T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

Mein Foto
Name:

Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, Februar 05, 2006

Projekt: Übersetzung von 'Three Varieties of Knowledge' aus 'Subjective, Intersubjective, Objective' (4)

Teil I
Teil II
Teil III

Mittlerweile sollte klar geworden sein, was sicherstellt, dass unsere Sicht der Dinge, was ihre alltäglichsten Erscheinungsweisen betrifft, weitgehend richtig ist. Der Grund ist der, dass die Reize, welche unsere elementarsten verbalen Reaktionen hervorrufen, auch festlegen sowohl, was diese verbalen Reaktionen bedeuten, als auch den Inhalt der mit ihnen einhergehenden Überzeugungen. Das Wesen der Interpretation stellt sicher sowohl, dass eine grosse Zahl unserer simpelsten Wahrnehmungsüberzeugungen wahr, als auch, dass die Natur dieser Überzeugungen andern bekannt ist. Selbstverständlich beziehen viele Überzeugungen ihren Gehalt von ihren Beziehungen zu weiteren Überzeugungen oder werden durch irreführende Sinneseindrücke hervorgerufen; jede besondere (Menge von) Überzeugung(en) über die Welt um uns herum kann falsch sein. Was aber nicht der Fall sein kann, ist, dass das landläufige Bild, das wir uns von der Welt und unserer Stellung in ihr machen, verfehlt ist, denn es ist dieses Bild, das dem Rest unserer Überzeugungen - sie mögen wahr oder falsch sein - eine Fassung verschafft und sie damit fassbar macht.

[Kaum zu fassen: Ein Bild 'informiert' ein Set von Überzeugungen. Der zunächst fassungslose Philotustan erinnert sich an die zig Gespräche, die er mit dem Hüttenwart im Schwarzwald geführt hat: informieren: in eine Form bringen: dafür sorgen, dass das Zeug Form/Halt/Fassung gewinnt und somit fassbar wird.]

Die Annahme, dass die Wahrheit dessen, was wir glauben, vom dem, was wir glauben, logisch unabhängig ist, erweist sich als unklar. Jede beliebige einzelne Überzeugung kann in der Tat falsch sein; aber ausreichend vieles im Fachwerk und Gewebe unserer Überzeugungen muss wahr sein, um dem Rest GeHalt zu verleihen. Die begrifflichen Beziehungen zwischen unserem Wissen und unserem eigenen Geist sind nicht definitorisch, sondern holistisch. Das gilt auch für die begrifflichen Beziehungen zwischen unserem Wissen vom Verhalten und unserm Wissem vom Geist anderer.

So gibt es denn keine 'Barrieren', weder logische noch epistemische, zwischen den drei Arten von Wissen. Umgekehrt macht die Art, wie eine jede von den andern abhängt, von sich aus deutlich, warum keine von ihnen ausgeschlossen oder auf die andern reduziert werden kann.

[... Richtig! Seit drei Abschnitten schon sind wir am Absahnen. Wir dürfen uns zurücklehnen und geniessen. Der Nachtisch umfasst ca. fünf Seiten. Falls Davidson nicht unvermittelt geschwätzig wird, dürfen wir nun also zuschauen, wie neues Licht auf eine ganz ansehnliche Reihe traditioneller philosophischer Probleme geworfen wird.]

Wie oben bemerkt, können wir uns einen Interpreten, der einen Sprecher zu verstehen beabsichtigt, denken als jemanden, der eigene Sätze mit den Äusserungen und Geisteszuständen des Sprechers abstimmt. Die Gesamtheit der dem Interpreten verfügbaren Belege legt nicht eindeutig eine bestimmte
Wahrheitstheorie für einen jeweiligen Sprecher fest, und das nicht bloss, weil die tatsächlich verfügbaren Belege begrenzt sind, während die Theorie eine unbegrenzte Zahl von überprüfbaren Folgerungen zulässt, sondern weil keine mögliche Belegbasis die Zahl der mit ihr verträglichen Theorien auf eine eingrenzen kann. Angesichts des Reichtums der Struktur, die von der Menge unserer eigenen Sätze verkörpert wird, und der Natur der Verbindungen zwischen den Elementen dieser Menge und der Welt, sollten wir nicht überrascht sein, wenn es viele Möglichkeiten gibt, unsere eigenen Sätze den Sätzen und Gedanken eines andern zuzuordnen, von denen jede jeden relevanten Aspekt einzufangen imstande ist.

[Natürlich war nicht zu erwarten, dass uns zum Nachtisch billiges Konfekt vorgesetzt wird. So dürfen wir uns denn zunächst ein paar Häppchen luftiger Un- und Unterbestimmtheiten munden lassen.]

