T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Montag, Mai 28, 2012


[zu meinen Akten]


Seinsvergessenheit

Das metaphysische Denken verliert mit seiner Frage nach dem Seienden als solchem das Geschehen der Wahrheit des Seins und in eins damit den Grund und Boden, in dem es wurzelt, aus dem Blick.

Dienstag, Mai 22, 2012


[zu meinen Akten]

Ernst Tugendhats Spätwerk: Daseinsanalyse im Ausgang von der Propositionalität der menschlichen Sprache.

[Heidegger und Semantik: ein einladendes Feld, ein Fest für die nächsten Jahrzehnte, bis zum sichern Ende, ein behagliches Sein zum Tode.]

Freitag, Mai 18, 2012


nicht in Stimmung, einen Blog zu schreiben

Suche nach einem englischen Wort für 'Naturstimmung' … Deutsche Synonyme? … 

[in beschwörendem Flüsterton:] "Siehst du sie nicht? Hörst du's nicht?" - "Was denn?!" - "Pssst! … Die Stimmung!" - "Ach, ich will deine Seinsandacht nicht stören. Kannst ja dann einen Blog schreiben. Tschüss!"

Allein unter Kühen und Kälbern mitten im Belpmoos. Ich mag ihre Blicke. Sie erwidern mein Gemurmel mit einem aufmunternd gleichgültigen "Red weiter!". Sie be-stimmen meinen Schlendergang. 'Be-stimmen'? Klar doch: Er ist auch mit von der närrisch erhabenen Landpartie. Redet von der Langeweile. Auf seine den Begleiter hinhaldende und leerlassende, sprich langweilige Art. Augenblick, verweile, beschenke mich mit langer Weile! [Ich muss doch zeigen, dass ich seinen Bruder, den Fritz, kenne.] Heimweh? Wieso Heimweh? Ach so, er hängt den Alemannen raus: Die Zeit wird ihm lang, er hat lange Zeit … Austausch von Wortfetzen. "Wortprägungen!", werde ich umgehend korrigiert. Wir werden uns noch ein paarmal auf meinem Feldweg treffen müssen: "Aber sind wir mit all diesen Erörterungen auch nur um einen Schritt vorwärts gekommen? Überhaupt nicht! Im Gegenteil, nun ist erst recht alles in Verwirrung geraten." [GdM, § 21] Wie oft habe ich das jetzt schon zu hören bekommen. Doch was lange weilt …

Ein paar Fetzen/Prägungen sind hängengeblieben: x ist von einer Stimmung S umspielt. S durchstimmt die Person P. - Na ja, über das Belpmoos schlendern und närrische/erhabene Wörtchen vor sich herbrabbeln … Das Leben war auch schon schwerer.

Naturstimmung: Der LEO versagt! Auch andere Netzdienste helfen nicht weiter. Merkwürdig!

Heast as nit
wia die Zeit vergeht
Huidie-i jodle-iri Huidiridi …
(Hubert von Goisern)

Mittwoch, Mai 09, 2012


[Buchprojekt: (Arbeitstitel:) Martin Heidegger. Vokabular und Methode]

Wohin die Münze fällt

… In einer Laube am Bärenplatz eine etwas verhutzelte junge Frau, ein Hund, ein paar Geschirrchen verschiedener Farbe und Grösse, einige davon bestückt mit brennenden Kerzchen, andere mit winzigen Blumensträussen … Das ganze Geschirrchenwesen ist für mich leicht verwirrlich, und prompt plumpst meine Münze in das kleine für den Hund gedachte Wasserbecken. Das Tierchen lässt sich nicht aus seiner behaglichen Ruhe bringen; es blickt den bescheuerten Spender bloss aufmerksam, aber völlig ungerührt an. Die junge Frau schaut sich die kleine Bescherung an und lacht: "Da schau her, ein Glücksbrunnen!" - Ein lächriges 'Ups!', dann Entschuldigungsgemurmel, Münzenfischerei, die erfolgreiche Suche nach dem richtigen Töpfchen, ein Lächeln, ein gegenseitiger freundlicher Abendgruss …

