T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, Januar 27, 2010

[Rubrik: Philosophie der Emotionen]


Die Empfindungstheorie der Gefühle: Gefühle beziehen sich auf nichts. Sie sind einfach da. Und die Welt ist irgendwie.

Allgemeine Charakterisierung einer Gegenposition: Gefühle können Auskunft über die Welt geben. [Nur als solche können sie einen integralen Bestandteil rationalen Urteilens und Handelns bilden.]

Dienstag, Januar 26, 2010

Sense and sensibility

Marianne ist im Gefühlsexzess oft von Sinnen, sie lässt ihre Gefühle ganz von sich Besitz ergreifen. Ihre Schwester Elinor, auch eine gefühlsstarke junge Frau, bleibt stets bei Sinnen.
(Jane Austen, ch 1)

[Der Buchtitel 'Verstand und Gefühl' nähert sich der Sache, der Filmtitel 'Sinn und Sinnlichkeit' glänzt. Philotustans Arbeitstitel: Bei/von Sinnen (Zwei gefühlsstarke Frauen: Elinor, stets bei Sinnen, und Marianne, oft von Sinnen).]

Sonntag, Januar 24, 2010

Wir haben ihren Namen schon so oft nennen gehört, haben gut 90 Seiten lang auf sie gewartet, und jetzt wirft Frau Karenina uns einen ersten Blick zu: "In diesem kurzen Blick" bemerken wir "die verhaltene Lebendigkeit, die auf ihrem Gesicht spielt[e] und zwischen den blitzenden Augen und den roten, leise lächelnden Augen hin und her huscht[e]".

["Es war, als sei ihr ganzes Wesen übervoll von Lebenslust, die sich unwillkürlich bald in dem Leuchten ihrer Augen, bald in ihrem Lächeln ausdrückte. Und wenn sie diesen Glanz in ihren Augen dämpfte, dann leuchtete er gegen ihren Willen in dem kaum merklichen Lächeln wieder auf."]

[Ich stelle eben fest, dass der Kaffee, den ich trinke, ein Nachhaltigskeitszertifikat bekommen hat: "Kaffee wird nachhaltiger."]

Nachhaltigkeit

Ich mag nicht über Nachhaltigkeit schreiben. Beim mir kommt nachher eh nix mehr.

Deutschübung

Man ergeht sich im ungestörten Gleichmut oder im gehemmten Missmut des alltäglichen Besorgens. Man ist ungerührt, durch keine Gefühle/Affekte/Leidenschaften aufgerührt oder in Aufregung versetzt oder aus dem Gleichschritt gebracht. Man heideggerlt so vor sich hin. Man gleitet vom Gleichmut zum gehemmten Missmut; die Stimmung schlägt vom einen zum andern um. Aber da ist kein Ausgleiten in Verstimmungen, bloss vielleicht eine anhaltende, ebenmässige und fahle Ungestimmtheit.

[Der Existenzblues, in den eine solche Sprachübung leicht ausufern könnte - mit Heidegger an der Klarinette und Philotustan am Akkordeon - bleibt dem Leser erspart. Aber aufgepasst: Du sagst mit den beiden Musikern 'Gestimmtheit', und du bist schon mitten drin. Ehrenwort! Lies SuZ, Par. 29, Abschnitt 2! Knapp 20 Zeilen, und du hast alles, was dein Herz vielleicht doch nicht begehrt. Die Schwarze Dame freilich mag das Zeug: "Könnte von mir sein!"]

Vittorio de Sica: Una breve vacanza, 1973


Realismus, gnadenlos: Eine Frau, Fabrikarbeiterin und Hausfrau, vom Mann kurzgehalten, wird krank, fährt zur Kur, begegnet einem Mann, der sie liebt und den sie zumindest gut leiden kann. Ein Nachmittag der Leidenschaft. Die Frau wird gesund. Die Frau fährt heim. - Man muss sozusagen die vielen kleinen Wendungen, die der Plot nicht nimmt, nachvollziehen, um die verhalten unerbittliche Grausamkeit dieses Realismus zu spüren.


[Fade realistisch: Die Frau erfährt, dass sie genesen ist, und wird von der Verzweiflung gepackt: "Auch das noch!" Oder sie freut sich über die wiedergewonnene Gesundheit, und in die Freude mischen sich Wermutstropfen. Oder es besteht kaum Aussicht [Optimismus, überbordend], dass sie den Mann je wiedersehen wird. Oder die Schwiegermutter hat zu einer minimalen Besinnung gefunden und sorgt sich fortan nicht nur darüber, dass ihr arbeitsloser Figlio zu kurz kommen könnte. Oder die Frau verzweifelt ein kleines bisschen und vergiesst ein paar verstohlene Tränen.]

Du gehst atemlos mit, bis zum Abspann. Dann sitzt du da; die vielen kleinen Spannungen, die sich in dir aufgebaut haben, halten noch an; dann brechen sie in sich zusammen. Und du spürst nur noch viele kleine Leerstellen. (Fade realistisch: die grosse Leere)

[Verdammt! Wie soll einer darüber schreiben, wie ihn eine Unsumme von Nichtereignissen erschüttert hat?!]

["Es ist nichts passiert. Wir fragen uns: Wie steht es um dieses Nichts?" - "Mein lieber Martin, du hast ja so recht! Mir ist momentan bloss nicht nach deinem Blues."]

