T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, Januar 13, 2006

Projekt: Übersetzung von 'Three Varieties of Knowledge' aus 'Subjective, Intersubjective, Objective' (2)

Teil 1

Ich habe diese Probleme in ihrer ganzen Vertracktheit durchgespielt, weil ich in erster Linie hervorheben will, wie seltsam doch die Tatsache ist, dass wir es mit drei unreduzierbar verschiedenen Spielarten des empirischen Wissens zu tun haben. Wir brauchen ein Gesamtbild, das nicht nur alle drei Arten des Wissens unter sich befasst, sondern auch deren Beziehungen untereinander sinnfällig darstellt. Ohne ein solches Gesamtbild sollten wir zutiefst verblüfft sein, dass ein und dieselbe Welt uns auf drei derart verschiedene Weisen bekannt ist. Und in zweiter Linie ist es wesentlich, das Ausmass zu würdigen, in dem Probleme, die man sich üblicherweise eines nach dem andern vorgenommen hat, untereinander in Wechselbeziehung stehen. Wir haben es mit drei grundlegenden Problemen zu tun: wie ein Geist die Welt der Natur erkennen kann, wie es möglich ist, dass ein Geist einen andern erkennt, und wie es möglich ist, die Inhalte unseres eigenen Geistes zu erkennen, ohne auf Beobachtung oder andere Beweismittel zurückzugreifen. Es ist ein Fehler - darauf werde ich mit Nachdruck insistieren - anzunehmen/vorauszusetzen, dass man diese Fragen in zwei zusammenfassen oder sie sich voneinander isoliert vornehmen kann.

[Wo stehen wir? - Im Zusammenhang mit dem 'I shall urge' einnere ich gern an Wilfried Sellars Charakterisierung des philosophischen Essays. Ich weiss kaum mehr, wo mir der Kopf steht, und muss/darf erfahren, dass Davidsons eigene Argumentation noch gar nicht begonnen hat. Davidson hat bloss ein paar Proben zu einer Aufführung beigewohnt, die andere Philosophen immer und immer wieder auf den Spielplan zu setzen vermögen. Ein Stück weit vermag man Richard Rorty schon zu folgen, wenn er Davidson dazu drängt, dieses Theaterabonnement endlich zu kündigen oder, wie er sich ausdrückt, der Schauspieltruppe mitzuteilen, sie dürfe endlich Leine ziehen ('Get lost!').]

Beim Versuch, ein Bild von den Beziehungen zwischen den drei Arten des Wissens zu zeichnen, müssen wir viel mehr tun als bloss zeigen, dass sie gegenseitig unreduzierbar sind; wir müssen verstehen, warum sie unreduzierbar sind. Dazu wiederum ist es erforderlich herauszuarbeiten, was für eine begriffliche Aufgabe jede Form des Wissens jeweils übernimmt und warum jede dieser drei Formen des Wissens unverzichtbar ist - warum wir ohne alle drei von ihnen nirgends hinkämen. Natürlich: Wenn ich recht gehe in der Annahme, dass jeder der drei Spielarten des Wissens jeweils unverzichtbar ist, muss der Skeptizismus bezüglich der Sinneswahrnehmungen sowie der Skeptizismus bezüglich des Geistes anderer aufgegeben werden. Denn der Cartesianische oder Humesche Skeptiker bezüglich der Aussenwelt behauptet, es sei allzu offensichtlich, dass wir ohne Wissen über die Welt der Natur auskommen könnten - was wir über unsern eigenen Geist wissen, genügt sich selbst und mag alles Wissen sein, worüber wir verfügen. Der Skeptiker bezüglich des Geistes anderer ist gleichermassen davon überzeugt, dass wir ohne Wissen über den Geist anderer auskommen können - dies muss möglich sein, wenn wir doch für alle Zeiten im Ungewissen darüber sind, ob wir über solches Wissen überhaupt je verfügen werden.

