T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, September 14, 2008

... und noch immer ist Sonntag


Regenwetter. Tiefe Temperaturen. Man ist unterwegs, denn es ist Sonntag. Und weil das Unterwegssein so unerfreulich ist, an diesem Sonntag, drängeln alle danach, in einem Café unterzukommen, vorbei an den Hinausdrängelnden, die mit vager Entschlossenheit und missmutig einen weiteren Brocken dieses Sonntags hinter sich zu bringen willens sind. Denn so viel ist sicher: Es verbleibt ein beträchtlicher Rest von Sonntag nach dem Kaffee. Das Streben der Leute ist vollkommen zielgerichtet: rein ins Café, raus aus dem Café. Die Sache verträgt keinen Aufschub. Der Platz ist beschränkt, und später hat man vom Herumsitzen und Schlürfen genug. Und auch der Platz im Zug ist ja nicht unbeschränkt, an diesem Sonntag, wo alle unterwegs sind, weil eben Sonntag ist.

"... und ein Glas Wasser, bitte." - (Genervt:)"Wasser versteht sich von selbst!" - "Eksgüse! - 'Das Urteil ist eine identische Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat'". - Wen wundert's, dass an so einem Sonntag Hegel wieder mal Kopula und Identität durcheinanderbringt. Was taugen sie überhaupt, meine Gespräche mit diesem Hegel? Jetzt bloss nicht an Heidegger denken! An diesem Sonntag droht alles in den selben grauen Strudel hineingezogen zu werden. Das Nichts nichtet wieder mal, dass es das Sein im Ganzen zernichtet, bis auf die Zeit, die gar lange weilt. Ich bin nicht gerne, wo ich herkomme; ich bin nicht gerne, wo ich hingehe. [Brecht ist gerade dabei, das Rad zu wechseln.] Warum betrachte ich das Treiben der Leute - ihr Schlürfen und Reflektieren - mit Ungeduld?

Es ist Sonntag, und ich warte auf den Montag. Der Montag ist der Tag, wo meine Probezeit am neuen Arbeitsplatz beginnt. Ich mag den Sonntag nicht, weil auf ihn dieser Montag folgt. Er soll zerstieben, dieser Sonntag, der Sonntag vor diesem bedrohlichen Montag. Er wird erträglich sein, dieser Montag. Die sonntägliche Warterei wird dann ein Ende gefunden haben.


Beim Schlafengehen

Nun der Tag mich müd gemacht,
Soll mein sehnliches Verlangen
Freundlich die gestirnte Nacht
Wie ein müdes Kind empfangen.

Hände, laßt von allem Tun,
Stirn, vergiß du alles Denken,
Alle meine Sinne nun
Wollen sich in Schlummer senken.

Und die Seele, unbewacht,
Will in freien Flügen schweben,
Um im Zauberkreis der Nacht
Tief und tausendfach zu leben.

(Hermann Hesse.)
[Musik: Richard Strauss. Das dritte der 'Vier letzten Lieder'.]