Donnerstag, Januar 21, 2010

[Rubrik: Philosophie der Emotionen]


Im Hause Oblonskij. Der untreue Hausherr ist eben aufgeflogen; er hat seine Gattin seit drei Tagen nicht mehr zu Gesicht bekommen und fragt sein Töchterchen Tatjana nach ihr:

"'Ist sie vergnügt?' - Das kleine Mädchen wusste, dass es zwischen Vater und Mutter Streit gegeben hatte und dass die Mutter nicht vergnügt sein konnte, dass der Vater das wissen musste und dass er sich verstellte, wenn er so leichthin danach fragte. Und sie errötete für ihren Vater. Er verstand das sofort und wurde ebenfalls rot."

Eine Theorie, die vor einer solchen Beschreibung nicht hilflos/wortlos und beschämt ob ihrer eigenen Armseligkeit in sich zusammensackt, darf als Theorie der Emotionen ernsthaft in Erwägung gezogen werden.


Wir haben es hier mit einer Stelle zu tun, bei der ein Vertreter einer Spielart der 'Urteilstheorie' der Emotionen, wenn er denn die nötige beschränkte Dreistigkeit aufbringt, seine geliebten propositionalen Einstellungen nur einzusammeln braucht. Aber der Verfasser der 'Anna Karenina' kann natürlich auch anders:

[Der Vater liebt seine Tatjana viel mehr als den ebenfalls anwesenden Sohn Grischa. Das weiss er selber, und die beiden Kinder wissen es auch:]
"Er nahm eine Schachtel Konfekt vom Kaminsims, die er gestern dort hingestellt hatte, suchte ein Schokoladenbonbon und ein Fruchtbonbon aus, die sie am liebsten ass, und gab sie ihr. - 'Für Grischa?', fragte sie und zeigte auf das Schokoladenbonbon. - 'Ja, ja!'"


["Heute stirbt Anna Karenina." - Das las ich vor recht langer Zeit in einer Mail meines besten Lesers. Die Erschütterung hält an, und wenn alles gut geht, wird sie farbige Blogs erzeugen. So ist der Gang der Emotionen ...]

Montag, Januar 18, 2010

[Die Ärztin aus dem letzten Blog über den Auftrag der Bundeswehrsoldaten: nicht Wiederaufbau, sondern Schutz der Leute, die beim Wiederaufbau tätig sind. Dabei kommt sie auch auf die NGOs zu sprechen: "Von denen gibt es dort unabsehbar viele." - Ich will bei dieser Gelegenheit auf etwas zu sprechen kommen, was mir schon lange in den Fingerkuppen brennt:]

Der Sklavenhandel ist heutzutage kein einfaches Business: Es gibt gar viele Leute, die sich keine Sklaven leisten können, und diejenigen, die sich welche leisten könnten, finden es doch gar zu unfein. Stell dir vor, in einer Weltgegend gibt es Leute, die einen bescheidenen Sklavenhandel betreiben. Und dann stell dir plastisch vor, wie dramatisch sich die Marktlage verändert, wenn auf einmal ein NGO auf die höchstrühmliche Tätigkeit verfällt, Sklaven freizukaufen.


[Ja, Herr Scholl-Latour hat auch Reportagen aus dem Sudan geschrieben.]

[Rubrik: Philosophie der Emotionen]


(SWR Leute Night: Eine Ärztin, die in den letzten Jahren viermal im deutschen Militärlager in Kunduz gearbeitet hat, erzählt:)

Die Stimmungslage ca. ein halbes Jahr nach der Vertreibung der Taliban: Aufbruchsstimmung; die deutschen Soldaten "flanieren" durch die Stadt; man plaudert mit den Bewohnern, die sich über die Vertreibung der Taliban freuen; lockere, von gegenseitigem Vertrauen geprägte Stimmung. Im Militärlager arbeitet ein junger Afghane als Putzkraft; man lässt es sich nicht nehmen, mit ihm regelmässig ein paar Worte zu wechseln.

Ein Jahr später, nach dem Angriff auf einen deutschen Militärbus, bei dem zahlreiche Soldaten getötet und schwer verletzt wurden: Die Ärztin dreht Däumchen: Die Soldaten der Friedensmission trauen sich nicht mehr aus dem Lager. Der Putzmann arbeitet noch immer, doch keiner wechselt mehr ein Wort mit ihm. "Es war für mich schlicht unerträglich, mit diesem Mann in einem Raum zu sein."


["Und?" - Ich lese zur Zeit täglich ein paar Seiten zur Philosophie der Emotionen und ziehe mir dabei allerhand allerniedlichste Beispiele rein. Ab und zu stosse ich dann auf ein weniger niedliches Beispiel und habe das Gefühl, nichts mehr sei wie eben noch.]

Samstag, Januar 09, 2010

Leute, in vergleichbaren Situationen steckend, erleben ähnlich und reden ganz verschieden; oder sie reden ähnlich und erleben ganz verschieden; oder ...

Sonntag, Januar 03, 2010

[Gunnar Heinsohn vertrete eine monokausale Erklärung des Kriegs. Eine kurze Entgegnung:]

Über kurz oder lang ergreifen überschüssige junge Männer ein Kriegshandwerk.

Junge Schweizer treten als Söldner in den Dienst fremder Potentaten. Worum/Warum Krieg geführt wird, mögen die Potentaten entschieden haben. Wer der zu tötende Feind ist, ob Franzmann oder Landsmann, wird sich weisen.


Zu viele Störche vertreiben die Tauben.


[Gunnar Heinsohns Wirtschaftstheorie habe ich aus seinem zusammen mit Otto Steiger verfassten 'Eigentum, Zins und Geld' extrahiert und in mein 'Ostalgia 1-4' hineingepackt.]