[Landungsbrücken]


[Schriebe ich hier nicht mein Tagebuch, müsste ich mir das Folgende doch glatt verkneifen. So aber kann daraus früher oder später ein eigener Blog werden. Ich bin begeistert. Davidson ist für mich eine Herzensangelegenheit. Zwar hat er mich bisher mit einem Konzentrat (anders geht es bei ihm nicht) von vertracktem neuzeitlichem Epistemologie-Krimskrams malträtiert. Aber jetzt: Welt in Sicht! Ich gönne mir zwischendurch ein Bad: Die Sache(n) (Adorno), das Zeug (Heidegger), das, was in Wahrheit ist (Hegel) rückt ins Blickfeld. Ende Badesaison. Incipit philosophia: Davidson wird sich nun drei Standardsituationen vornehmen und zeigen, wie (dass und wie) darin jeweils alle drei Wissensformen zusammenspielen müssen, damit überhaupt was dabei rausschaut. (Und erneut geht's ab ins Wasser: Die Bewusstseinsformen meinen, sie könnten als unabhängige überleben. Doch wenn sie ihr Wesen ausdrücken wollen, strafen sie sich selber Lügen. Was sie meinen, können sie nicht sagen. Sie betonen ihre Unabhängigkeit; doch wenn sie sie konkret beschreiben, sprechen sie aus, wie sehr sie voneinander abhängig sind. Uns bleibt bei der ganzen Geschichte nur das reine Zusehen. Ende Hegelei.) Auch Richard Rorty ist begeistert: Am Ende der Aufführung wird er seinen skeptischen Intimfeinden erneut sein "Get lost! ("Schleicht euch!") zurufen können.]

Es mag zunächst so aussehen, dass wir ziemlich gut ohne sprachliche Ausdrücke, womit wir unsere Überzeugungen über die mentalen Zustände anderer oder unserer selbst widergeben, auskommen könnten. Ich glaube schon, dass sich das vorstellen lässt; doch die Sache, mit der ich mich befasse, ist in erster Linie erkenntnistheoretischer, nicht linguistischer Natur. Die erkenntnistheoretische Frage lautet, ob wir ohne Wissen von mentalen Inhalten, unserer selbst sowohl wie denen anderer, auskommen könnten. Ich werde darlegen, dass wir nicht ohne auskommen könnten. Was wir sicher nicht könnten, ist auskommen ohne einen Weg, unsere Gedanken über die natürliche Welt auszudrücken und sie hiermit zu kommunizieren. Wenn wir aber das können, ist es vergleichsweise einfach, den weiteren Schritt auszuführen, der darin besteht, mit Worten Gedanken zuzuschreiben, und es wäre höchst erstaunlich, wenn dieser Schritt nicht vollzogen würde. Hinsichtlich unserer eigenen Gedanken besteht der Schritt in nichts weiter als dem Übergang von der Versicherung 'Schnee ist weiss' zur Versicherung 'Ich glaube, dass Schnee weiss ist'. Die Wahrheitsbedingungen dieser Behauptungen sind nicht die selben, aber jeder, der die erste Behauptung versteht, kennt die Wahrheitsbedingungen der zweiten, selbst wenn seine Sprachkenntnisse ihm nicht erlauben, einen Satz mit diesen Wahrheitsbedingungen zu äussern. Dies ist der Fall, weil jeder, der sprachliche Äusserungen versteht, Behauptungen als solche erkennen kann und weiss, dass jemand, der eine Behauptung aufstellt, sich selbst darstellt als einen, der glaubt, was er sagt. Ebenso kennnt jemand, der zu Jones sagt, dass Schnee weiss ist, die Wahrheitsbedingungen von 'Jones glaubt, dass Schnee weiss ist' (auch wenn er weder Englisch versteht noch über ein Mittel, Überzeugungen auszudrücken, verfügt).

Überzeugung ist eine Bedingung für Wissen. Doch für den Besitz einer Überzeugung ist es nicht hinreichend, unterschiedliche Einstellungen auf die Welt auseinanderzuhalten und unter unterschiedlichen Umständen auf unterschiedliche Weise sich zu verhalten; auch eine Schlange oder ein Immergrün tut das. Der Besitz einer Überzeugung verlangt zusätzlich, des Gegensatzes zwischen wahrer und falscher Überzeugung, zwischen Erscheinungsbild und Realität, blossem Schein und Sein, gewahr zu sein. Wir können natürlich sagen, eine Sonnenblume befinde sich im Irrtum, wenn sie sich einer künstlichen Lichtquelle zuwendet, als ob diese die Sonne wäre, aber wir unterstellen nicht, die Sonnenblume sei in der Lage anzunehmen, sie habe einen Fehler gemacht, und somit schreiben wir der Sonnenblume keine Überzeugung zu. Wer eine Überzeugung bezüglich der Welt - oder irgendwas anderem - besitzt, muss über den Begriff der objektiven Wahrheit verfügen, den Begriff dessen, was, unabhängig davon, was er oder sie glaubt, der Fall ist. Infolgedessen müssen wir danach fragen, wie/wo wir auf den Begriff der Wahrheit stossen.

