T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, Juni 22, 2008

[Daniel Pipes: Der Feind hat einen Namen. NZZ, 19.06.08. Der Artikel, von dem ich hier abhebe, ist auch auf der Website des Autors zu finden.]

Da gab es doch mal den Faschismus; der ist gebodigt. Dann war da der Kommunismus; der ist ebenfalls gebodigt. Jetzt ist wieder von einem grossen Feind die Rede, doch der ist noch nicht mal richtig benamst:

Oh wie gut, dass niemand weiss,
Dass ich Islamismus heiss.

Und weil kaum jemand das Ding beim Namen nennen will, hören wir dem rumpligen/umstürzlerischen Stilz zu, wenn er das Offensichtliche vor sich hinbrabbelt. Wir halten uns an diese Quelle, weil sie nicht furchtsam zaudert, sich klar auszudrücken, sich an keinen PC-Kanon hält, Euphemismen meidet ('globaler Kampf für Sicherheit und Fortschritt' und dergleichen), keine Geschäftsbeziehungen zu P&H (Peace & Harmony) unterhält und auf Sieg spielt; lauter Tugenden, vor denen wir uns eine Scheibe abschneiden sollten.

Der Faschismus war ein bedeutendes Ding. Der Kommunismus war ein bedeutendes Ding. Ich bin ein bedeutendes Ding. Ich sage nur 'Scharia'; islamisches Strafrecht; eine Rechtsordnung; eine totalitäre Rechtsordnung; eine die individuelle Freiheit unterdrückende Rechtsordnung.

Oh wie gut, dass niemand weiss, dass ich Islamismus heiss.

Meine Feinde sagen 'Terrorismus'. Hihi. Terrorismus ist ein Mittel, kein Zweck. Sie sagen 'Demokratie'. Hihi. Sag ich, wenn's denn sein muss, auch; auch Demokratie ist ein Mittel. Oder sie sagen 'freiheitliche Rechtsordnung'. Sag ich nicht. Aber mir gefällt, hihi, dass die Feinde ihren Feind nicht benamsen, die totalitäre Rechtsordnung und die globale Bewegung, von der sie propagiert wird:

Oh wie gut, dass niemand weiss, dass ich Islamismus heiss.



Lieber Leser, falls du mehr auf PC, Konfliktlösung und Appeasement stehst und dich von meinen kriegstreiberischen Ansichten klar distanzieren möchtest, brauchst du nur zu tun, was du eh schon tust und was eh alle tun:

Vermeide es, die Dinge beim Namen zu nennen. Achte sorgfältig auf deine Wortwahl, damit kein Gläubiger sich verletzt fühlen muss. Bleibe bei der Furcht, du könntest durch deine Wortwahl eine ungeschriebene Regel verletzen.

Klar, du schätzt die individuelle Freiheit. Betrachte aber diese Wertschätzung in grosser Bescheidenheit als deinen individuellen Geschmack oder den Geschmack deines Kulturkreises und werde nicht müde, die Wertschätzung und Praxis der individuellen Freiheit als für Menschen anderer Kulturkreise möglicherweise wenig bekömmlich hinzustellen. - Das mag hart sein. Ich will dir da nichts vormachen: Für mich, der den Vorwurf des Rassismus höchst selten für überhaupt sinnvoll erachtet, ist das blanker Rassismus. Aber Kopf hoch: Du bist da ja nun wahrhaftig nicht allein.

Betone bei jeder passenden Gelegenheit, was für eine schöne Religion der Islam ist. Kennenlernen darfst du ihn später. Du hast ja schliesslich recht: Es ist ein bisschen wie mit dem Kommunismus: Der mag ja eine sehr schöne Theorie gewesen sein. [By the way: Auch der frühneuzeitliche Katholizismus war in seinem Kern eine verdammt schöne Religion.] Nur seine Realisierung im Totalitarismus war halt schon scheusslich, gell? Und vielleicht wirst du mir zugeben, dass auch der real existierende Islam scheussliche Züge aufweist. Egal.

