T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, Februar 05, 2009

[Es ist eine alte Geschichte, / Doch bleibt sie immer neu; / Und wem sie just begegnet, / Dem springt das Herz entzwei. - Ja, der Heinrich gibt auch hier den Takt vor. Der fassungslos erzürnte Philotustan hat das Bedürfnis, dadurch allen seinen Freunden, die ihm ans Herz gewachsen sind, anzuzeigen, dass er immer noch empfänglich ist für die heiteren, freundlichen Töne. - Liebe deine Freunde, sei unerbittlich zu denen, die dir den Wecker verstellen!]


Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.

Er sprach, es geschah, und er sah, dass es gut war: (1) das Licht, (2) eine erste grobe Scheidung: die der Wasser durch die Feste, (3) eine zweite grobe Scheidung: Meer und Land; dazu die Pflanzen, (4) die Gestirne, (5) die Fische und die Vögel, (6) die Landtiere, die Menschen eingeschlossen.

Und der stinkzufriedene Schöpfer, frei von jedem Zornausbruch, weil unbehelligt noch durch das Geplärre des höheren Gewürms des sechsten Tages, sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.


Dann der wohlverdiente Schlaf des Gerechten, ... eine willkommene Gelegenheit für den ehemaligen Lichtträger und jetzigen Herrn der Finsternis, dem Ahnungslosen in sein Handwerk zu pfuschen und es dadurch - noch vor dem Sündenfall - gründlich zu verderben. - Hä!? Was war das?

Nun, das ist ein Teil der erlösenden Botschaft der Gnosis. Erlösung wovon? Von der Qual der langen vergeblichen Warterei auf das längst fällige Ende der Zeiten bzw. auf den Anbruch des Reichs Gottes. Das Warten ist zwecklos, die Schöpfung ist gründlich verdorben.


[Sommer 1990. Ich nehme den Schöpfungsbericht in Angriff. Ich fasse es nicht. Das soll alles gewesen sein? Nun, was hatte ich denn erwartet? [Ich krame in meinem Gehirnskasten nach Haydns 'Schöpfung':] Da fehlt doch die in grösster Verwirrung weichende höllische Geisterschar, die hinabstürzt in des Abgrunds Tiefen, zur ewigen Nacht, zur ewigen Nacht ... (Chor:) Verzweiflung, Wut und Schrecken begleiten ihren Sturz. Doch nicht erst Haydn hat mich über diese gewaltigen Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt. Diese Geschichte hatte ich schon als Schulbub auswendig lernen müssen. Nein, nicht das Libretto des Oratoriums mussten wir daherbeten. Es war unsere Schulbibel! Und so habe ich nicht schlecht gestaunt, als ich bei der Lektüre des von Sloterdijk und Macho herausgegebenen dicken Readers zur Gnosis ('Die Weltrevolution der Seele') in den gnostischen Evangelien erneut auf unsere alten Schulbibelgeschichten stiess. Auf unsern Schöpfungsbericht de luxe, den illusionsraubenden, der uns wohl gefasst machen sollte auf die triviale Erkenntnis des Erwachsenenalters: Die Welt ist schlecht. - Der weitaus schlichtere Text (Genesis 1) berührt. Die ungestörte Ruhe des tüchtigen Werkmannes berührt. Auch seine grossartige, durch kein martialisches Getöse unterfutterte Einzigkeit berührt. Die unberührte Schöpfung berührt.]

[Die 70er Jahre. Eine andere Heilserwartung: 'Spätkapitalismus': Das Verderben liegt in den letzten, besonders hässlichen, Zügen. Einst notwendig, jetzt überflüssig geworden: die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. Anbricht das neue Reich, das Reich der Freiheit. Aber dann hat die hässliche Fratze die Frechheit, einfach ungerührt weiterzuexistieren. Und einsetzt eine Light-Version der gnostischen Evangelien: Der abgrundtief schlechte Kapitalismus, dieses scheussliche Untier, vermag auch noch die grössten auf seine endgültige Vernichtung abzielenden Gegenbewegungen in sich aufzunehmen und für seine schmutzigen Zwecke zu vereinnahmen.]


[Fortsetzung folgt. - Aber wir wissen natürlich, dass da einer schon in weit kleineren Werken ertrunken ist. Na ja, jedenfalls lässt der Fassungslose sich z. Zt. durch keine Eintagsfliegen wie globale Klimakatastrophen oder allfällige Weltkriege, geschweige denn durch kleinkramsiges Gelaber aus der Zornesfassung bringen. Hoffen wir, dass er in Jahwe, dem grosse Zornbraten, wenigstens vorübergehend einen gewissen Halt findet. Eine feste Burg sei ihm der Herr! Amen.]