[Die Festlichkeiten haben begonnen; die Eröffnungsreden sind verklungen; es wird zur Tafel gebeten. (Der vorletzte Abschnitt diente wohl nur dem Zweck, die erkenntnistheoretische Natur der Fragestellung durch Abhebung von einer bloss linguistischen Fragestellung zu verdeutlichen.) - Zu meinen Akten: 1. Überzeugung ist notwendige Bedingung für Wissen. 2. Über den Begriff der Wahrheit zu verfügen ist notwendige Bedingung für den Besitz einer Überzeugung. - Frage: Wie kommt es, dass wir überhaupt über den Begriff der Wahrheit (objektiven Wahrheit, Objektivität) verfügen? Was bringt uns überhaupt dazu, zwischen dem, wie uns etwas erscheint (wie wir es uns vorstellen), und dem, wie es 'an sich' bzw. unabhängig von seinem Erscheinungsbild für uns bzw. unabhängig davon, wie wir es uns vorstellen, ist, zu unterscheiden? - Eine verdammt gute Frage! Ihre Beantwortung wird via Einsicht in die Unverzichtbarkeit der Mitwirkung aller drei Arten des Wissens für jede einzelne Art des Wissens zur Verabschiedung des Skeptizismus führen. So vermute ich jedenfalls mal. Zudem vermute ich, dass der Skeptizismus deswegen wird ad acta gelegt werden müssen, weil er sich nicht länger einigermassen stimmig wird formulieren lassen.]

Wittgenstein brachte uns auf die Spur der einzig möglichen Antwort auf diese Frage, auch wenn seine Problemstellung nicht so breit wie die unsere angelegt sein mochte und er wohl nicht daran glaubte, dass philosophische Probleme beantwortet werden können. Die Quelle des Begriffs der objektiven Wahrheit ist zwischenmenschliche Kommunikation. Die Existenz von Gedanken setzt Kommunikation voraus. Dies ergibt sich unmittelbar, wenn wir annehmen, dass Sprache für die Existenz von Gedanken wesentlich ist, und wenn wir mit Wittgenstein darin übereinstimmen, dass es keine Privatsprache geben kann. (1) Das zentrale Argument gegen Privatsprachen lautet: Sofern es keine gemeinsame Verwendung einer Sprache gibt, gibt es auch kein Mittel, zwischen korrektem und unkorrektem Sprachgebrauch zu unterscheiden; nur Kommunikation mit einem andern kann ein objektives Überprüfungsverfahren anbieten. Wenn aber nur Kommunikation eine Kontrolle über den korrekten Gebrauch von Worten beibringen kann, kann auch in andern Bereichen nur Kommunikation einen Massstab für Objektivität anbieten; so werde ich jedenfalls argumentieren. Wir haben keinen Grund, einem Geschöpf die Fähigkeit zuzuschreiben, eine Unterscheidung zwischen dem, was seiner Ansicht nach der Fall ist, und dem, was der Fall ist, vorzunehmen, wenn das Geschöpf nicht über den Massstab verfügt, den eine mit andern geteilte Sprache beibringt; und ohne diese Unterscheidung gibt es nichts, was eindeutig ein Gedanke genannt werden könnte.

(1)
Selbstverständlich kann es einen auf einer öffentlich erworbenen Sprache basierenden Privatcode geben. Ich habe keine Ahnung, wie weit gehend Wittgenstein sein Privatsprachenargument verstanden wissen wollte; vielleicht wollte er die Reichweite seines Arguments auf jene Begriffe, die notwendigerweise privater Natur sind, beschränkt wissen. Aber ich glaube, wie Saul Kripke in Wittgenstein on Rules and Private Language, das Argument betrifft die Sprache ganz allgemein, und so auch (wie ich mich ausdrücke) propositionales Denken [Gedanken, deren Inhalt angegeben werden kann, A.C.]. Aber während ich mir den Gedanken, dass Kommunikation die Quelle der Objektivität ist, zu eigen gemacht habe, glaube ich nicht, dass Kommunikation davon abhängt, dass Sprecher die selben Worte zum Ausdruck der selben Gedanken verwenden.

