T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Januar 06, 2006

Projekt: Übersetzung von 'Three Varieties of Knowledge' aus 'Subjective, Intersubjective, Objective' (1)

[Vorbemerkung zur Wahl des Essays:
'Three Varieties of Knowledge', Essay 14, comes closest to pulling together the main ideas in this book [Subjective, Intersubjective, Objective]. If all the essays had been written after my thougths had gelled, 'Three Varieties of Knowledge' would certainly have come first, and a reader who wants an overview might well begin here. (xvii)]

Drei Spielarten des Wissens


Ich weiss in den allermeisten Fällen, was ich denke, will und beabsichtige und was meine Empfindungen sind. Zusätzlich weiss ich eine ganze Menge über das Stück Welt, das mich umgibt; ich weiss seine Gegenstände zu verorten und deren Grössenverhältnisse und wirkursächlichen Zusammenhänge zu bestimmen. Manchmal weiss ich auch, was im Geist anderer Leute vor sich geht. Jede dieser drei Arten von empirischem Wissen hat ihre charakteristischen Unterscheidungsmerkmale. Was ich über die Inhalte meines Geistes weiss, weiss ich im allgemeinen ohne Vermittlung durch Belege oder Untersuchungen. Es gibt Ausnahmen, doch die Tatsache, dass wir ihnen misstrauen, solange sie nicht mit dem Charakter der Unvermitteltheit sich ausweisen können, bescheinigt dem unvermittelten Wissen von sich selbst seine Vorrangstellung. Andererseits hängt mein Wissen über die Welt ausserhalb meiner selbst von der Arbeitsweise meiner Sinnesorgane ab, und diese kausale Abhängigkeit von den Sinnen macht meine Überzeugungen bezüglich der natürlichen Welt offen für eine gewisse Unsicherheit, die sich im Fall der Überzeugungen bezüglich unserer eigenen Geisteszustände nur selten einstellt. Viele meiner schlichten Wahrnehmungen dessen, was in der Welt vor sich geht, basieren nicht auf weiteren Belegen; meine Wahrnehmungsüberzeugungen sind schlicht direkt durch die Ereignisse und Gegenstände um mich herum verursacht. Aber mein Wissen von den propositionalen Inhalten des Geistes anderer ist niemals in diesem Sinn unmittelbar; ich hätte keinen Zugang zu dem, was andere denken und wertschätzen, wenn ich nicht ihr Verhalten beobachten könnte.

Selbstverständlich sind alle drei Arten des Wissens mit Aspekten der selben Realität befasst; das, worin sie sich unterscheiden, ist die Art des Zugangs zur Realität.

Die Beziehungen zwischen den drei Arten empirischen Wissens, insbesondere Fragen der begrifflichen Priorität, haben lange die Liste der erkenntnistheoretischen Interessen von Philosophen angeführt, und sie sind hier mein Thema. Viele geläufige Herangehensweisen an die Frage, wie die drei Arten von Wissen aufeinander bezogen sind, halten das Wissen von sich selbst für primär, vielleicht wegen seiner Unmittelbarkeit und relativen Gewissheit, und versuchen dann, das Wissen über die Aussenwelt aus ihm abzuleiten; als letzten Schritt versuchen sie, das Wissen über den Geist anderer auf Beobachtungen von deren Verhalten abzustützen. Dies ist natürlich nicht die einzige Richtung, die die Ableitung einschlagen kann: Man wird stattdessen vielleicht Wissen über die Aussenwelt, zumindest in einigen seiner Erscheinungsformen, für grundlegend halten und versuchen, die andern Wissensformen zu ihm in Beziehung zu setzen oder sie auf es zu reduzieren. Die Ausarbeitung solch reduktionistischer Ansätze und der Aufweis ihres Scheiterns macht einen beträchtlichen Teil der Philosophiegeschichte von Descartes bis zur Gegenwart aus. Wenn in der jüngsten Vergangenheit viele Philosophen sich von diesen Problemen abgewendet haben, geschah dies nicht in der Meinung, die Probleme seien gelöst worden, sondern weil die Probleme sich jeder Behandlung zu widersetzen scheinen. Natürlich besteht auch die wehmütige Hoffnung, dass die Probleme selbst Scheinprobleme sind.

[Viele aus der Gilde der Seelenklempner haben das Handtuch geworfen. Ein Widerstand, der über Jahrhunderte hinweg nicht abnimmt, stellt nicht länger einen therapeutischen Ansatzpunkt dar. Da taucht ein neuer Gedanke auf, der, wenn er auch ans Portemonnaie gehen könnte, doch wehmütige Hoffnung weckt: Der Patient ist möglicherweise kerngesund.]

Dies kann nicht zutreffen. Es gibt zwingende Gründe dafür, die Auffassung, dass keine der drei Formen des Wissens auf eine oder beide der andern reduzierbar ist, hinzunehmen. Hier führe ich meine eigenen Gründe für diese Auffassung an; aber die Aussichtslosigkeit, je leistungsfähige Reduktionsverfahren zu finden, ist für mich allein schon aus der beinahe allseitigen Verwerfung standardisierter Reduktionsprogramme ersichtlich. Der Skeptizismus in mancherlei seiner geläufigen Erscheinungsformen ist der Tribut, den wir der offensichtlichen Unmöglichkeit, die drei Formen des Wissens zu vereinen, zähneknirschend zollen: Eine Form des Skeptizismus ergibt sich aus der Schwierigkeit, unser Wissen über die Aussenwelt aufgrund unseres Wissens über unsern Geist zu erklären; eine andere anerkennt, dass unser Wissen über den Geist anderer sich nicht in dem, was wir von aussen beobachten, erschöpfen kann. Die Renitenz des Leib-Seele-Problems ist ein anderer socher Tribut.