Die Situation ist analog zur Gewichts- oder Temperaturmessung durch Zuordnung von Zahlen zu Gegenständen. Selbst wenn wir voraussetzen, dass keine Messfehler vorliegen und dass alle möglichen Beobachtungen gemacht worden sind, ist eine Zuordnung von Zahlen zu Gegenständen, die deren Gewicht korrekt wiedergibt, nicht eindeutig: Gegeben eine solche Zuordnung, kann eine ebensolche durch Multiplikation aller Zahlen mit einer beliebigen Konstante vorgenommen werden. Im Fall der normalen (nicht absoluten) Temperatur kann jede beliebige korrekte Zuordnung von Zahlen durch eine lineare Transformation in eine andere konvertiert werden. Weil es viele verschiedene, aber gleichermassen akzeptable Möglichkeiten der Interpretation eines Handelnden gibt, mögen wir, wenn uns danach ist, sagen, dass die Interpretation oder Übersetzung unbestimmt ist oder dass kein Faktum darüber entscheidet, was eine(r) mit ihren/seinen Worten meint. Auf dem gleichen Trip könnten wir auch von der Unbestimmtheit des Gewichts oder der Temperatur sprechen. Doch normalerweise legen wir das Gewicht auf den positiven Aspekt, indem wir das Invariante zwischen den verschiedenen Zuordnungen von Zahlen hervorheben, denn das Invariante ist das empirisch Bedeutsame. Das Invariante ist das entscheidende Faktum. Wir sind so frei, Übersetzung und die Gehalte mentaler Zustände im selben Licht zu betrachten. (3)

(3)
Ich akzeptiere hier Quines These von der Unbestimmtheit der Übersetzung und weite sie auf die Interpretation von Gedanken im Allgemeinen aus. Die Analogie mit der Messung ist von mir.

[Ich war bisher nicht geneigt, irgendwelche Tipps anzunehmen, hatte aber stets ein offenes Ohr für einen guten Tip. Im Verlaufe meines Übersetzungstripps hat sich das, wie eben ersichtlich, geändert. Meine Bereitschaft, mich den neuen Gegebenheiten anzupassen, ist gewachsen. Und was ist der Bemühung Lohn? Mein Übersetzungstripp bringt mir einen Strafpunkt ein. Aber vielleicht haben mittlerweile bereits ein paar deutsche Kultusminister das Problem erkannt und sind dabei, Schritte einzuleiten, die dazu führen könnten, dass für die nächste Konferenz der Kultusminister ein entsprechender Bericht in Auftrag gegeben wird. Bis auf weiteres freilich befinden sich die besagten Damen und Herren auf einem seltsamen Trip.]

Ich dachte einst, die Unbestimmtheit der Übersetzung liefere einen Grund für die Annahme, dass es keine strengen Gesetze gibt, die mentale und physikalische Begriffe miteinander verknüpfen, und unterstütze so die Behauptung, dass mentale Begriffe nicht einmal nomologisch auf physikalische Begriffe reduzierbar sind. Ich lag falsch: Unbestimmtheit taucht in beiden Bereichen auf. Aber im Fall des Mentalen liegt eine der Quellen der Unbestimmtheit darin, dass die Grenzlinie zwischen empirischer Wahrheit und Wahrheit aufgrund von Bedeutung auf der Grundlage von Verhaltensbeobachtungen im allgemeinen nicht klar gezogen werden kann; und Verhaltensbeobachtungen sind unsere einzige Grundlage für die Festlegung dessen, was Sprecher meinen. Genau hier beginnt die gegen jede Reduktion sich sperrende Verschiedenheit der mentalen und physikalischen Begriffe sich abzuzeichnen: die ersteren, zumindest insoweit sie intentionaler Natur sind, halten den Interpreten an zu bedenken, wie er das zu interpretierende Lebewesen am besten als ein verstehbares, d.h. mit Vernunft ausgestattetes, Lebewesen wiedergibt. Folglich muss ein Interpret, zum Teil aus normativen Gründen, Bedeutung von Meinung absondern, wenn er darüber entscheidet, was, von seiner Warte aus betrachtet, die Verstehbarkeit maximiert. In diesem Bemühen kann der Interpret selbstverständlich auf keine anderen als seine eigenen Rationalitätsstandards zurückgreifen. Wenn wir die Welt als Physiker zu verstehen versuchen, arbeiten wir notwendigerweise mit unsern eigenen Normen, aber wir zielen nicht auf die Entdeckung von Rationalität in den Phänomenen ab.

