T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Samstag, Januar 21, 2006

Projekt: Übersetzung von 'Three Varieties of Knowledge' aus 'Subjective, Intersubjective, Objective' (3)

Teil I
Teil II

Ein Interpret kann die propositionalen Einstellungen einer andern Person nicht direkt beobachten; Überzeugungen, Wünsche und Absichten, die Absichten, die die Bedeutung von Äusserungen teilweise festlegen, eingeschlossen, sind für das blosse Auge unsichtbar. Indes kann der Interpret sich an die äusseren Manifestationen, Äusserungen eingeschlossen, dieser Einstellungen halten. Da wir ja imstande sind, aufgrund solcher Manifestationen herauszufinden, was ein Handelnder im Sinn hat, muss es eine nachvollziehbare Verbindung zwischen Einstellung und deren Bekundung geben. Wie stellen wir diese Verbindung her? Mir ist nur ein Weg bekannt: Ein Interpret kann - hinreichend oft - wahrnehmen, dass ein Handelnder eine bestimmte Art von Einstellung zu einem Gegenstand oder Ereignis hat, das der Interpret wahrnimmt. Wenn der Interpret auf diese Weise die Einstellungen eines andern direkt individuieren könnte, wäre das Problem gelöst, aber nur unter der Annahme, dass der Interpret ein Gedankenleser ist. Indes wäre die Lösung nicht schon vorweggenommen, wenn wir annähmen, der Interpret könne eine oder mehrere nicht-individuierende Einstellungen ermitteln. Beispiele für die besondere Art von Einstellungen, die ich hier im Auge habe, sind: den jeweiligen Satz für wahr halten, wünschen, dass ein Satz wahr sei, oder lieber mögen, dass ein bestimmter Satz und nicht etwa ein anderer wahr ist. Die Annahme, dass wir eine solche Einstellung ermitteln können, hat die Antwort auf die Frage, wie wir die Einstellungen mit konkretem Gehalt ausstatten, nicht schon vorweggenommen, da ja eine Beziehung wie die des Für-wahr-Haltens zwischen einem Sprecher und einer Äusserung eine extensionale Beziehung darstellt, von deren Bestehen wir wissen können, auch wenn wir die Bedeutung des Satzes nicht kennen. Diese Einstellungen sind nicht-individuierend, denn sie differenzieren, obwohl psychologischer Natur, nicht die unterschiedlichen propositionalen Gehalte von Äusserungen.

[Vermerk: Aus dem 'speaker' wird unter der Hand der 'agent', der Held der 'Essays on Actions and Events'. Der hat was im Sinn (he 'thinks and means'). - Unser 'interpreter' ist entschieden mehr als ein 'Übersetzer'; er deutet auch Handlungen; so wie die Situation sich darstellt, muss er, um ein guter Übersetzer zu sein, auch Handlungen deuten können.]

[Liebes Tagebuch, Ich bin etwas ins Schwimmen geraten. Es rächt sich eben früher oder später, wenn man den Quine nicht voll drauf hat. Der redet ja im Hintergrund immer mit. Sein Word and Object ist mir weniger geläufig als der Rosenkranz. Traurig, traurig, aber wahr. -
Die Rede ist von einer Lücke zwischen den Einstellungen und ihren beobachtbaren äusseren Manifestationen. Die Frage ist, wie diese Lücke (tatsächlich!) geschlossen wird. Die erste Antwort lautet: Wir nehmen die Einstellungen schlicht wahr ('perceive'). Mit dieser Antwort verlieren wir aber unsere Frage, es sei denn, wir gäben uns mit einem Rekurs auf Gedankenlesen zufrieden. Eine befriedigende Antwort muss also spezifizieren, was genau wir da wahrnehmen. Darum die Unterscheidung zwischen individuierenden und nicht-individuierenden Einstellungen.]

In Word and Object berief Quine sich auf die nicht-individuierende Einstellung der veranlassten Zustimmung. Da ja jemand teils aufgrund seiner Überzeugung, teils aufgrund dessen, was eine Äusserung bzw. ein Satz in seiner Sprache bedeutet, der Äusserung zustimmt bzw. den Satz für wahr hält, stellte sich für Quine das Problem, diese beiden Elemente auf der Grundlage von Hinweisen, die das Zusammenwirken beider geltend machen, auszusondern. Gelingt dies, resultiert daraus eine Theorie der Überzeugung sowohl als auch der Bedeutung für den Sprecher, denn sie muss zu einer Interpretation der Äusserungen des Sprechers führen, und wenn man weiss, dass der Sprecher der Äusserung zustimmt und was sie in seinem Mund bedeutet, kennt man auch seine Überzeugung.

