T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Juni 13, 2008

Rubrik: Leserfragen


Wer bin ich, wenn ich nicht ausbrenne?

Die Frage lässt sich natürlich verbreitern: Wer bin ich, wenn ich
- nicht dauernd für andere den Kopf hinhalte?
- andere ihre Probleme selber lösen lasse/ihrem gottverdammten Schicksal überlasse?
- deutlich zu verstehen gebe, dass ich für so manches nicht zuständig bin?
...

Wir haben eingefleischte Gewohnheiten, die wir nicht preisgeben wollen, auch wenn sie uns eingestandermassen stark belasten. Die Angst davor, etwas Vertrautes aufzugeben, mag in einer Frage wie der obigen einen philosophischen Ausdruck finden. Die Vorstellung, sich zurückzulehnen und entspannt zuzuschauen, wie andere auf ihre Weise ein Problem lösen oder daran mehr oder weniger grandios scheitern, evoziert das Gespenst einer Identitätskrise.

Es ist vollkommen klar, dass, wer die Fragen stellt, sie nicht beantworten kann. Was tue ich, wenn ich nicht das tue, was ich automatisch/reflexartig immer tue? Wie fühlt sich das dann an? Wer bin ich dann? Hier kann ich meine Phantasie natürlich ins Kraut schiessen lassen. Ich bin dann eine Person, die automatisch/reflexartig genau das tut, was sie immer tut, und zwischendurch ihre Phantasie ins Kraut schiessen lässt. Wie gehabt also, artig garniert mit ein paar Fetzchen aus Wolkenkuckucksheim.

Wer bin ich, wenn ich nicht ausbrenne?

An diesem Punkt gewinnt mein Blog seine volle Untiefe: Probieren geht über Studieren. Es kommt halt auf einen Versuch an. Dann lässt sich die Antwort auf die Frage an realem Geschehen ablesen. - "Ich weiss nicht, wie mir geschieht. Mir scheint fast, dass es mir leidlich gut geht. Die Situation ist ungewohnt, aber gerade noch erträglich; sie ist gewöhnungsbedürftig, aber nicht von vornherein zu vermeiden. Natürlich erfordert es eine gewisse Härte, es mir einfach gut gehen zu lassen, aber ich will da durch, und koste es das vertraute Leiden."

Das ist nicht etwa witzig. Und schon gar nicht optimistisch. Ich kann die Anhänglichkeit der Leutchen an ihr vertrautes Leiden verdammt gut verstehen. Da bin ich ein Experte. Es gibt keinerlei Anlass zu Hoffnung; die Wahrscheinlichkeit, dass sich was verändert, ist praktisch null. Es sei denn, es passiere eine mittlere Katastrophe oder der Leidensdruck übersteige sein anheimelndes Mass. Und auch dann gibt es bestimmt eine Möglichkeit, sich in eine Variante des Altvertrauten zu verkriechen.

Verflucht, ich merke, wie ich gegen einen drohenden Funken Zuversicht anschreibe, der sich von einem vorwitzigen Stückchen Neugier ernährt: "Wer bin ich, wenn ich nicht ausbrenne? - Ich will es nicht wissen, klar, ... aber so uninteressant wäre es vielleicht doch nicht ..."