T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, Oktober 31, 2007

"Schweizer grosse Probleme mit Türken warum?"

Auf dem kleinen Türkeitrip vom Bahnhof Altona [all to nah: allzu nahe] ins Schanzenviertel urplötzlich von unserem auch in der deutschen Presse wahrgenommenen letzten Wahlkampf eingeholt, über den ich als feiner Pinkel und FDP-Wähler nicht ein müdes Wörtchen verloren hatte.

Ich - ganz uncool - geriet sofort ins Geschäft des Wiedergutmachens: Türkische Brocken sprudelten nur so aus mir heraus. [Ullysseisch: Was für Worte entflohen dem Gehege meiner Zähne!] "Nur Politik! Wichtig nicht! Leute für keine Probleme! ..."

Und jetzt? - Jetzt - ganz cool - befördere ich, was da aus mir herausschoss, in den Rang einer eingefleischten Überzeugung und füge nur noch das Wörtchen 'Dreck' hinzu.


[Geschrieben am 26. in Hamburg]

Sonntag, Oktober 21, 2007

Buchprojekt: Anerkennung

"Es gibt, sagt man, für den Kammerdiener keinen Helden. Das kommt aber bloss daher, weil der Held nur vom Helden anerkannt werden kann. Der Kammerdiener wird aber wahrscheinlich seinesgleichen zu schätzen wissen."

Ich stelle mir einen Kammerdiener vor, der so Zeug wie das Folgende äussert: "Für mich gibt es keine Herren und keine Diener; für mich gibt es nur Menschen." - Warum tönt das nicht etwa revolutionär oder hirnrissig aufgeklärt, sondern bloss komisch? Weil der Äusserung jeder Sinn für Rangordnung abgeht? Weil sie so blendend ins Wertegefüge eines kleinen Planeten in einem Paralleluniversum passt?

Wie dem auch sei: Dem Herrn ist das eh piepegal, denn, so notiert Ottilie in ihrem Tagebuch (II, 5), was bedeutet ihm schon die 'Anerkennung' durch einen Diener? Das wäre eher Anmassung oder, wenn der Herr gesonnen ist, bloss vorlautes, wenn er wohlgesonnen ist, unbotmässig zutrauliches Geplapper.

Die Frage, ob ein Kammerdiener seinesgleichen zu schätzen vermag, wird offengelassen.

Mittwoch, Oktober 10, 2007

Auch wenn bloss Gatte (Eduard) und Gattin (Charlotte) miteinander schlafen: Nein, es ist nicht prosaisch, was sich da abspielt:

prosaisch - unprosaisch


"Eduard hielt nur Ottilien in seinen Armen; Charlotten schwebte der Hauptmann näher oder ferner vor der Seele, und so verwebten, wundersam genug, sich Abwesendes und Gegenwärtiges reizend und wonnevoll durcheinander."

Doch die Fortsetzung ist dann gänzlich unprosaisch:

"Und doch lässt sich die Gegenwart ihr ungeheures Recht nicht rauben."
(I, 11)


Ich schliesse hieran die (durch nichts begründete) Vermutung des 10. 10. 07 an: Da ist der Schlendrian mit im Spiel:

Er passt nicht auf, der Hofrat. - Hör! Im Nu
Ergiesst in Jamben sich der Rede Fluss.


[Wer nicht hören will, muss raten.]

Der Mann, den sie liebt, droht ihr entrissen zu werden. Schon klar: Die Zeit heilt alle Wunden. Doch genau das ist das Problem:

untröstlich


Sie sagte sich alles, was man sich sagen kann, ja sie antizipierte, wie man gewöhnlich pflegt, den leidigen Trost, dass solche Schmerzen durch die Zeit gelindert werden. Sie verwünschte die Zeit, die es braucht, um sie zu lindern; sie verwünschte die totenhafte Zeit, wo sie würden gelindert sein.
(I, 11)

Donnerstag, Oktober 04, 2007

[Buchprojekt: Anerkennung]

[Nein, ich habe die 'Wahlverwandtschaften' nicht gelesen. Und es würde mich nicht wundern, wenn ich bei aller Entschlossenheit, das Ding mal bis zum Ende zu lesen, einmal mehr darin ertrinken würde.]

