T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, April 29, 2009

"Nach den bisherigen Vorausschickungen ..." (S. 126) Hoppla! Ich bin mittlerweile fix und foxi, und der Herr da vorne droht damit, in absehbahrer Zeit zur eigentlichen Sache vorzudringen und damit die Schraube anzuziehen. Ich bin heute nicht in der richtigen Verfassung. Meine Gedanken gehen verschlafene Wege. Und die Musi spielt dazu: "Das bunte, farbenreiche Gefieder der Vögel glänzt auch ungesehen, ihr Gesang verklingt ungehört; die Fackeldistel, die nur eine Nacht blüht, verwelkt, ohne bewundert zu werden, in den Wildnissen der südlichen Wälder, und diese Wälder, Verschlingungen selber der schönsten und üppigsten Vegetationen, mit den wohlriechendsten, gewürzreichsten Düften ..." Das Sandmännchen ist mir wohl gesonnen. Nicht so mein Nachbar, der mich heftig anschubst: "Hast du's gehört? Sag ich doch schon die ganze Zeit über. Da hast du's! Von höchster Stelle. Wenn du mir nicht glauben magst." Hier die Stelle, deretwegen Scruton mich aus dem Gedöse gerissen hat. Er hat sie mitstenografiert:

"Das Kunstwerk aber ist nicht so unbefangen für sich, sondern es ist wesentlich eine Frage, eine Anrede an die widerklingende Brust, ein Ruf an die Gemüter und Geister."

A Theory of

Musical Expression


Scrutons heutige Aufregung zeigt mir überdeutlich, dass Hegel mit seinem Satz einen Punkt getroffen hat, an dem ich bei meiner Darstellung von Scrutons Theorie aussichtsreich einsetzen kann.

[Ein paar Dinge betrachte ich hier als schon entsorgt: Musik ist a) nicht-repräsentational und b) keine Sprache. Von 'meaning' ist nicht mehr, von 'content' nur noch selten die Rede.]

Musik ist also wesentlich eine Frage oder Anrede. (Hegel) Wir, die solchermassen in einen wesentlichen Anspruch Genommenen, setzen uns in eine angemessene Entsprechung zu diesem Anspruch. (Heidi! Heidi!) Wir antworten (Das war Peter aus der 1. Kindergartenklasse.), oder à la Scruton: Musik hat einen Ausdruck. Dieser spricht uns an und provoziert eine bestimmte Antwort: "The response to expression is a sympathetic response." Und jetzt:

Wir erkennen den Ausdruck von Musik, wenn wir unsere Antwort auf ihn verstehen. Den Ausdruck von Musik erkennen, heisst, sich mit der expressiven Musik bewegen. - Ja, das ist schwerstes idealistisches Geschütz. [Ich sag mal 'Antirealismus ohne Subjektivismus'.] Da starrt kein fertiges Subjekt auf ein ebensolches Objekt, dessen Eigenschaften es feststellen will. Eine Differenz bezüglich des konkreten Ausdrucksgehalts eines Stücks ist keine irgendwelche Überzeugungen betreffende Differenz, sondern eine Differenz in der Art, wie verschiedene Subjekte auf den musikalischen Ausdruck des Stücks antworten mögen. Und darüber sich zu streiten, ist so anregend. Da sagt nicht einer zum andern, dieser habe eine objektiv vorhandene Eigenschaft eines Gegenstandes nicht getroffen, sondern er fordert ihn dazu auf, etwas versuchsweise mal anders zu hören und sich anders als bisher dazu zu bewegen, anders zu reagieren - und sich dabei als ein anderer zu erfahren.

