T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Montag, September 12, 2005

Anerkennung (Buchprojekt)

Der kluge Hausherr


(andere Titel: Anerkenne und herrsche! - Anerkenne und tu, was du willst - Der aufgeklärte Fürst - Der Diktator und der aufgeklärte Fürst - Autonomie und Anerkennung - Freud und die Anerkennung ...)

Zuerst sei hier ein Personenbegriff eingeführt: Eine Person ist ein Bündel von propositionalen Einstellungen (ich denke hier in erster Linie an Wünsche und Überzeugungen).

Und dem lasse ich gleich eine bäumige These über das Unbewusste folgen: Das Unbewusste hat Personencharakter. -
Wir erinnern uns: Nach Kopernikus und Darwin hat Freud dem Ich eine dritte schwere 'Kränkung' zugefügt: "Das Ich muss erkennen, dass es nicht einmal Herr im eigenen Haus ist." - Diese Formulierung sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wann sagt man von jemandem, dass er nicht Herr im eigenen Haus ist? - Nun, man denkt dabei keineswegs an schadhafte Dächer oder unstabile Fundamente, nicht an böse Geister, die im Keller spuken, nicht an Geldnot, nicht an plündernde Soldaten. Nein: Eine Person ist dann nicht Herr im eigenen Haus, wenn eine andere, ihr nahestehende Person dort das Sagen hat. Das Ich muss also eingestehen, dass in seinem Haushalt noch mindestens eine andere Person ihren Einfluss geltend macht.

Im Folgenden werde ich nun systematisch mit diesem Bild arbeiten. Das Ich ist der Hausherr, der einem Haushalt vorsteht, dem neben ihm noch andere Personen mit eigenen Wünschen und Überzeugungen angehören.

Betrachten wir nun einen Hausherrn, der sich als unbeschränkter Diktator gebärdet und auf seine absolute Autonomie pocht. Dieser Hausherr muss mehr oder weniger drastisch erfahren, dass die Dinge nicht so laufen, wie er sie geplant hat. Dabei wusste er doch genau, was er wollte. Doch das Resultat ist oft erbärmlich. Und er versteht nicht, wie es dazu gekommen ist. Manchmal ist es, als hätte der Teufel ihn bei einem Vorhaben geritten oder ihm ins Handwerk gepfuscht. Es ist schon fast peinlich, wenn er am Stammtisch mit der Faust auf den Tisch haut und beteuert, dass er allein das Sagen habe, dass niemand ihm blöd vorbeikommen solle und was der Sprüche mehr sind. - Wir können seine Lage so zusammenfassen: Er gleicht einem Puppenspieler, der alle Fäden in der Hand hat. Bloss befinden sich an deren Ende keine Puppen. Die haben sich selbständig gemacht und tun zwischendurch, wonach ihnen gerade der Sinn steht.

Neben diesen Poltergeist stellen wir nun einen Hausherrn, der weiss, dass er auf seine Hausgenossen angewiesen ist. Er erkennt in ihnen Personen. Und die haben ihre eigenen Vorstellungen und Ansprüche. Diese nimmt er zur Kenntnis und, anstatt auf seine absolute Autonomie zu pochen, erkennt er in ihnen Beschränkungen seiner Selbstherrlichkeit. Er anerkennt die andern Personen. Dadurch gewinnt er selber die Anerkennung der andern. Er wird anerkannt als das, was er ist: als Herr im Haus.

Fazit: Eine gesunde Person weiss, dass andere Personen in ihr stecken, die anerkannt sein wollen. Sie setzt sich in ein bewusstes Verhältnis zu ihnen, anstatt sie zu leugnen. Sie hat den Traum von der unbeschränkten Autonomie verabschiedet und bemüht sich, den Haushalt in kluger Selbsbeschränkung mit Rücksichtnahme zu führen. Sie entgeht dadurch dem Los des Diktators, dessen Hausgenossen als nicht anerkannte sich in renitente, ungreifbare Mitbewohner, böse Hausgeister, Drachen und dergleichen verwandeln.

[In folgenden Beiträgen werde ich das Bild vom klugen Hausherrn konkretisieren, indem ich Personen vorstelle, die als anerkannte in verschiedenen mir bekannten Haushalten wohnen. Darunter wird ein Alkoholiker sein, der im Haus eines trockenen Alkoholikers wohnt. Ein erzkonservativer katholischer Ordensmann, der im Haushalt eines libertären Atheisten gut untergekommen ist. Ein Kriegsveteran, der für seine einsamen, schaurigen Geschichten Gehör bei einem gütigen und friedliebenden Hausherrn findet. Ein schlampiger und fauler Mensch, der einen kräftigen Kontrast in den peinlich sauber geführten Haushalt seines arbeitswütigen Herrn bringt. Und so weiter, und so fort. Und wenn ihre Herren nicht gestorben sind ...]