T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, März 14, 2008

[Thema: Anerkennung]

Les Farley


Les Farley (Philip Roth: The Human Stain) hat ein Problem: Er existiert nicht.

Da wird doch der Vietnam-Veteran, der verschiedene Arten von Resozialisierungs- oder Integrationsprogrammen durchlaufen muss, einfühlsam gefragt, ob er schon mal einen Menschen getötet habe.

Diese Frage kommt aus einer Welt, deren erstes Bestreben der Liebe, dem Frieden und der Harmonie gilt. Es ist eine Welt, die - inmitten bedrängenderer Fragen wie der nach den letzten Vorkommnissen im Oral Office - auch für Wesen von andern Planeten ein Herz hat und sie zu verstehen versucht. Das Verfluchte ist bloss, dass unser Vietnam-Veteran der Meinung ist, dass er halt auch irgendwie dazugehöre: "That's what I was supposed to do!" - Ist es etwa ein Teil Ihrer Lebensgeschichte, dass es Ihnen mal widerfahren ist, in eine Lage zu geraten, wo Sie - ich frage das ganz ohne Vorwurf - glaubten, einen Menschen töten zu müssen. (Schon klar: Es muss sich dabei um eine Lage gehandelt haben, wie sie nur auf einem andern Planeten eintreten kann.) Unter uns kommt so etwas nicht vor, aber wir nehmen Anteil an Ihrem aussergewöhnlichen Schicksal und werden Ihnen helfen, wenn Sie sich kooperativ zeigen.

Tja, Les muss erkennen, dass es nicht mehr wie früher ist, als er noch existierte. Das mag eine grimmige Welt gewesen sein, damals, aber mit einer Welt, in der er nicht mehr existiert, kann er halt auch nicht viel anfangen. Die Botschaft seines Kriegskameraden und Freundes, dessen Name auf der grossen Gedenkmauer steht, kommt hingegen aus einer sehr präsenten Realität, in der er sofort Fuss fassen kann: Er tat, was er tun muss: Er beseitigt das verfluchte Hurenpaar und verzieht sich nach Arkadien.

Und ich hinterher. Natürlich gehe ich nicht gleich auf ihn zu oder los, sondern schneide mir weit abseits mein eigenes Loch in den zugefrorenen See. Ich beobachete, wie Nathan Zuckerman zum Seeufer zurückweicht und schleunigst im kleinen Wäldchen verschwindet. Es wundert mich nicht die Bohne, dass er mit einem Mal sein kleines Häuschen verkauft hat und aus der Gegend verschwunden ist. - "Wird er wiederkommen?" - Mein Anknüpfungspunkt. Les vermutet stark, dass das nicht der Fall sein wird. "Es ist schon verdammt finster da unten", sage ich und lache. Les: "See you."

Wir unterhalten uns nicht oft. Aber wir haben - vom Fischfang mal abgesehen - ein paar gemeinsame Themen: Das allmorgendliche Exerzieren bei jedem Wind und Wetter; die peinlich genaue Schuhkontrolle; der Arrest; das Heimweh; das Gefühl der Fremdheit im Heimaturlaub. Und dann halt eben auch die Frage, wie man nicht existiert, nachdem die Institutionen, in denen man aufgewachsen ist, wie vom Erdboden verschwunden sind.


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