[Zu meinen Akten: Kommunikation ist notwendige Bedingung für die Existenz von Gedanken.]

Was ein Sprecher und sein Interpret, wenn sie miteinander kommunizieren, teilen müssen, ist ein Verstehen dessen, was der Sprecher mit seiner Äusserung meint. Wie ist das möglich? Es könnte schon hilfreich sein, wenn wir wüssten, wie es zur Entstehung von Sprache überhaupt erst kam, oder wenigstens nachvollziehen könnten, wie ein Individuum in einem Umfeld, in dem andere bereits über die volle Sprachkompetenz verfügen, seine erste Sprache lernt. In Ermagelung solcher Kenntnisse können wir stattdessen fragen, wie ein kompetenter Interpret (einer mit hinreichenden konzeptuellen Mitteln und einer eigenen Sprache) es schaffen könnte, den Sprecher eines fremdartigen Idioms zu verstehen. Eine Beantwortung dieser Frage sollte einige wichtige Merkmale von Kommunikation hervortreten lassen und ein indirektes Licht auf die Frage werfen, was einen ersten Zugang zur Sprache überhaupt erst ermöglicht.

Der unerschrockene Interpret, der ohne eines der zweisprachigen Standardutensilien des Globetrotters ans Werk geht, bemüht sich darum, den Äusserungen eines Sprechers einen propositionalen Gehalt zuzuordnen. Im Endeffekt ordnet er jedem Satz des Sprechers einen seiner eigenen Sätze zu. Soweit er die Dinge auf die Reihe kriegt, stellen die Sätze des Interpreten die Wahrheitsbedingungen der Sätze des Sprechers dar und bilden hiermit die Grundlage für die Interpretation der Äusserungen des Sprechers. Das Ergebnis kann als eine vom Interpreten vorgenommene rekursive Spezifizierung der Wahrheit für die Sätze, und hiermit die tatsächlichen und möglichen Äusserungen, des Sprechers aufgefasst werden.

[Der Übersetzer Davidsons, etwas erschrocken darüber, dass Davidsons unerschrockener Interpret 'without a bilingual trot' auf der Bildfläche erschien, war versucht, sich dadurch aus der Patsche zu ziehen, dass er den Abenteurer ohne zweisprachiges Wörterbuch 'antraben' liess. Doch er erkannte erst die Ungerechtigkeit seines Vorhabens: Aus seiner Jackentasche hängt ja der Schlendrian ('jog trot') heraus, der ihm ein vergleichsweise müheloses Trotten/Schlendern in einem eh schon vollständig aufbereiteten Text ermöglicht. Dann merkte er auch, wie gekünstelt seine bisherigen Überlegungen waren: Ein 'bilingual trot' ist wohl schlicht ein Sprachführer. Er konnte sich aber (vorerst) nicht dazu entschliessen, die Spuren der Mühen und Wehen, die die Übersetzung ihm bereitet hatte, gänzlich zu löschen.]

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(engl.) interpreter = (dt.) ... 11. Interpret (2):
unerschrockene(r) Radikalinski, die/der sich, obwohl/weil es noch keinen entsprechenden Sprachführer gibt, unter die Wilden mischt und aus deren als sprachliche Äusserungen identifizierten Lautfolgen in seiner/ihrer Sprache formulierte Sinnfunken herauszuschlagen versucht. -
Anders ausgedrückt: Ich bin mit meiner Übersetzung von 'interpreter' als 'Interpret' nicht zufrieden. Zum Teufel auch: Was bin ich denn überhaupt, wenn ich einen Text interpretiere und mein momentanes Wesen durch ein Nomen zum Ausdruck bringen will? Ein Interpret? Ein Interpretierer? Ein Übersetzer? Ein Dolmetscher? Ein Deuter? Ein Zeichendeuter? Ein Wahrsager? Ein Zauberer?
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[Zu meinen Akten: Nicht eine Wahrheitsdefinition, nicht der Wahrheitsbegriff ist das Thema. Wenn überhaupt von einer Definition die Rede sein soll, dann von einer für eine Sprache L. - Davidson verwendet 'characterization of truth', das ich erst mit 'Bestimmung der Wahrheit, wie sie für ... spezifisch ist', und schliesslich schlicht mit 'Spezifizierung für' wiedergegeben habe.]

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