T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, Januar 11, 2006

Rubrik: Diskussionen mit meinen LeserInnen

[Den folgende anonyme Kommentar habe ich aus dem Übersetzungsprojekt rausgeholt; ich verpflanze ihn, zusammen mit einem Kommentar meinerseits, hierher, in der freudigen Hoffnung, dass sich daraus eine Diskussion ergibt.]

Ich tät dem Philotustan auf seinem Kreuzgang gerne empfehlen wollen, nicht ganz zu vergessen, dass er in jungen Tagen zuweilen gar nicht sehr abgeneigt sich zeigte, bei einzelnen Musikstücken zu sagen, auch wenn ein grossartiger Komponist wie Wagner etc. sie herstellte, etwa die Meistersinger, sie seien im Ganzen dumm - also in explizierbarer Weise falsch, nicht wahr.
(Mauzi Dong)

Das 'Kreuzgang' verstehe ich nicht. Meinst du, ich befände mich auf einem Kreuzzug?

Du sprichst von Wagner als einem 'grossartigen' Komponisten. Ist das tatsächlich deine Meinung, oder zitierst du bloss? Ich frage darum, weil ich mich an keinen Menschen erinnern kann, der in meiner Gegenwart je so über Wagner gesprochen hat.

Warum eigentlich soll ich mich erinnern? Soll mich das in depressiven Verstimmungen daran erinnern, was für ein gescheites Haus ich schon immer war? Oder soll ich mir nur ja nicht zuviel einbilden, indem ich mich daran erinnere, zu welch idiotischen Bemerkungen ich auch fähig bin? Oder soll die Erinnerung mehr bewirken? Soll sie Rückbesinnung, Abbruch meines Kreuzzugs und Aufbruch nach Damaskus sein?

Ich habe es natürlich nicht vergessen. Solche Sätze habe ich ohne Zweifel von mir gegeben, und nicht zu knapp. (Sogar von Verdi habe ich in ähnlicher Weise gesprochen oder, besser gesagt, dem Adorno nachgeplappert.) Und jetzt wird's richtig philosophisch: Ich sagte etwa: "Die 'Meistersinger' sind, obwohl grossartige Musik, objektiv falsch." 'in explizierbarer Weise falsch' sagte ich vermutlich nicht, aus Angst, es könnte ein Unerschrockener mich dazu auffordern, doch mal zu explizieren. - (Aus einem ähnlichen Grund schreckte ich auch davor zurück, meinem politischen Gegner 'undialektisches Denken' vorzuwerfen. Dass du mich nicht falsch verstehst: Ich habe schon verständnisinnig genickt, wenn ein anderer so redete; punkto Political Correctness liess ich mir kaum etwas zuschulden kommen; ich verstand es bloss nicht.) - Zurück zum Satz über die 'Meistersinger': Ich verstehe ihn schlicht nicht, habe ihn nie verstanden. Und ich denke, dass das wenig mit sowas wie analytischer Engstirnigkeit zu tun hat, eher schon mit einem bei mir stark - vielleicht zu stark - ausgeprägten Sinn für Wahrhaftigkeit.

[Die Diskussion kann beginnen, wenn du magst. Greif dir was raus. Ich bin dir sehr dankbar, dass du mich an vergangene Tage erinnert hast.]

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Man schaut zu, wie einer eine schwere Last auf sich genommen hat und ächzt & stöhnt und nicht an ein Ziel zu gelangen scheint. Da ist kein Fighten und kein grimmiges Dreinschlagen, auf das man hintergedänklerisch anspielen könnte - nur Schleppen und nicht vom Fleck Kommen, dass es einen erbarmen muss. Um einen Unknown Superstar der Philosophie soll es gehen, aber man erfährt in den ausgedehnten Vorankündigungen nichts über den Gehalt derselben, und man schaut sich um im Internet und findet weiter wieder nichts, und man erinnert sich eines bekannteren, mit aller Schuld behafteten Ahnherrn der Analytischen Philosophie und daran, wie Wittgenstein einzig seine Aversion gegen die wahre Musik seiner Zeit mehr hat grunzen als formulieren können - sprechen über Schönberg vermochte er nirgends. Keine Katze & niemand will an dieser Stelle hier über Schönberg sprechen oder über Wagner; aber man muss exemplifizieren und an ein bestimmtes Ereignis erinnern, wenn man tel quel, ohne weiteren Hintergedanken, jemandem von etwas sprechen will, das jetzt in Gefahr steht, keinen Platz mehr zu haben: Sprechen über das Schöne, das sich nicht in wahrhaftig geäusserte wahre Sätze auflöst, weil die Möglichkeit eines Gebildes, sich in solche auflösen zu lassen, nur innerhalb des neoscholastischen Starrsinns gegeben ist. Und eben, nach so vielen langen gehaltlosen Vorbloggs: Tut der Amitöff etwas anderes als Gas geben daneben? Wird man je auf etwas in seinen dürren Papieren stossen, das sich auf Musik beziehen liesse, ohne dass sein philosophischer Gehalt zerbröseln müsste? Pffffrrrr...tt..tt.t. This God sounds like a lonely Solex in the Gobi Desert.

