T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, September 29, 2005

Rubrik: Existenzphilosophie

"Ach wie flüchtig, ach wie nichtig"
[Kantate zum 24. Sonntag nach Trinitatis, BWV 26]

Futility


[futile: adj producing no result; useless; pointless]

Philip Roth: The Professor of Desire. - Ich erinnere mich: David Kepesh in Prag. Gespräch mit einem Lehrer, der unter dem kommunistischen Regime nicht mehr unterrichten darf und der nun Melvilles "Moby Dick" ins Tschechische übersetzt, obwohl keine Aussicht auf Veröffentlichung besteht. Das Wort "futile" ist bei mir hängen geblieben. Der Mann erklärt, er übersetze mit grosser Ernsthaftigkeit, im Bewusstsein der "futility" seines Unterfangens.

Jahre später lese ich Roths "The Dying Animal": Der Ich-Erzähler (David Kepesh) spricht über sein Klavierspiel und verrät uns dann, was das 'Thema' seiner Erzählung ist:

I have a huge amount of music that I've read through. That's a technical term - it doesn't mean looking at it like you look at a book, it means at the piano. I've bought a lot of music, I have everything, piano literature, and I used to read it, and I used to play it, badly. Some passages maybe not so badly. To see how it worked and so on. It wasn't good in terms of playing, but I had some pleasure. And pleasure is our subject. How to be serious over a lifetime about one's modest, private pleasures.
(Vintage TB, 93f [Hervorhebung von mir])

Der Lehrer in Prag weiss um die Nutzlosigkeit seines Unterfangens. Und er betreibt es mit grosser Ernsthaftigkeit. -
David Kepesh pflegt seine kleinen Freuden. Und er versucht, sie/sich ernst zu nehmen. -
Richard Rortys liberaler Ironiker weiss um die Zufälligkeit auch seiner tiefsten Überzeugungen. Und er vertritt sie mit Ernst und Nachdruck.

Der Findling [To do: Verweis!] verfügt über so was wie ein Sinn-Organ, das ihm sein Tun immer wieder fragwürdig erscheinen lässt. Er kann es nicht schlicht dabei belassen, etwas zu tun, sich einer Sache völlig hinzugeben oder in ihr aufzugehen. Er wird zwischendurch auf sich selbst zurückgeworfen. Und diese 'Reflektion' scheint mir beileibe keine Horizonterweiterung oder Vertiefung oder ähnliches zu sein. Sie erscheint mir eher als hemmendes, lästiges Anhängsel, das dem freien Blick und dem Sich-Einlassen auf das Zeug, das die Welt ausmacht, im Weg steht.

In der Lebensspanne jedes Findlings mag es Momente geben, wo er Heideggers Analyse des 'Man' nur mit einem "Schön wär's!" quittieren kann. Der klare Blick des Findlings muss ein tapferer Blick sein. Und ein trotziger dazu: "Und zum Trotz fahre ich nun ernsthaft weiter!" Eine gute Mischung aus Trotz und Gelassenheit scheint das Rezept zu sein, die Existenz zu bestehen. Wer gegen die Welt anrennt, stösst nur besonders brutal wieder auf sich selber. Biegsam bleiben, sich einlassen auf Zeug, auch das Zeug anderer Findlinge, sich in den Ritzen und Poren der Gegenständlichkeit verkriechen, daselbst Schutz suchen vor den Gewittern, die periodisch über das Dasein hereinbrechen, daselbst sich im gnadenhaften Zustand der Selbstvergessenheit eines Kindes verlieren, das seinen Blick neugierig auf so viel Gezeugs und Gewürm und Getue, auch dasjenige seltsamer Findlinge, zu richten vermag: Das sind Aussichten! Und ein brutal-eleganter Abschluss dieses Blogs sind diese 'Aussichten' obendrein.

[Hoppla! Das alles hat ja mehr mit meinem Findling zu tun, als ich eingangs dachte. -
Das Problem der Architektur meines Buches stellt sich. - Wie wär's mit einem Buch, in dem man wie im Internet surfen kann? Von Kepesh geht's zu Heidegger oder Rorty, von Heidegger zum Findling, von der Existenzphilosophie zum Begriff der Anerkennung, von dort zur AA und dann wieder via Anerkennung zum katholischen Priester, der den erschöpften Leser dann via Augustinus zur Ruhe in Gott führen mag, oder so, oder ganz anders.]