T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Montag, Dezember 25, 2006

Schuhe


Nach Feierabend. Zusammen mit einer Arbeitskollegin bin ich zu kurzem Stadtbummel und Plauderstündchen bei Kaffe nach Fribourg gefahren. Wir haben eben die erste Ampel gleich beim Bahnhof erreicht und warten. Da prustet meine Begleiterin geradezu hysterisch los und zeigt mit vorgestrecktem Finger auf die andere Strassenseite. Dort steht in der vordersten Reihe der drängend Wartenden ein junger Mann in der althergebrachten Bekleidung der Novizen eines Priesterseminars. Keine gänzlich ungewohnte Erscheinung. Doch ich begreife sofort: Was meine Kollegin dermassen aus dem Häuschen bringt, sind seine blitzsauberen, auffällig glänzenden Schuhe.

Es ist Samstagabend. Wir Zöglinge einer vorkonziliären katholischen Internatsschule haben die Zeit nach dem Abendessen dazu genutzt, alle unsere Schuhpaare auf Hochglanz zu trimmen. Nun warten wir auf die Ankunft des Präfekten, der darüber entscheiden wird, wer am folgenden Tag mit seinem vorzüglich gepflegten Schuhwerk die Bewohner des Dorfes in Erstaunen versetzen und wer stattdessen sein Schuhwerk schonen und seine Schreibkünste weiterentwickeln darf. Wir werden in gespannter Ruhe verharren, wenn der Examinator von einem Schuhfach zum andern schreiten und dabei entweder stumm nicken oder ein fehlbares Schuhpaar durch dir Luft wirbeln lassen wird.

Wir haben die Strasse überquert. Der Novize schreitet gemessenen Schrittes auf das Bahnhofgebäude zu, das erste Ziel seines hart verdienten Ausgangs. Meine Begleiterin hat sich noch nicht fassen können, während ich dabei bin, meine Gedanken auf mein solides, berggängiges Schuhwerk zu sammeln, das durch nichts so leicht zu Schaden kommt, es sei denn durch ein albernes Geschmiere, dessen Spuren durch kein noch so emsiges Bürstengesäbel sich beseitigen liesse.