Der Hauptmann hat seine Ankunft angekündigt und dabei zu verstehen gegeben, dass er seine eigene Lage und die seiner Gastgeber sehr wohl einzuschätzen vermag. Das "gab eine heitere und fröhliche Aussicht".

Gleich am ersten Abend werden Charlottes neue Anlagen besichtigt. Der Hauptmann betrachtet sie mit Wohlgefallen.

Anerkennung, vornehm


Seine Kennerschaft zu zeigen vermag einem Lob grösseres Gewicht zu verleihen. Der Hauptmann hat noch eine Spur mehr drauf:

"... ob er gleich das Wünschenswerte sehr wohl kannte, machte er doch nicht ... Personen, die ihn in dem Ihrigen herumführten, dadurch einen üblen Humor, dass er mehr verlangte, als die Umstände zuliessen, oder auch gar an etwas Vollkommeneres erinnerte, das er anderswo gesehen."

Solche Beschreibungen wecken Erinnerungen an manche Zeitgenossen und lassen sie einen ohne übertriebenen Ingrimm so betrachten, wie sie sich einem selber präsentieren: Nun ja, als Zeitgenossen eben, denen es weniger gegeben ist, einen ihre Anwesenheit als heitere und fröhliche Angelegenheit erleben zu lassen.

Ich folge dem Hauptmann durch die Anlagen und werde gewahr, wie leicht es mir fällt, die meisten Zeitgenossen dort liegen zu lassen, wo sie sich auf Teufel komm raus selber hinverfrachten: Unten! - Eine vornehme Form der Anerkennung! Keine übertriebene Härte! Blosses Sein-Lassen. Requiescant ... Und auch ich schätze eine gewisse Ruhe auf den besagten Plätzen.


[Ich grolle nicht! - Ich liess die Sau raus, als ich, begleitet von meinem Freund, dem Pianisten Andreas Beyeler, Schumanns Vertonung von Heines 'Ich grolle nicht' aus mir herausschrie. "Oh nein, ich grolle überhaupt nicht!", lachte Andreas Beyeler heraus, nachdem er die Schlussakkorde in die Tasten gehaut hatte, dass es zum Fürchten war. ('Dichterliebe', op. 48, Nr. 7)]

Mittwoch, Oktober 03, 2007

Nach Feierabend, um Mitternacht, mit einer gesunden Müdigkeit in den Gliedern auf der Heimfahrt im schwach besetzten Zug. Du denkst an was Schönes; erste Worte treffen ein, werden freudig begrüsst oder auch gleich wieder verabschiedet, gruppieren sich und bilden Jambenfetzen; du steuerst so was wie ein Gesamtbild oder einen tragenden Gedanken bei, dann überlässt du dich wieder dem Treiben der Worte; eine Gruppierung drängt sich dir auf, verfestigt sich; du beginnst brav zu zählen, bringst ein paar abrundende Veränderungen an und verlässt mit zwei neuen Blankversen stinkzufrieden den Zug.

Unter der Dusche dann eine unverkrampfte Reflexion, die in einen Blog mündet, der nach Kaffee und Früchtekuchen ins Netz gestellt wird.

Höchste Glücksmomente


Sie dürfen verweilen, sie sind so schön; doch es geht ihnen ab das bangende Streben nach Dauer. Sie sind geglückt und dürfen gehen; hemdsärmlige Momente gingen ihnen voraus, hemdsärmligen Momenten mögen sie weichen. Zuversichtlich ist, wer sie erleben darf: Getrost darf er sich sagen: Sie kehren wieder; denn ein müssig gedeihlicher Boden bin ich ihnen.

Schönheit ohne Ewigkeit, in Zuversicht. Amen.