T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, Oktober 08, 2008

Rubrik: Sprachphilosophie


Vertreter der 'chattering classes' haben sich zum Tee eingefunden. Sie sitzen allesamt ganz versonnen da und hegen und pflegen jedes für sich seine privaten Gedanken. Alle Gedanken sind schon da, alle Gedanken, alle. Sie können bloss noch nicht kundgetan werden. Das ist schade. Wie angenehm wäre es doch, wenn es gelänge, "gewisse äussere, sinnlich wahrnehmbare Zeichen" zu finden, mit deren Hilfe die Kundgebung angestossen werden könnte. Nun ist es nicht etwa so, dass alle bloss dasitzen würden, ohne einen Laut von sich zu geben. Schliesslich verfügen alle über "jene artikulierten Laute, die der Mensch mit solcher Leichtigkeit und Mannigfaltigkeit zu erzeugen imstande" ist. Alle Wörter sind schon da, alle Wörter, alle. Fehlt nur noch die Sprache; die Zeichen fehlen. Doch nun die zündende Idee: Man nimmt "gerade die Wörter", deren Massenproduktion man ja schon beherrscht, und verwendet sie als Zeichen für seine Gedankenwelt. Das bedeutungslose Wortgeklapper hat ein Ende gefunden; es beginnt das bedeutungsvolle, geistreiche Gespräch.

Einen Haken hat die Sache noch: Die Bedeutung der Wörter "ist auf die Ideen dessen beschränkt, der sie gebraucht, und für nichts anderes können sie als Zeichen dienen". So redet jeder seinen eigenen englischen Idiolekt, und jeder englische Idiolekt ist vom andern, was die Bedeutung betrifft, so verschieden wie von irgendeinem chinesischen Idiolekt. Als freie Engländer sind sie alle geboren: Kein Mensch besitzt "die Macht, andere zu veranlassen, dieselben Ideen im Sinn zu haben wie er, wenn sie dieselben Wörter benutzen wie er." Schon klar also, wie die Geschichte weitergeht: Es wird ein "tacit consent" (ein 'Gentleman's Agreement') gefunden; durch ihn wird die Bedeutung der Wörter zwar enorm "beschränkt", aber die Vorteile für unsere Teegesellschaft sind doch augenfällig.


[Gestöbert in: John Locke: Versuch über den menschlichen Verstand.]