."

Was für eine Erleichterung für den gequälten Philotustan, der sich nie sicher ist, ob er denn überhaupt je etwas Relevantes oder bloss ein paar autobiographische Bemerkungen von sich gebe.


[Eben trifft noch eine Mail bei mir ein:

Ne, du brauchst nicht einschüchternd zu schreiben. Was hätte ich davon, wenn ich deine Schreibe nur unter Krämpfen lesen könnte? Diese Dinge versteht mein Bruder besser. Kein schöner Zug von ihm. Dass Leute, die nichts Rechtes gelernt haben, sich nie über etwas Geringeres als die Chose im Ganzen und so'n Zeugs verbreiten wollen und sich dabei so schrecklich wichtig nehmen, ist mir unverständlich. Na ja, meistens lache ich darüber. Ich wünsche dir ein gefreutes Da-dasein

dein Bruder im Närrischen

Fritz]

Montag, April 02, 2012

"In uns, im innersten Herzwinkel lebt etwas, das alle Not überdauert: die Freude, der letzte Rest jener ursprünglichen Narrheit, die wir alle kaum noch ahnen."
(Fritz Heidegger)





Sitzen und schauen im Hochschwarzwald. - Philotustan hat sich auf halbem Weg zwischen dem Schauinsland und dem Feldberg auf einem beredten Zeugnis des Waldsterbens niedergelassen. In diese Nieder-Gelassenheit hat er auf einem Holzweg gefunden. "Holz lautet ein alter Name für Wald. Im Holz sind Wege, die meist verwachsen jäh im Unbegangenen aufhören …" Doch schliesslich hat er die Hütte [Ja, ja, die Hütte] doch noch gefunden. Er schleicht um sie wie der humorlose Martin, Fritz Heideggers Bruder, um das Seyn.

Sein und Zeitvertreib im Hochschwarzwald. - Philotustans Gedanken kreisen uneingeschüchtert und unverkrampft um das Werk, das sein Autor einigen Bauersleuten aus Rütte, einem Ortsteil Todtnaubergs, in die Hand drückte, als die ihn danach fragten, womit er denn so seine Brötchen verdiene. "Also gelesen haben wir das Buch natürlich schon; aber das versteht man ja nicht." (1) Verstehen tut der Philotustan das auch nicht. Aber er beherzigt die Worte Heideggers (2), des Bankangestellten oder "Scheinwerfers", wie er sich auch nannte, aus Messkirch: Wer sich den Sinn fürs Närrische bewahrt, kommt mit diesem Da-dasein ganz gut zurecht.

Fritz Heidegger im Stottern verbunden

Philotustan



Kritischer Apparat:
(1)
Philotustan zitiert hier aus dem Gedächtnis eine der fünf Holztafeln am Martin-Heidegger-Weg, die dem Gelehrten eine bekömmliche Gelegenheit bieten, sein anfängliches Wissen zu vertiefen.
(2)
Wo nicht anders vermerkt, meint "Heidegger" natürlich immer "Fritz Heidegger", den grossen Narren der Messkirchner Fasnacht, der zwischen 1933 und 1945 in seinen Reden auch die Kaderleute der Partei aufs Korn nahm. Es soll ja immer noch Leute geben, die bei "Heidegger" gleich an den grossen Meister des unfreiwilligen Humors denken, der in politischen Dingen mit seinem grossen (wenn auch fünf Jahre jüngeren) Bruder bekanntlich nicht immer einer Meinung war. Diesen Leuten sei dieser zweite Teil des kritischen Apparates gewidmet.

Weiterführende Literatur:
Hans Dieter Zimmermann: Martin und Fritz Heidegger. Philosophie und Fastnacht. C.H.Beck, München 2005
[Empfehlung!]