T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, September 18, 2005

Thema: Opa erzählt 1

Feminismus


[Wir dachten ja schon, er sei eingeschlafen. Er hatte lange unbeweglich und mit halb geschlossenen Augen auf den Bildschirm geglotzt, wo die wie immer gut gelaunte Alice Schwarzer einem unerbittlichen Bedenkenträger und Schwerenöter ein paar Takte aus Heinrich Heine vorsang, die schöne alte Weise von denen, die schon gestorben sind und es bloss noch nicht wissen. Doch dann legte er los, unser Opa, mit seinem Abendständchen:]

Ja, die Feministinnen damals. Ich war 17 Jahre lang mit so einer zusammen. Ich war ja immer dafür. Ich konnte gar nicht anders. Sie haben mich oft zum Lachen gebracht. Und glaubt mir: Wir hatten nicht viel zu lachen, in der organisierten Linken, damals. -
Da sagt doch ein linker Macker - er hatte sich zu uns an den Tisch gesetzt, es waren vorwiegend Frauen da, er war noch nicht zu Wort gekommen, kein Weibsbild hatte ihn nach seiner Meinung gefragt - da sagt also dieser Macker zur Emanze: "Ich finde ja wirklich gut, was ihr da so macht. Aber wäre es nicht langsam an der Zeit, dass wir wieder gemeinsam ... also ich finde, wir sollten mehr miteinander ... ich meine das Gespräch ... ." Sie: "Ich hab im Moment einfach keinen Bock, mit dir zu stussen. Unterhalt mich im Moment gerade mit Frauen. Sei einfach mal einen Augenblick still." -
Ja, solche Töne taten es mir an. Ich konnte davon gar nicht genug kriegen. -
Auf unserer Suche nach dem revolutionären Subjekt (für Marx war's das Proletariat, aber dem wollten wir das doch nicht mehr so recht zutrauen) stiessen ein paar ganz Gewitzte schliesslich auf die bessere Hälfte der Bevölkerung: die Frauen. Ich seh sie noch schnauben, meine Marianne: "Frechheit das! Ihr Wichser lasst doch nichts unversucht, uns vor einen Karren zu spannen ... ." -
Ich hab von diesen Weibern viel gelernt, damals. Die hatten den Dreh raus. -
Die Thürmer-Rohr war Mariannes Idol. Die hab ich dann auch gelesen. Und mal im Fernsehen beobachtet, in einer "Sternstunde Philosophie". Sie wird nach ihrem Orgelspiel befragt, und legt los, über Bachs Orgelfugen. Ein männlicher Befrager versucht beflissen, das Gespräch auf wesentlichere Dinge zu lenken, und fragt sie nach der Aufgabenteilung im Haushalt. Sie: "Ach lassen Sie mich mit diesem Kram in Ruhe! Das hat mich noch nie interessiert. Wie andere Leute ihren Haushalt organisieren, war noch nie mein Thema." -
Ich hab gejapst vor Entzücken. Ja, so muss es sein: Bachs Orgelfugen und Leoparden und Computerprogramme und was halt sonst die eigene Sache ist, die einen gepackt hat, und keine faulen Kompromisse und keine halben Sachen, und wenn die Feministin dazu gedrängt wird, zum für sie Wesentlichen vorzudringen und endlich zu sagen, was man von ihr doch wohl erwarten dürfe, tut sie das umgehend: "Hab im Moment null Bock drauf!" -
Ich hatte ja nie Verständnis für den Feminismus. Ich war allzusehr begeistert von ihm. -
Ihr jungen Frauen braucht ja dieses Zeug nicht mehr, nehm ich mal an. Manchmal denke ich, ich bin der letzte Feminist. Es hat halt so gut getan .... damals ...chrrrhhhh ... bsühhhhh ... Was!? ... Wo bin ich!?? ... Ahhh! ... chrrrhhhh ... bsühhhhh ...

Schlaf wohl, du Bester. Morgen gibt es wieder viel Spannendes zu tun.


[Möglichkeit, den Opa als einen der anerkannten Hausgenossen ins Buch aufzunehmen. Ihn auf der rechten Seite bloss erwähnen und auf der linken von den alten Zeiten träumen lassen.]
[Fäden: 1) Meine Ansprache bei der Abdankungsfeier für die vom Opa erwähnte Marianne. - 2) Philip Roths Hymne auf die Campus-Schlampe Janie Wyatt aus 'The Dying Animal']