Die Verwandlung

… Auf dem Rand des Brunnens in der Neuengasse eine einzelne Taube. Was ist bloss mit ihrem Gefieder passiert? Wird das bedauernswerte Geschöpf jemals wieder fliegen können? Andere Passanten schliessen sich meiner Ratlosigkeit wie einer kleinen Gedenk- und Trauerfeier an. Dann die grosse Erleichterung: Der muntere Vogel rückt den linken hochgeschlagenen Flügel wieder zurecht, plustert sich unter dem gelösten Gekicher und Gegluckse der erlösten Gemeinde ganz toll auf, taucht mit ruckartigen Bewegungen sein Köpfchen ein paarmal ins Wasser und flattert rauschend von dannen …

Die versiegte Quelle

… Vor dem Bahnhofausgang dann wieder ein Hutzelweiblein. Mein Alter, iischi Schpraach: "Tärfti ich ew eppis frägu"? Das mir inzwischen längst in Fleisch und Blut übergegangene Berner Idiom ist sofort abgelegt und ich erwidere die muttersprachliche Ansprache mit einem freundlich entschuldigenden Hinweis darauf, dass punkto Moos bei mir nix los und so. Aber die Frau hat sich schon wieder von mir ab- und potentiell einträglicheren Quellen zugewandt. Hätte sie auf meine heimatlichen Töne reagiert, ich kann nicht garantieren, dass ich an diesem geglückten Tag, nach Glücks- und Taubenbrunnen, nicht schon wieder in die Tasche gegriffen hätte …

Montag, Mai 07, 2012


Aus der Erfahrung des Denkens:
Der vermaledeite Verführer

Du hörst auf die Worte des Meisters. Du folgst seinem Rat: Du bringst jeden in deinen Kräften liegenden Widerstand gegen das von ihm Gesagte auf. Der Meister geht. Du - ein beflissen kritischer Geist -  bemerkst, dass dir das Gehörte in die Knochen gefahren ist.

Freitag, Mai 04, 2012

Karl Kraus soll mal gesagt haben, dass ihm zu diesem Mann [Adolf Hitler] nichts mehr einfalle. Da hat mein Held aber nicht so schnell klein beigegeben. Dem ist zu Hitler Gewaltiges eingefallen. Bei der vom Führer angeführten Bewegung waltet und weltet es aus Ur-Urgründen, was das Zeug hält. Wenn man ihn nur richtig versteht, versteht sich. Aber mein Held hat halt alle verstanden, besser, als sie sich selber verstanden, Platon, Heraklit, Kant, … und eben auch den wahren Kern der Bewegung. Die Seinsgeschichte höchstpersönlich erlebt eben einen entscheidenden Umbruch, und mein Held ist mittendrin. Und natürlich wie immer schon ein bisschen weiter, insofern er (und in seinen tiefsten Momenten auch der Führer) allein weiss, worum sich die ganze Geschichte eigentlich dreht und wohin der begeisternde Aufbruch letztlich führen wird.

Ich muss jetzt zwischendurch mal ein bisschen jammern. Oder vielleicht mal schlicht kundtun, was mich an der ganzen Chose dermassen beisst:

Da ist dieser kurzbeschnauzte Beller mit seinen gestiefelten Schlägern. Und da ist auf der andern Seite meine  Denkwurzel, die, inspiriert von seinem Gebelle, ihre machttrunkenen philosophischen Träume spinnt. Dem Heidegger fällt halt immer was Grosses ein, und ich wünschte mir beispielsweise, ihm wäre bei der Begegnung mit seinem jüdischen Ex-Kollegen Karl Löwith Mitte der 30er Jahre auf einem Kongress in Rom schlicht eingefallen, wenigstens für die Dauer des persönlichen Gesprächs das Parteiabzeichen mit dem Hakenkreuz abzulegen. Oder es wäre ihm eingefallen, sich zwischendurch auch mal ein paar Details wie die Verbrechen der Schläger, Schergen und Schreibtischtäter vorzunehmen. Solche Dinge hat man bei so was Schicksalshaftem wie der zweiten Revolution der abendländischen Seinsgeschichte wohl gelassen in Kauf zu nehmen? (1) - Ich finde Heideggers Nazi-Gefasel auch darum besonders unerträglich, weil er da auch zahlreiche  mir durch ihn liebgewordene Wörter und Wendungen in den braunen Schmutz zieht. (2)

