T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, November 15, 2009

[Arbeitstitel von mir - der Redaktor Philotustan]

[Ostalgia 1]


Ob ich Kontakte zur Staatssicherheit gehabt hätte, fragt man mich. Ach Gottchen! Was glaubt ihr denn, wo ich gelebt habe?! - Nein, in der Partei war ich nicht. Für den Leiter eines grösseren volkseigenen Betriebs schon ungewöhnlich, gewiss. Meine Freunde von der Stasi haben sich darüber wiederholt mockiert. Und auch darüber, dass ich irgendwie immer noch Hoffnungen in das System setzte. Die Herren waren ja sowas von abgebrüht. Aber immer interessant und anregend. Ich habe ja schliesslich auch nicht jeden von denen zu mir nach Hause eingeladen. So ein bisschen Gefasel von "Dialektik und so'n Zeugs eben" reichte mir nicht. Die mussten schon bereit sein, ab und zu einen meiner Exkurse zu Hegel mit runterzuspülen. Ja, ich hatte da immer was Spezielles in meinem Keller. Ich liess es mir schon was kosten, etwas über den Zustand meines Landes zu erfahren, was Hand und Fuss hatte.

Nun, ich gehörte nicht zu jenen, die 'das Ende eines Unrechtsstaates' herbeisehnten. Die Ereignisse von 89/90 waren für mich keine Offenbarung. Ich hatte in den späten Achzigern eher befürchtet, dass die Sache irgendwie nicht gut ausgehen könnte. Es waren vor allem so kleine Sachen, die ich aus den Gesprächen meiner Freunde aufschnappte, die mich beunruhigten. Der Jürgen beispielsweise schlug sich mit dem Problem herum, dass seine Abteilung knapp an Wanzen war: "Der Franz Josef Strauss ist ja jetzt auch tot. Und wer weiss, ob so schnell wieder einer kommt und uns einen Kredit von umgerechnet einer Milliarde DM vermittelt." Jakob: "Das schöne Kopfsteinpflaster!" Ja, das war schon hart: Wir mussten die Steine vom grossen Domplatz in Erfurt drangeben. Die wurden dann in Nürnberg wieder verlegt. Und dann - der Abend war schon fortgeschritten - Heiners obligater Brüller: "Wie wär's mit der Mauer?" Klar, kein geistloser Witz, aber so richtig froh mitlachen konnte ich da nicht.

Ach, ich weiss ja gar nicht, wo ich mit dem Erzählen anfangen soll und was ich überhaupt sagen will. Ich bin bloss froh, dass ich in Philotustans WG, wo ich jetzt zu Besuch bin, ein paar interessierte Zuhörer gefunden habe. Die Jubiläumsfeierlichkeiten haben mich einmal mehr ins Grübeln gebracht. Ich kriege einfach keine Ordnung in das Kuddelmuddel in meinem Kopf. "Schreib's auf! Kannst ja meinen Blog benutzen. Vielleicht hilft das." Und das tu ich jetzt. Ein Anfang ist jedenfalls gemacht. Für heute nur noch ein paar Angaben zu meiner Person:

Ich bin wieder einmal in die Schweiz gekommen, um meine Schwester, einen Republikflüchtling, zu besuchen. Sie hat hier einen eigenen Druckereibetrieb. Und halt auch ihre Sorgen: Sie habe doch beinahe eine technische Innovation im Druckereiwesen verpasst, habe schon einige wichtige Kunden verloren, der Wert ihres Maschinenparks drohe über kurz oder lang auf einen Schrottpreis zu fallen. "Neue Maschinen müssen her! Und zwar schnell. Investieren heisst es, Bruderherz, oder halt gleich dichtmachen." Solche Probleme kannte ich nicht. Brauchten wir nicht zu kennen. Aber andererseits plagt mich der Gedanke, ob diese verdammte Hetzerei mit der harten Konkurrenz und den praktisch erzwungenen technischen Innovationen und so nicht doch ihr Gutes hat. Ich meine, ein Trabi macht noch keinen Fortschritt. Und wenn ein gutherziger Betriebsdirektor über Jahre hinweg dafür sorgt, dass ein Plansoll eingehalten wird, muss das nicht zwangsläufig alle zwanzig Jahre zu einer kleinen Innovation führen. Nun, ich habe an der ökonomischen Überlegenheit der Gegenseite eigentlich nie ernsthaft gezweifelt. Wir hatten andere Werte. Unsere Oberdeppen hätten das ruhig so rausstreichen sollen, anstatt auf der Überlegenheit unseres Systems zu insistieren. Lächerlich! - Ich verzettle mich schon wieder. Ich wollte noch was zu meiner Person sagen:

Es geht mir gut. Ich arbeite jetzt als Fachmann für Logistik auf der Hauptpost in Gotha. Nebenbei: So ein Fachmann übt eine Tätigkeit aus, die bei uns früher die wenigen Leute ohne Abitur ausüben mussten. Aber ich habe da meine Ruhe, und überdies habe ich immer noch mein Häuschen in der Nähe von Oberhof, ganz nah beim Rennsteig, mitten im Thüringer Wald. Nöö, ich mag mich nicht im Westen niederlassen, auch nicht in der Schweiz. Unternehme auch keine grossen Reisen. Brauch ich nicht. Ich mache gerne Ausflüge an die Werra. Klar, es ist schon ein gutes Gefühl, selbige mit gutem Gefühl und ohne mein Leben aufs Spiel zu setzen auf einer unbewachten Brücke überqueren zu können. Und auch dass ich jetzt ab und zu Richtung Süden in eines der hübschen Bäderstädtchen Unterfrankens vorstossen kann, ist eine überaus feine Sache. Klar doch, sie hat schon auch ihre Vorteile, die Wiedervereinigung.

Mit Politik habe ich nichts am Hut. War ja auch nicht in der Partei. Aber das sagte ich schon. - Doch, wählen gegangen bin ich schon. - Die FDP. - Die kommen mir irgendwie ehrlich rüber. - Nein, ganz meine Linie ist das nicht. - Nein, die Linke kommt nicht in Frage. - Ach, fragt mich doch was Leichteres!

Auf bald!

Erich von der Post