[nomological: bezüglich der Formulierung von Gesetzen]
[Philotustan wohnt einem Naturereignis bei. I once thought: Es war einmal. Da demonstrierte ich, dass der Himmelspunkt Px der Punkt ist, an dem der Mond aufgehen wird. I was wrong: Ich lag falsch. Dreh dich um! It is here that [...] begins to emerge. Schau, genau hier beginnt das Erscheinen des Mondes sich abzuzeichnen.]

Wie verhindert das normative Element in mentalen Begriffen ihre Reduktion auf physikalische Begriffe? Vielleicht ist offensichtlich, dass eine definitorische Reduktion nicht in Frage kommt; aber warum kann es keine Gesetze - strenge Gesetze - geben, die jede(s/n) mentale(n) Ereignis/Zustand mit durch das Vokabular einer fortgeschrittenen Physik beschriebenen Ereignissen und Zuständen verknüpfen? Als ich vor zwanzig Jahren darüber schrieb, sagte ich im wesentlichen, dass man sich strenge Verknüpfungsgesetze nur dann erhoffen könne, wenn die durch die Gesetze verknüpften Begriffe auf Kriterien der selben Art basierten, und dass somit kein strenges Gesetz normative mit nicht-normativen Begriffen verknüpfen könne. (4) Diese Antwort scheint mir soweit immer noch richtig zu sein, aber verständlicherweise ist sie von Kritikern bis heute für nicht beweiskräftig befunden worden. Ich will nun einige weitere Überlegungen hinzufügen.

(4)
In 'Mental Events', Essay 11 aus Essays on Actions and Events.

Hier ist eine weitere Überlegung: Strenge Gesetze verwenden keine Kausalbegriffe, während die meisten, wenn nicht alle, mentalen Begriffe irreduzibel kausal sind. Eine Handlung, zum Beispiel, muss unter mancher Beschreibung intentional sein, intentional ist eine Handlung aber nur, wenn sie durch mentale Faktoren wie Überzeugungen und Wünsche verursacht wird. Überzeugungen und Wünsche werden zum Teil durch die Art von Handlungen identifiziert, die sie, die richtigen Umstände vorausgesetzt, bevorzugt verursachen. Viele der Begriffe, die in Erklärungen des gesunden Menschenverstandes eine Rolle spielen, sind auf diese Weise kausal. Ein Unfall wurde verursacht durch die Tatsache, dass die Strasse rutschig war; etwas ist rutschig, wenn es passende Gegenstände unter passenden Umständen ins Rutschen bringt. Wir erklären, warum der Flügel eines Flugzeugs, wenn er sich biegt, nicht bricht, indem wir anführen, dass er aus elastischen Materialien gebaut ist; ein Material ist elastisch, wenn etwas an ihm die Ursache dafür ist, dass es unter passenden Umständen nach einer Verformung wieder zu seiner ursprünglichen Gestalt zurückfindet. Aus zwei Gründen erlauben solche Erklärungen keine weitere Präzisierung: Wir können nicht detailliert angeben, wann die Umstände passend sind, und die Berufung auf Kausalität hält einen Teil dessen in der Hinterhand, was eine vollständige Erklärung ausspielen würde. [Anm.] Beschreibungen von Gegenständen, Zuständen und Ereignissen, die für die Instantiierung von strengen, ausnahmslos geltenden Gesetzen unverzichtbar sind, enthalten keine Kausalbegriffe (was nicht heissen soll, dass Gesetze, die nur nicht-kausale Begriffe enthalten, nicht Kausalgesetze sind).

[[Anm.]
The appeal to causality finisses part of what a full-scale explanation would make manifest.] -
'finesse' liesse sich etwa durch 'überlisten' wiedergeben. Ich unterstelle hier mal, Davidson sei ein passionierter Kartenspieler. Und ein fintenreicher obendrein. Als solcher gewinnt er eine Spielrunde, indem er nicht seine stärkste Karte spielt, sondern etwa die Königin. Dann können wir sagen: 'Donald succeeded in finessing his queen.' Die Königin ist die Kausalerklärung, die ausgespielt wird, um eine (unter mehreren) Debattierrunden zu gewinnen. Die umfangreichere Erklärung, das Ass etwa, behält man in der Hinterhand. -
Philotustan als homo otiosus: Was er treibt, sein ganzes Übersetzungshandwerk im allgemeinen und die Wiedergabe dieses Satzes im besonderen eingeschlossen, ist müssig.]