Januar 11, 2006  
Blogger Philotustan said...

So eine Austausch beflügelt. Es drängt mich nach Jamben:

"Ich will den Kreuzstab gerne tragen." (BWV 56)

Die Münze ist gefallen: Du sprichst von meinem Übersetzungsprojekt. 'Kreuzgang' ist schon nicht ohne. Und ich schliesse mich dem Nazarener an, der - wie in apokryphen Schriften vermerkt - gesagt haben soll: "Das Ding wird nun durchgezogen."

Als nächstes wird hier nun Trost gespendet. Der Trost für dich kommt aus des Volkes Munde: "Ein jeder muss sein eigenes Kreuz tragen." Für mich gibt es Trost und Warnung zugleich aus dem Munde des 'mit aller Schuld behafteten' Mystikers: Du musst die Leiter wegwerfen, nachdem du auf ihr hinaufgestiegen bist.

Ich bleibe mal mystisch und stelle mir vor, wie in einem Wiener Konzertsaal der gescheiterte Klostergärtner und Primarlehrer in spe erbleichte, als mein grosser Namensvetter und Kompositions- (Alle sprechen hier vom Schüler; ich spreche vom Lehrer.) -lehrer Adornos sein "Schmeisst das Pack raus!" aus sich herausschrieh. [Jedes beliebige Detail hierzu ist mir äusserst willkommen. - Ich stelle mir weiter gerade vor, wie wir zwei die Köpfe zusammenstecken und wie die Rohrspatzen über den wohl berühmtesten Wiener Musikbanausen herziehen. Vielleicht ärgert es dich dann ein wenig, wenn ich, von einem verblüfften/entsetzten Tischgenossen auf die sonstigen, hervorragenden Qualitäten des besagten Banausen angesprochen, entgegne: "Schau, mein Lieber: Eines ist der Fall; ein anderes ist der Fall; vieles ist der Fall; und - um mal einen höchst vorläufigen Griff aufs Ganze zu wagen - : Die Welt ist alles, was der Fall ist."]

Deine Passage, in der vom 'Sprechen über das Schöne' die Rede ist, wäre eigentlich einen eigenen Blog wert. Ich werfe hier (zunächst) bloss mal ein paar autobiographische Bemerkungen hin: Ich finde das Vorgehen Richard Rortys recht überzeugend. Zunächst mal studiert man seinen Quine, stösst dann, weiterstöbernd, auf einen seiner Schüler, den eher/völlig unbekannten Donald Davidson, frisst an dem - Bekanntheitsgrad hin, neoscholastischer Stil her - einen Narren, entdeckt mit Stolz und Freude, dass man sich von nix und niemanz mehr seine eigene Sprechweise vermiesen/verbieten lässt, und schreibt dann etwa einen Essay über Nabokovs 'Pale Fire', in dem man nicht verbirgt, wie sehr einen die Lektüre moralisch erschüttert und gebildet hat. Anschliessend unterhält man sich gepflegt und interessiert mit einem, der auch getrost und reichlich unbeirrt seiner Wege geht, mit Jaques Derrida etwa, der, wie ich inzwischen weiss, wie Rorty zu den freundlichen Philosophen zählt. Zum Bleistift. Oder eben auch ganz anders. - Ich kann die Analytiker nur schon aus diesem Grund wärmstens empfehlen: Es ist so verdammt schwer, einem von ihnen weiszumachen, dass nur gerade die oder allenfass die Rede sinnvoll oder möglich oder wahr oder weiss der Kuckuck was ist. Exemplarisch dafür erinnere ich nochmals an den Auftritt Peter Bieris im 'Philosophischen Quartett': "Man muss sich, so zu sprechen, wie es einem gefällt, bloss nicht verbieten lassen."

Januar 12, 2006  

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