T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Oktober 10, 2008

Rubrik: Sprachphilosophie


Meine Art des Philosophierens ist mir selbst immer noch, und immer wieder, neu, und daher muss ich mich so oft wiederholen. Einer anderen Generation wird sie in Fleisch und Blut übergegangen sein, und sie wird die Wiederholungen langweilig finden. Für mich sind sie notwendig.
(Vermischte Bemerkungen, 1929)
[Lies 'Über Gewissheit' von 1951! Du wirst dort ähnliche Sätze finden.]


Die PU können schon ein Quälbuch sein. Zwischendurch mag einen die Ungeduld packen. Man will die Sache nun endlich auf den Punkt bringen und greift dabei zu irgendetwas Formelhaftem, an dem man sich nun festzuhalten gedenkt. (Die Formel wird sicher den Ausdruck 'Sprachgebrauch' enthalten, und vielleicht auch solche Dinger wie 'Sprachspiel', 'soziale Praxis' oder gar 'Lebensform'.) Nun, vielleicht wäre es am besten, an dieser Stelle einfach einen Punkt zu setzen. Doch da schnappt man dann noch schnell eine kurze Bemerkung auf: 'Denke dir nun ...', 'Wie steht es nun aber mit ...', 'Wie könnte nun einer, der ...' und dergleichen. Und das ganze Disaster beginnt von vorne. Du hast vielleicht den Eindruck, du müsstest deine Erfahrungen/Erkenntnisse irgendwie vertiefen, indem du deine Formel, die wieder einmal hinten und vorn nicht ausreicht, erweiterst. Aber: Noch ein paar Paragraphen, und du wirst weitersehen. [Noch ein paar Fortschritte, und wir werden weitersehen. (Enzensberger)] Wittgenstein lässt nicht locker. Er gönnt dir/sich[!] keine Ruhepause. Dein Denken verwickelt sich. Und kein Ende ist in Sicht. Dann schiessen dir vielleicht Wittgensteins Idealvorstellungen durch den Kopf, und du konstatierst, dass du von nichts weiter entfernt bist als davon: Du konstatierst gelassen: "Ich kenne mich (bloss) nicht aus." Du gehst da einer Tätigkeit nach, die du jederzeit abbrechen kannst. Du denkst nicht, du schaust bloss. Du schiesst deine Formeln/Erklärungen in den Ofen und lässt reine Beschreibung an ihre Stelle treten. Die Nebel, die gewisse Wörter umhüllen, lichten sich. Die Seelenruhe kehrt ein. - Pustekuchen!

[Wittgensteins Denken ist obsessiv. Er ist besessen vom Bild der Sprache und des menschlichen Geistes, wie er in unserer Teegesellschaft grassiert. - Einen schwärzeren Gedanken über mein Leben als diesen kann ich mir schwer vorstellen: Der Internatszögling hat sich bei der Lektüre der PU mit dem Virus seines Therapeuten infiziert.]

Nun, Wittgenstein hat gezeigt, was wir tun können: Wir verkrümeln uns aus der Teegesellschaft und begeben uns auf den Spielplatz. Augen auf und zugeguckt!

Ja, es war ein weiter Weg zum Sprachspiel im Par. 2. (Die Erweiterung in Par. 8 denken wir uns natürlich dazu.) Und das ist das Ende des Weges. Will heissen: Jedesmal, wenn neuer Nebel das Denken einzuhüllen droht, verkrümle ich mich auf den Spielplatz.

Die Bedeutung von 'gelb'


Was ist das denn?! - [Der Lehrer arbeitet mit Farbmustern, und er lässt den Schüler nie mehr als drei Bauteile gleichzeitig anschleppen:] "gelb platte dorthin." Dabei zeigt er ein rotes Farbmuster, und sein Finger weist exakt auf eine Pfütze. Der mittlerweile routinierte Schüler begibt sich zum Stapel mit den roten Platten, geht die Reihe der Farbwörter ["blau, gelb, rot"] bis zur zweiten Stelle durch und nimmt für jedes Farbwort je eine (rote) Platte, also genau zwei Platten, und legt diese exakt neben die Pfütze. - Ein Vorgang von allergrösster Durchsichtigkeit, wenn wir bloss aufmerksam hinschauen. - "gelb platte dorthin" + Blick auf Finger und Farbmuster. - Was die Platzierung der beiden Platten betrifft, schiesst uns nebenbei das 'Principle of Charity' durch den Kopf. Das schadet für einmal gar nichts: Der Schüler weiss halt, was gespielt wird [Einbettung der sprachlichen Äusserungen in eine gesellschaftliche Praxis blabla], und er will sich und seinem Lehrer früheren Ärger ersparen. - Ein harmloser Vernebelungsversuch noch: "Steht hier nicht das Wort 'gelb' für einen abstrakten Gegenstand, nämlich die Zahl zwei?" - Der hier ist noch harmloser: "Fungieren hier nicht die Wörter 'blau', gelb' und 'rot' - so wie die Buchstaben des Alphabets in Par. 8 - als Zahlwörter?" - Die Repliken schneien uns ins Gehirn: "Als 'Zählwörter', wenn schon, du Depp!" Der Rest ist Schulterzucken, Gekicher und dergleichen. Wir haben den erstrebten Seelenfrieden erreicht.

"Tja, und was genau ist nun die Bedeutung von 'gelb'?" - "Macht zwei Stunden Spielplatz. Den Bericht darfst du morgen abliefern."


Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, dass er grösser ausschaut, als er wirklich ist. (Nestroy. Motto der PU) - Ich darf ergänzen: Den Fortschritt, den wir erzielen, wenn wir uns auf den Spielplatz begeben, ist bedeutend grösser, als er ausschaut. Die Denkfortschritte hinken da bloss hinterher. Anders: Lass dich vom Fortschritt, den andere, die bereits beim Par. 6nn sind, gemacht haben, nicht zu sehr beeindrucken. [Nestroys Motto als freundliche Lektüreempfehlung: "Ich ziehe zwar weite gedankliche Kreise, aber bloss, weil ich keine Ruhe finde. Lass dich von ihnen also nicht zu sehr beeindrucken."]


[Musste hier einer "die leiter abewerfen, sô (er) an ir ûfgestigen"? - Hier für einmal ein exakterer Quellennachweis: So zitiert in 'Der Name der Rose' Pater Williams gegenüber seinem Gehilfen Adson "einen Mystiker aus (dessen) Heimat".]