[Die Nichtreduzierbarkeiten fordern jede für sich einen Tribut, den wir ihnen in der Form verschiedener Spielarten des Skeptizismus widerwillig zollen. Darüber hinaus sorgen sie dafür, dass wir mit einigem Widerwillen nach wie vor einen ganz alten Hut (das Leib-Seele-Problem) nicht endlich ablegen können.]

Auffällig ist, wie weitgehend Philosophen, selbst solche, die die Möglichkeit, Überzeugungen bezüglich der Aussenwelt zu rechtfertigen, in Zweifel ziehen, diese Zweifel ablegen, wenn sie dazu übergehen, das Problem des Geistes anderer zu erwägen; auffällig, da ja das letztere Problem nur auftauchen kann, wenn Wissen über Verhalten, und hiermit über die Aussenwelt, möglich ist. Die Probleme voneinander abzusondern hat den unerwünschten Effekt, die Tatsache zu verwischen, dass die zwei Probleme auf einer gemeinsamen Annahme beruhen. Die Annahme lautet: Der Wahrheitswert einer Aussage darüber, was für Überzeugungen bezüglich der Welt eine Person hegt, ist logisch unabhängig vom Wahrheitswert dieser Überzeugungen selber. Dies scheint zweifellos zuzutreffen, denn sicherlich ist die Gesamtheit der Überzeugungen und subjektiven Erfahrungsinhalten einer Person logisch konsistent mit der Falschheit einer jeden dieser Überzeugungen. So verbürgt denn kein Ausmass an Wissen über die Inhalte seines eigenen Geistes die Wahrheit einer einzigen Überzeugung bezüglich der Aussenwelt. Die logische Unabhängigkeit des Mentalen wirkt sich gleichermassen in die andere Richtung aus: Kein noch so breites Ausmass an Wissen über die Aussenwelt zieht die Wahrheit darüber, was sich in einem Geist abspielt, nach sich. Wenn zwischen dem Geist und der Natur eine logische Schranke oder Erkenntnisschranke steht, hindert diese uns nicht nur am Rausschauen; sie lässt auch keinen Blick von aussen hineinwerfen.

[Vielleicht ist da draussen jemand, der sich mal die Syntax von "It is striking the extent to which philosophers ... have put aside these doubts" anschaut. Vielleicht kennt dieser Jemand sogar eine Englischlehrerin, die mit ihm gemeinsam über einen philosophischen Text sich zu beugen und ihre grossen Scheinwerfer auf ihn - den Text natürlich und, wenn er Glück hat, auch auf ihn selber - zu richten geneigt ist.]

Manchmal wird angenommen, dass, wenn wir das Problem des Wissens darüber, was sich überhaupt in einem Geist abspielt, trennen vom Problem des Wissens darüber, was - egal was - auch immer ausserhalb unserer selbst sich abspielt, dass dann das Problem des Wissens über den Geist anderer gelöst ist, wenn wir begreifen, dass es Teil des Begriffs eines mentalen Zustandes oder Ereignisses ist, dass bestimmte Verhaltensweisen oder andere äussere Anzeichen als Belege für das Vorhandensein dieses mentalen Zustandes oder Ereignisses gelten. Zweifellos stimmt, dass es Teil des Begriffs eines mentalen Zustandes oder Ereignisses ist, dass er/es durch Verhalten angezeigt wird. Was unklar bleibt, ist, inwiefern dies eine Erwiderung auf den Skeptiker darstellt. Denn die Tatsache, dass Verhalten anzeigt, was in einem Geist vor sich geht, bietet keine Erklärung für die Asymmetrie zwischen dem indirekten Wissen, über das wir bezüglich des Geistes anderer, und dem direkten Wissen, über das wir bezüglich unseres eigenen Geistes verfügen. Die angebotene Lösung besteht darauf, dass Verhaltensbelege hinreichend sein können dafür, andern in gerechtfertigter Weise mentale Zustände zuzuschreiben, während sie anerkennt, dass solche Belege für die Selbstzuschreibung der gleichen Zustände irrelevant sind. Aber wenn uns keine Erklärung für diese auffällige Asymmetrie gegeben wird, müssten wir schliessen, dass wir es tatsächlich mit mit zwei Arten von Begriffen zu tun haben: mentale Begriffe, die für andere, und mentale Begriffe, die für uns selbst gelten. Wenn die mentalen Zustände anderer uns nur durch das Verhalten und andere äussere Manifestationen bekannt sind, während dies auf unsere eigenen mentalen Zustände nicht zutrifft, warum sollten wir dann annehmen, unsere eigenen mentalen Zustände seien denen anderer in irgendeiner Weise ähnlich? Wir könnten uns auch fragen, warum wir nicht, wenn diese Antwort auf das Problem des Wissens über den Geist anderer zufriedenstellend ist, eine entsprechende Lösung für das Problem des Wissens über die Aussenwelt akzeptieren sollten. Es ist jedoch weitgehend anerkannt, dass diese Antwort auf den allgemeinen Skeptizismus inakzeptabel ist. Machen wir einen Unterschied zwischen den beiden Problemen, weil wir annehmen, dass wir, obwohl die Aussenwelt uns nur durch Erfahrung zugänglich ist, gleichwohl von hier in nachvollziehbarer Weise auf die Erfahrungen anderer extrapolieren können, weil wir ja in unserem eigenen Fall Zugang zu Erfahrung haben? Aber diese Annahme setzt die Antwort auf die Frage schon voraus, da sie ja unbegründet davon ausgeht, dass, was wir die mentalen Zustände anderer nennen, dem ähnelt, was wir als mentale Zustände in uns selbst ausmachen.

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