Wenn jemand so spricht, wie ich gerade eben gesprochen habe, wirst du ihn selbstverständlich darauf hinweisen, dass es den Islam nicht gibt. Lass dich nicht davon irritieren, dass du gerade noch von dem Islam als einer schönen Religion gesprochen hast. Das biegst du schon wieder hin, gell? Denn im Kern hast du ja recht: Es gibt den Islam, wie er vom saudischen Königshaus definiert wird; es gibt den Islam, wie er vom DIYANET, dem türkischen Ministerium für religiöse Angelegenheiten, definiert wird; du wirst, nachdem du dich etwas intensiver mit der Sache beschäftigt hast, sicher noch viele andere hübsche Beispiele finden.

Betone bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass die Bedrohung, mit der wir es zu tun haben, von einer zahlenmässig komplett unbedeutenden Gruppe von Menschen ausgeht. An dieser Stelle solltest du vielleicht am besten von 'Terroristen' sprechen und das Wort 'Islamismus' gar nicht erst in den Mund nehmen. Denn der Islamismus als Bewegung, die eine die individuelle Freiheit unterdrückende Rechtsordnung propagiert, ist eine gewaltig grosse Bewegung. Ich, selber ein sehr vorsichtiger Mensch, will hier natürlich auch nicht verallgemeinern. Nicht alle Gläubigen anerkennen die Scharia; das tun bloss die allermeisten. Es gibt meines Wissens kaum einen arabischen Staat, in dem die Scharia die gültige Rechtsordnung darstellt; bloss in der Bevölkerung ist sie gut verankert. - Tja, es wird nicht einfach sein, islamische Gelehrte zu finden, die einen modernen, die individuellen Freiheiten achtende Form des Islam vertreten. Gerade darum ist es wichtig, dass du - ich wiederhole das gerne - das Wort 'Islamismus' vermeidest und stattdessen von 'Terrorismus/Extremismus' sprichst. Dann kannst du weiterhin von deiner zahlenmässig unbedeutenden Gruppe der bösen Menschen sprechen und weiterhin von den übrigen Gläübigen als von den guten Menschen tagträumen.

Dienstag, Juni 17, 2008

Pauschalisierungen, Schubladisierungen, undifferenziertes Denken: Der Kampf gegen diese Grundübel, die jeder Verständigung den Weg versperren, hat noch gar nicht richtig begonnen. Als Philosoph, der sich seiner Verantwortung bewusst ist und sich bemüht, warnend und engagiert den Zeigefinger zu erheben, will ich hier und jetzt einen beherzten Anfang machen, indem ich auf die Tragweite der Gefahr aufmerksam mache:

"Es gibt nicht den Hü und den Hott; es gibt innerhalb dieser Gruppen eine Menge von Untergruppen, die sich sehr wohl voneinander unterscheiden."

Genau das meine ich! Da haben wir den Salat! Was soll die Rede von den Uaua-Hüs beispielsweise? Und das ist ja erst der Anfang. Wer so spricht, ist auch bereit, eineiige Uaua-Hü- oder Auwua-Hott-Zwillinge in den gleichen Topf zu werfen, obwohl die sich, wie differenziertes Denken und sorgfältige Beobachtung alsbald zu Tage treten lassen, sehr wohl unterscheiden. Und wo kommen wir denn da hin? Und überhaupt.

Wehret den Anfängen! Wehret der Sprache!