'und sich dabei als ein anderer zu erfahren': Das ist von mir. (Oder doch Scruton selber? Oder am Ende gar Hegel? Ja, Hegel!:) Wie ersichtlich, stösst hier ein Ich immer wieder auf sich selbst. Nur ist das eine bewegte Geschichte. [Keine 'leere Subjektivität', kein 'im Grunde immer nur von sich selber reden' und dergleichen.) Ein Ich trifft auf einen Ausdruck von bewegtem Leben, das weder sein eigenes noch das eines andern ist, sondern schlicht Leben, eben. Es reagiert darauf sympathetisch. Es drückt sich mit aus. Und weil, wie hier beschrieben, das Ausgedrückte nie von vornherein fertig vorliegt, sondern durch seinen Ausdruck auch geschaffen wird, hat sich das Ich durch die Einlassung auf ein fremdes Leben verändert. Es ist auf sich gestossen, sicher; bloss ist es nicht mehr dasselbe wie vorher. Und unter der Hand hat sich ihm bei dieser Bewegung auch der Gegenstand selber verändert. Ich und geliebter (Ohne Liebe geht hier wohl gar nichts) Gegenstand sind so innig miteinander verbandelt, dass beide in der Erfahrung sich in ständigem (Ver)Fliessen befinden.

'Und unter der Hand hat sich ihm bei dieser Bewegung auch der Gegenstand selber verändert.' - Wieso? - Na ja, es wird ihn nach der eben gemachten Erfahrung wohl anders sehen. I mo nimma. Das hier ist eine echte Überforderung. Rezept: Man lese kiloweise Scruton und Hegel parallel und lasse sich dann schreibend vom Aufgenommenen überfahren. Nur: ... - "Was?" - Ich will es mal so sagen:


Es liesse sich schnell aus schnell gefundenen Formeln, in denen (auch) ein bisschen geheideggerlt wird, ein kugelrunder Blog schreiben:

The response to expression is a sympathetic response.

(1) mitschwingend: sich der Bewegung eines[!] Lebens überlassen; getragen, fortgetragen, erhoben/enthoben werden

(2) sich einstimmend: sich auf etwas Neues/Unerhörtes/noch nicht Gehörtes einlassen; sich neue Möglichkeiten des Ausdrucks erobern; im Unerhörten auf sich selber als den unbedachten Andern treffen; sein Gefühl bilden; zum Wissen gelangen, wie zu fühlen ist, (wie ich fühlen will, wer ich sein will, wer ich bin)

(3) sich führen lassend: der musikalischen Linie folgen - Die Musik 'verstehen' heisst, diese Linie nachzuvollziehen; das Verständnis wächst nicht beiläufig nebenher.

Und zum Schluss dann was Kugelrundes, wo das Unerhörte, wie es in der Musik Ereignis wird, in die Erscheinung tritt als das mitschwingende Sich-Einstimmen auf den Gehalt der Musik, indem deren Linien und Bewegungen im vollen Hörgenuss nachvollzogen werden.


Oh Gott, ist das alles billig! (Wer hat da zu oft an der Kurbel des Kaugummiautomaten gedreht?) - Meine Lieben, ich krieg eine Krise! Egal! Was ich sagen wollte: Das 'mitschwingende Sich-Einstimmen auf den Gehalt der Musik' und dergleichen ist mir zu starr. Es schreit nach der 'Verflüssigung des Gedankens'. Ehrenwort! So ist mir zumute. Ein bisschen Dialektik wär halt schon nicht schlecht. Ich meine das ernsthafte Spiel, in dem ein liebender Betrachter, wenn er sich auf seinen geliebten Gegenstand einlässt, mit dem geliebten Gegenstand selber sich verwandelt. Ja, das wollte ich noch sagen.


[So! Krise hin oder her: Ein Anfang ist geschafft. (Hätte Scruton mich heute morgen in der Vorlesung nicht geweckt, wäre es nie dazu gekommen. Ich bin ihm dafür sehr dankbar.) Daran kann ich nun arbeiten. Wenn ich überhaupt dazu komme. Ich kann euch sagen: Dieser Hegel verlangt einem bei schriftlichen Arbeiten etwas ab.]