Im Fall von kausalen Eigenschaften wie Elastizität, Glätte, Formbarkeit und Löslichkeit neigen wir, zu Recht oder zu Unrecht, zur Annahme, dass das, was sie unerklärt lassen, durch den Fortschritt der Wissenschaft erklärt werden kann (oder schon erklärt worden ist). Wir würden nicht das Thema wechseln, wenn wir den Begriff der Elastizität fallenliessen zugunsten einer Angabe der Mikrostruktur der Materialien des Flugzeugflügels, die bewirken, dass er, wenn bestimmten Kräften ausgesetzt, zu seiner ursprünglichen Gestalt zurückfindet. Bei mentalen Begriffen und Erklärungen verhält es sich nicht so. Sie greifen auf die Begriffe von Ursache und Wirkung zurück, weil sie, wie die kausalen Begriffe selbst, darauf hin angelegt sind, aus der Gesamtheit von Umständen, die zusammen ein gegebenes Ereignis wirkursächlich zeitigen, genau diejenigen Gegebenheiten auszusondern, die ein jeweiliges bestimmtes Bedürfnis nach Erklärung befriedigen. [Anm. 1] Wenn wir zum Beispiel eine Handlung erklären wollen, wollen wir die Gründe des Handelnden kennenlernen, so dass wir selber sehen können, was an der Handlung seine Anziehungskraft auf den Handelnden ausübte. Aber nur ein Depp [Anm. 2] könnte annehmen, dass strenge Gesetze einen Handelnden, wann immer er bestimmte Gründe hat, auf die Ausführung einer gegebenen Handlung festlegen.

[[Anm. 1]
Was soll das Theater? 'causal' und 'causality' liessen sich zur Not auch mit 'kausal' bzw. 'Kausalität' wiedergeben! -
Originalitätshascherei steht einem soliden Handwerker wie einem Übersetzer nicht wohl an. Wenn ich mich zwischendurch bewusst in ein schwarzwäldertörtlerisch oder lebensweltlich angehauchtes Fahrwasser gleiten lasse, tu ich das im Bemühen durchscheinen zu lassen, worauf alle philosophische Terminologie - auch die am wenigsten geschwätzige, technisch anmutende - letzlich abzielt: auf den Tümpel nämlich, worin wir Erklärungsbedürftigen zusammen mit fremdartigen Wesen sowohl wie Personen, die wir gerade noch für völlig durchsichtig gehalten haben und die wir (neu) verstehen wollen, gehörig wirbeln.

[[Anm. 2]
Kleines Plädoyer eines Lokalpatrioten für LEO, das vorzügliche Online-Wörterbuch: Dieses enthält als Wiedergabe von 'fool' doch tatsächlich das Wort 'Gauch'. Nur eine kleine Kritik sei erlaubt: Nur Nicht-Walliser können dem 'Gauch' ein '(obs.)' voranstellen. Sie sind noch nicht ausgestorben, die 'Gäucha' (auch 'Gäuchini').]

Die normativen und kausalen Eigenschaften mentaler Begriffe sind Verwandte. Wenn wir den normativen Aspekt psychologischer Erklärungen fallenliessen, würden sie ihren Zweck nicht länger erfüllen. Unser Interesse an den Gründen, warum die jeweilige Person handelt, wie sie handelt, und warum sie ihre Überzeugungen ändert, ist derart heftig, dass wir bereit sind, uns mit Erklärungen abzufinden, die wir nicht so perfektionieren können, dass sie mit den Gesetzen der Physik zusammenpassen. Die Physik ihrerseits aber setzt sich als eines ihrer Ziele die Formulierung von Gesetzen, die so umfassend und präzis als irgend möglich sind; ein anders geartetes Ziel. Das kausale Element in mentalen Begriffen trägt dazu bei, uns für ihren Mangel an Präzision zu entschädigen; es gehört zum Begriff einer intentionalen Handlung, dass sie durch Überzeugungen und Wünsche verursacht und erklärt wird; und es gehört zum Begriff einer Überzeugung oder eines Wunsches, dass sie/er dazu neigt, bestimmte Arten von Handlungen zu verursachen und hiermit auch zu erklären.

Vieles von dem, was ich zur Frage, was mentale Begriffe von den Begriffen einer ausgereiften Physik abhebt, gesagt habe, könnte auch zur Kennzeichnung der Begriffe vieler Spezialwissenschaften wie der Biologie, der Geologie und der Meteorologie angeführt werden. Selbst wenn ich zu Recht annehme, dass der normative und kausale Charakter von mentalen Begriffen diese definitorisch und nomologisch von den Begriffen einer ausgereiften Physik trennt, mag es somit scheinen, dass es etwas Elementareres oder Grundlegenderes geben muss, das diese Trennung erklärt. Ich glaube, dass es so etwas gibt.

Weiter geht es hier.