["Spüre ich hier leicht rassistische Untertöne?" - Hier gilt es, sich erst einmal vor Augen zu führen, dass es den Rassismus nicht gibt. Sie müssten hier also in einem ersten Schritt mittels feiner Differenzierung den Sinn Ihrer Frage deutlich machen. "Zum Teufel, es spielt doch keine Rolle, um welche Spielart des Rassismus es sich handelt!" - Der Passus mit dem Teufel gefällt mir. Bedenklich ist aber ihre Verwendung des bestimmten Artikels in 'des Rassismus'. Schauen Sie, es ist wie mit (Pardon) den Muslims: Es mag Ihnen plausibel erscheinen, dass sie (Pardon) alle etwas mit einem gewissen Mohammed am Hut haben, um mich vorsichtig, nicht zu sehr verallgemeinernd, auszudrücken. Bloss schade, es sie nicht gibt. - "Mit sauberer Argumentation hat das nichts mehr zu tun!" - Wer argumentiert denn hier? Sie verbieten den Leuten - aus Gründen - den Gebrauch des bestimmten Artikels, ich mache bloss Kabarett, verstanden als Form der inneren Emigration in einem politisch korrekten Umfeld.]

Freitag, Juni 13, 2008

Rubrik: Leserfragen


Wer bin ich, wenn ich nicht ausbrenne?

Die Frage lässt sich natürlich verbreitern: Wer bin ich, wenn ich
- nicht dauernd für andere den Kopf hinhalte?
- andere ihre Probleme selber lösen lasse/ihrem gottverdammten Schicksal überlasse?
- deutlich zu verstehen gebe, dass ich für so manches nicht zuständig bin?
...

Wir haben eingefleischte Gewohnheiten, die wir nicht preisgeben wollen, auch wenn sie uns eingestandermassen stark belasten. Die Angst davor, etwas Vertrautes aufzugeben, mag in einer Frage wie der obigen einen philosophischen Ausdruck finden. Die Vorstellung, sich zurückzulehnen und entspannt zuzuschauen, wie andere auf ihre Weise ein Problem lösen oder daran mehr oder weniger grandios scheitern, evoziert das Gespenst einer Identitätskrise.

Es ist vollkommen klar, dass, wer die Fragen stellt, sie nicht beantworten kann. Was tue ich, wenn ich nicht das tue, was ich automatisch/reflexartig immer tue? Wie fühlt sich das dann an? Wer bin ich dann? Hier kann ich meine Phantasie natürlich ins Kraut schiessen lassen. Ich bin dann eine Person, die automatisch/reflexartig genau das tut, was sie immer tut, und zwischendurch ihre Phantasie ins Kraut schiessen lässt. Wie gehabt also, artig garniert mit ein paar Fetzchen aus Wolkenkuckucksheim.

Wer bin ich, wenn ich nicht ausbrenne?

An diesem Punkt gewinnt mein Blog seine volle Untiefe: Probieren geht über Studieren. Es kommt halt auf einen Versuch an. Dann lässt sich die Antwort auf die Frage an realem Geschehen ablesen. - "Ich weiss nicht, wie mir geschieht. Mir scheint fast, dass es mir leidlich gut geht. Die Situation ist ungewohnt, aber gerade noch erträglich; sie ist gewöhnungsbedürftig, aber nicht von vornherein zu vermeiden. Natürlich erfordert es eine gewisse Härte, es mir einfach gut gehen zu lassen, aber ich will da durch, und koste es das vertraute Leiden."

Das ist nicht etwa witzig. Und schon gar nicht optimistisch. Ich kann die Anhänglichkeit der Leutchen an ihr vertrautes Leiden verdammt gut verstehen. Da bin ich ein Experte. Es gibt keinerlei Anlass zu Hoffnung; die Wahrscheinlichkeit, dass sich was verändert, ist praktisch null. Es sei denn, es passiere eine mittlere Katastrophe oder der Leidensdruck übersteige sein anheimelndes Mass. Und auch dann gibt es bestimmt eine Möglichkeit, sich in eine Variante des Altvertrauten zu verkriechen.

Verflucht, ich merke, wie ich gegen einen drohenden Funken Zuversicht anschreibe, der sich von einem vorwitzigen Stückchen Neugier ernährt: "Wer bin ich, wenn ich nicht ausbrenne? - Ich will es nicht wissen, klar, ... aber so uninteressant wäre es vielleicht doch nicht ..."