[Liebes Tagebuch. Ich komme mir hier im Dschungel schon etwas verloren vor. Du kannst das daraus ablesen, dass sich die handfesten 'Belege' mittlerweile in zarte 'Hinweise' verwandelt haben. Wenn ich mir die Kühnheit des 'Interpreten' vor Augen halte, überlege ich mir, ob ich ihn nicht zum 'Hermeneutiker' befördern sollte.]

Der Vorgang des Auseinanderdividierens von Bedeutung und Überzeugung bringt zwei grundlegende Prinzipien ins Spiel, welche geltend gemacht werden müssen, wenn ein Sprecher überhaupt verstanden werden soll: das Kohärenzprinzip und das Korrespondenzprinzip. Das Kohärenzprinzip hält den Interpreten dazu an, in den Gedankengängen des Sprechers ein gewisses Mass an logischer Konsistenz ausfindig zu machen; das Korrespondenzprinzip hält den Interpreten dazu an, den Sprecher anzusehen als jemanden, der auf die selben Merkmale der Welt reagiert, auf die er (der Interpret) unter ähnlichen Umständen reagieren würde. Beide Prinzipien können Prinzipien des Wohlwollens genannt werden (und sind auch schon so genannt worden): Das eine Prinzip stattet den Sprecher mit einem Mindestmass an Logik aus, das andere mit einem gewissen Mass davon, was der Interpret für wahre Überzeugung bezüglich der Welt hält. Wenn es denn zustandekommen soll, muss Verstehen dem, der verstanden werden soll, eine elementare Form von Rationalität zuerkennen. Aus dem Wesen genauen Verstehens folgt, dass für den Sprecher sowohl wie den, der ihn versteht, sowie für ihre Äusserungen und Überzeugungen ein gemeinsamer Standard bezüglich Konsistenz und Orientierung an den Fakten gilt.

Zwei Fragen drängen sich an dieser Stelle auf. Die erste lautet: Warum sollte ein interpersonaler Standard ein objektiver Standard sein, d.h. warum sollte, worin Leute übereinstimmen, wahr sein? Die zweite lautet: Auch wenn es so ist, dass Verständigung einen objektiven Standard an gemeinsamen Wahrheiten unterstellt, warum sollte sie der einzige Weg sein, einen solchen Standard zu etablieren?

[Zur zweiten Frage: Warum sollte, wenn denn ein objektiver Standard notwendige Bedingung für Kommunikation ist, Kommunikation die einzige hinreichende Bedingung für diesen objektiven Standard sein?]

Hier ist eine Möglichkeit, diese Fragen zu beantworten. Alle Lebewesen klassifizieren Gegenstände und Aspekte der Welt in dem Sinn, dass sie bestimmte Reize als einander ähnlicher als andere behandeln. Das Kriterium, das wir in Ansehung dieser klassifizierenden Tätigkeit verwenden, ist das der Ähnlichkeit von Reaktionen. Ohne Zweifel erklären die Evolution und die mit ihr verbundenen Lernprozesse diese Verhaltensmuster. Aber unter welchem Gesichtspunkt können diese als Muster angesehen werden? Das Kriterium, auf dessen Grundlage wir von einem Lebewesen sagen können, es sehe Reize als ähnlich, als einer bestimmten Klasse angehörend, an, ist die Ähnlichkeit der Reaktionen des Lebewesens auf diese Reize; was aber ist das Kriterium für die Ähnlichkeit der Reaktionen? Dieses Kriterium kann nicht aus den Reaktionen des Lebewesens abgeleitet werden; es kann nur von den Reaktionen eines Beobachters auf die Reaktionen des Lebewesens herrühren. Und nur dann, wenn ein Beobachter bewusst Korrelationen zwischen den Reaktionen eines andern Lebewesens und Gegenständen und Ereignissen aus seiner eigenen Welt herstellt, besteht überhaupt ein solider Anhaltspunkt für die Aussage, ein Lebewesen reagiere gerade auf diese Gegenstände und Ereignisse und nicht vielmehr auf andere. Als Möchtegern-Interpreten des Sprachverhaltens des Sprechers eines fremdartigen Idioms fassen wir deutlich voneinander abgegerenzte Sprechakte des Sprechers zu Einheiten zusammen: 'Mutter', 'Schnee', 'Tisch', wenn wiederholt als Ein-Wort-Sätze geäussert, tönen ähnlich, wenn wir angemessen auf sie eingestimmt sind. Wenn wir dann allerlei Gegenstände oder gar Ereignisse in der Welt ausfindig machen, die wir mit den Äusserungen eines Sprechers korrelieren können, sind wir auf dem besten Weg zur Deutung des elementarsten Sprachverhaltens.

