T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, September 15, 2005

Buchprojekt (Anerkennung)

Vorbemerkung: Der Artikel über die Toleranz ist noch nicht abgeschlossen. Ich tu mich schwer damit. Und während ich ihn so ruhen lasse, schieben sich andere, verwandte Themen vor die Toleranz (Ich bin ja gespannt, ob sie es schaffen werden, die hehre Tugend schliesslich zu verdrängen/entzaubern): Von Anerkennung und Coolness war schon die Rede. Und nun gesellt sich Richard Rorty mit seinem Konzept des Ethnozentrismus und seiner Figur des liberalen Ironikers dazu. Ich geh dem allem mal nach, ganz gemach, Stück für Stück, Blog für Blog, und dann werde ich weitersehen. Zunächst also Richard Rorty, der vielleicht nicht zu den bedeutenden, sehr wohl aber - zusammen mit David Hume und Odo Marquard etwa - zu den freundlichen Philosophen zählt:

Der Ethnozentrismus und
die Figur des liberalen Ironikers


Verschiedene (Gruppen von) Menschen haben verschiedene Werte. Diese Werte sind allesamt kontingent. (Welche Werte ich habe, hängt von vielem ab: vom Landstrich, wo ich geboren bin, von der Familie, in der ich aufgewachsen bin, ... . Kontingenz, so weit das Auge reicht.) (Das hat nichts mit Relativismus zu tun; das ist keinen Ismus wert; es ist allzu banal.)

Die Bejahung der Kontingenz und der Verzicht auf Metaphysik

Der Ethnozentrist sagt Ja zur Kontingenz. Er verzichtet (gerne) darauf, seine Werte vor der Kontingenz zu retten (sie härter, stabiler, 'objektiver' oder verbindlicher zu machen), indem er sie an etwas Nicht-Kontingentem befestigt. Er hat es nicht mit denen, die glauben, sie müssten alles, was in Werten nach Landstrich, Kinderstube, Jugendgruppe oder Ausbildung ausschaut, in stetem und redlichem Bemühen wegsäubern, um schliesslich etwas in der Hand zu haben, was mit diesen zufälligen Verunreinigungen nichts mehr zu tun hat und darum umso unbedingter gelten soll. Für solche Leute sind die wahren Werte 'abgeleitet', und zwar aus Prinzipien, die der individuellen Lebensgeschichte sowie der Geschichte jeder Ethnie spotten. - (Darüber, wie das Nicht-Kontingente, also das, was die Zufälligkeiten des Lebens hinter sich lässt (transzendiert), ausschauen könnte, will ich mir nicht weiter den Kopf zerbrechen. Ich bin einfach zu alt dazu.)

Der Ethnozentrismus bezeichnet den naheliegendsten Ausgangspunkt. Dieser wird gebildet aus den real existierenden, kontingenten Werten der Gruppe(n), der/denen der Ethnozentrist angehört. "Von was zum Teufel sollte ich denn sonst ausgehen?", fragt er. - Und dann mag eine abenteuerliche Reise beginnen. Der Ethnozentrist braucht sich sich ja vor dem Umgang mit Angehörigen anderer Gruppen nicht abzuschotten. Vielleicht sucht er gar 'die bereichernde Begegnung mit Menschen anderer Kulturkreise' oder so Zeugs. Vielleicht lernt er sogar eine nicht-indoeuropäische Sprache.* Er braucht ja nicht auf seinen Prinzipien zu reiten. Er mag bessere Fortbewegungsmittel wie feurige Lobeshymnen auf die Verfassung seines Heimatlandes oder liebevolle Einlassungen auf die Mentalität eines ihm schräg vorkommenden fremden Zeitgenossen benutzen. (Meiner Phantasie zumindest sind hier keine Grenzen gesetzt.) - Nur eines ist sicher: Den Ausgangspunkt der Reise bildet das Reich, das von dieser Welt ist, wo die Zufälligkeiten blühen und gedeihen, soweit das Auge reicht. -
* ["Hoppla! Jetzt hab ich dich. Du gehst offensichtlich wie selbstverständlich von deinem europäischen Hintergrund aus." - Und wie selbstverständlich das ist!)

Und der liberale Ironiker? - Seinetwegen liebe ich Richard Rorty. -
Stell dir einen freundlichen, gütigen Menschen vor. Zu dessen festesten Überzeugungen gehört, dass die Erniedrigung eines Menschen (die Aberkennung seines Personencharakters) die schlimmste Grausamkeit darstellt, die man sich vorstellen kann. Ab und zu bemerken wir in seinem Auge ein leichtes Zwinkern. Es sagt uns: "Ich bin ja nicht naiv. Ich bin mir voll und ganz bewusst, dass sogar meine tiefsten Überzeugungen kontingent sind." Und dann? "Dennoch halte ich an ihnen fest!" Und dann? Dann wendet er sich wohlwollend einem anderen Menschen zu.