So! Genug gejammert! Die zweiteilige Vorlesung hat schon begonnen. Ich freue mich auf ca. 150 Seiten Ausführungen über die Langeweile (1. Teil) und ebensoviele Seiten über die Tierchen (2. Teil). Und wo bleiben die "Grundbegriffe der Metaphysik?" Verdammt gute Frage! Ein Ansatzpunkt für eine kleine Arbeit über die 'Methode' Heideggers, die ich auch in meiner Einführung in Heideggers Vokabular anzuwenden gedenke. Ich plane, ein paar Geschichtchen zu erzählen. Tja, da hat die Denkwurzel halt schon recht: Man muss den Weg schon gehen; eine noch so exakte Wegbeschreibung allein bringt's nicht. (3) Heidegger: Stets mitten drin. Immer gleich auf dem Weg! Faszinierend, mitreissend und - letzter Seufzer - gelegentlich auch scheusslich.



(1) [Karl Löwiths Bemerkung aus dem letzten Blog]: Sollen wir die erste Revolution studieren oder uns gleich aktiv an der zweiten beteiligen?
(2) Da drängt sich einem die Rede von einem 'Jargon' (der Eigentlichkeit) schon auf.
(3) "Was ist Metaphysik?", lautet beispielsweise die Frage, und flugs stecken wir mittendrin.


Donnerstag, Mai 03, 2012

Nein, er ist mir immer noch nicht verleidet. Was mir komplett verleidet ist, sind meine doch reichlich gesuchten Versuche, die Nazi-Frage zu beantworten. Die Frage gewinnt durch die tägliche Einbeziehung neuer, interessanter, lächerlicher, jämmerlicher, auch schmutziger Fakten immer mehr Konturen. Ich lasse sie gedeihen und geniesse es, wenn stets neue höchst vorläufige Antworten aus ihr herauspurzeln. Ein paar Andeutungen: Karl Löwith nach der[!] Rektoratsrede (sinngemäss): "Wir sind etwas ratlos; sollen wir nun die Vorsokratiker studieren oder in die SA eintreten?" - Wolfgang Schadewaldt im Vorbeigehen zum kürzlich zurückgetretenen Rektor: "Na, zurück aus Syrakus?" - "Ich will auch mal so wie Platon", sagt Heidegger, sucht die ganz grosse Bühne, findet sie, besteigt sie mit Jubel, sorgt selber für Standarten und Stiefel und Braunhemden, auch zackige Lieder und zackigen Gruss. - Letzterer wird auf die vierte Strophe des zackigsten aller zackigen Lieder, des Horst-Wessel-Liedes, beschränkt: Die neue Liturgie ist ja für die allermeisten Kollegen noch recht ungewohnt, und man muss ja in der neuen Position Kompromisse eingehen können ... - Soll man lachen oder weinen oder kotzen oder …

Nun, ich habe mich für "Die Grundbegriffe der Metaphysik" (Vorlesung WS 29/30) entschieden.

Nein, er ist mir immer noch nicht verleidet. Sein Denken hat eine Sogwirkung … Ich plane so etwas wie eine kleine Einführung in sein Vokabular zu schreiben. Und überhaupt: Er ist ja schliesslich der Heidegger, ich meine, er ist der Bruder seines Bruders, der mir schon etwas an die Nieren geht. Klar doch, Fritz Heidegger ist Anfang der 40er Jahre auch in die Partei eingetreten, aber er hat halt so manches nicht auf die Reihe gekriegt. Wir wissen schon, dass die verdammten Wörtchen nicht flüssig über seine Lippen kommen wollten. Und mit den zackigen Bewegungen wollte es auch nicht recht klappen: Bloss den Zeigefinger vorstrecken und den Arm gerade mal auf Lendenhöhe vorstrecken, das ist nichts! Nicht auszudenken ist die Schmach, die er seinem begeisterten Bruder, der in solchen Dingen äusserst streng war, als Unigärtner zum Beispiel beschert hätte. Nun, vielleicht hat ihm in diesem Fall auch das innere Feuer gefehlt. Jedenfalls wurde er schon nach einem Jahr wieder aus der Partei geworfen. Braver, wackerer, Fffff…rrritz!


[Ich tu's ungern, aber hier dürfen keine Missverständniss aufkommen: Ich habe früher selber sehr stark gestottert.]