Wenn wir jemandem eine Sprache beibringen, wird die Situation komplexer, aber auch erkennbarer interpersonal. In ihren Grundzügen schaut sie so aus: Ein Beobachter findet eine Regelmässigkeit im Sprachverhalten des Informanten (oder ein Lehrer bringt einem Lernenden eine Regelmässigkeit in dessen Sprachverhalten bei), welche er mit Gegenständen und Ereignissen in der Umgebung korrelieren kann. Selbstverständlich kann dies zu einem grossen Teil ohne voll ausgestaltete Gedanken auf der Seite des Beobachteten stattfinden, aber es bildet die notwendige Grundlage dafür, der beobachteten Person Gedanken und Bedeutungen zuzuschreiben. Denn solange das Dreieck, welches zwei Lebewesen untereinander und jedes Lebewesen einzeln mit von beiden geteilten Merkmalen der Welt verbindet, nicht vollständig ist, kann es keine Antwort auf die Frage geben, ob ein Lebewesen, wenn es zwischen Reizen unterscheidet, zwischen Reizen auf seinen Sinnesoberflächen unterscheidet oder solchen, die irgendwo weiter draussen oder weiter drinnen anzusiedeln sind. Ohne diese geteilte Reaktion auf geteilte Reize hätten Denken und Rede keinen bestimmten Inhalt - das heisst, sie hätten überhaupt keinen Inhalt. Es braucht zwei Gesichtspunkte, um die Ursache eines Gedankens zu lokalisieren und damit dessen Inhalt zu bestimmen. Wir können uns die Sache als eine Form von Triangulation denken: Von zwei Personen reagiert jede jeweils unterschiedlich auf aus einer bestimmten Richtung auf sie einströmende Sinnesreize. Wenn wir die einfallenden Strahlen wieder hinausprojizieren, befindet sich die gemeinsame Ursache an ihrem Schnittpunkt. Wenn nun die zwei Personen ihre Reaktionen (im Fall der Sprache sprachliche Reaktionen) gegenseitig wahrnehmen, kann jede diese beobachteten Reaktionen mit ihren jeweiligen, von der Welt ausgehenden Reizen korrelieren. Damit ist eine gemeinsame Ursache bestimmt. Das Dreieck, welches Denken und Rede mit Gehalt versieht, ist vollständig. Aber zum Triangulieren braucht es zwei.

[triangulieren: "Honny soit ..."]

Bevor nicht durch Kommunikation mit jemand anderem eine Grundlinie gezogen ist, hat es keinen Spitz zu sagen, unsere eigenen Gedanken oder Wörter hätten einen propositionalen Gehalt. Wenn das aber so ist, ist klar, dass Wissen vom Geist eines andern für jedes Denken und jedes Wissen wesentlich ist. Wissen von einem andern Geist ist jedoch nur möglich, wenn man über Wissen von der Welt verfügt, denn die Triangulation, welche für Denken wesentlich ist, verlangt von den Kommunizierenden anzuerkennen, dass sie Positionen in einer miteinander geteilten Welt einnehmen. So sind denn Wissen vom Geist anderer und Wissen von der Welt gegenseitig aufeinander angewiesen; keines von beiden kommt ohne das andere aus. Ayer hatte sicher Recht, als er sagte: "Erst mit dem Engagement von Sprache kommen Wahrheit und Irrtum, Gewissheit und Ungewissheit zu ihrem die Szene beherrschenden Auftritt." (2)

(2) A. J. Ayer, The Problem of Knowledge, 54

Wissen von den propositionalen Gehalten unseres eigenen Geistes ist ohne die andern Arten des Wissens nicht möglich, da es ja ohne Kommunikation kein propositionales Denken gibt. Auch gilt, dass wir nicht in der Lage sind, anderen Gedanken zuzuschreiben, wenn wir nicht wissen, was wir selber denken, denn anderen Gedanken zuzuschreiben besteht darin, das sprachliche und andere Verhalten anderer mit unsere eigenen Gedanken oder sinnvollen Sätzen [Anm.] abzustimmen. Wissen von unserm eigenen Geist und Wissen vom Geist anderer sind somit wechselseitig aufeinander angewiesen.

[[Anm.]
Unsereins liebt abwechslungsreiche Kost: Neben üppigen Schwarzwälder Torten wissen wir auch das in Schützengräben und Gefangenenlagern entstandene solide Gewirk (also doch noch ein Stück Torte!) von Wiener Handwerksmeistern zu schätzen:
4          Der Gedanke ist der sinnvolle Satz.
]
Weiter geht es hier.

2 Comments:

Blogger Edo said...

Immer wenn ich deinen Blog lese, bekomme ich Lust weiter zu studieren... Ist das ein gutes Signal?

Januar 29, 2006  
Blogger Philotustan said...

Ich bin entzückt! - Jedenfalls ist es ein gutes Signal für mich. Wie es scheint, vermögen auch nahrhaftere Brocken Hegel und Davidson dir den Appetit auf iberische Köstlichkeiten nicht zu verderben. Und das ist entschieden ein gutes Signal für dich!

Januar 29, 2006  

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