T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, September 06, 2007

Rubrik: Ästhetik

"Pozarevac ist eine schöne Stadt am Fluss Morava."
"Die Treene bildet Grachten."


Ein Interview mit Peter Handke in der 'Weltwoche'. Auf der Titelseite: "Mich hat der serbische Geheimdienst bezahlt." Das ist natürlich 'total aus dem Zusammenhang gerissen' und so weiter. Hier ein bisschen Zusammenhang: "Mich hat der serbische Geheimdienst bezahlt." - "Sie machen Witze." - "Nein, gar nicht. Ich habe mir von dem Geld neue Schuhe gekauft." - Jetzt wissen wir es!

"Aber Sie sagen doch selbst: 'Ich liebe die Wirtschaft.'" - "Das habe ich in der 'Neuen Zürcher Zeitung' gesagt." - Ja, den Kontext beachten!

Nicht jede Frage, die mit einem 'Aber' beginnt, wird so flott beantwortet: "Ja, aber ..." - "Kein 'aber'!"

Ich bin mittlerweile 55. Handke macht mir Lust auf mehr.

"Sie hätten vielleicht ..." - "Wollen Sie mir einen Ratschlag geben?"

Ja, Lust auf mehr.

In seinem Reisebuch von 1996 hätte er 'über das Grauen berichten sollen', der Rot-Grün-blinde Handke. "Die andern Farben sehe ich dadurch vielleicht sogar intensiver." - "Die 'andersgelben Nudelnester' auf dem Marktplatz von Belgrad zum Beispiel ..." - Ja, er hat ihn gelesen, der André Müller. Und das ist auch besser so: "Was war der wahre Grund Ihres Besuches am Grab von Milosevic?" - "Das kann man nachlesen." - Herr Müller hat nachgelesen, und das Gespräch verläuft in durchaus erträglichen Bahnen.

"Wie konnten Sie die Erdbeeren an den Hängen von Srebrenica erkennen, dem Ort des nach 1945 grausamsten Kriegsverbrechens?" - "Das waren Balkan-Erdbeeren, die sind besonders rot ... Ich hatte ein paar tiefe Gefühle auf dieser Reise, ausnahmsweise." - "Man warf Ihnen nicht das Poetische vor ..." - "Doch, doch, die andersgelben Eier oder Nudeln, die blühenden Bäume, den walddunklen Honig ...".


Liebes Tagebuch

Ich frage mich ja schon, warum ich dir das hier anvertraue. Vielleicht ist es auch die Vorfreude auf eine dermassen deutlich spürbar gemachte Altersweisheit. - "Es muss weh tun, verstehen Sie." - Das war nun wieder komplett aus dem Zusammenhang gerissen. Und der ist diesmal wichtig: Handke spricht hier von der 'Beschreibung des Schönen'.


[Dass Handke der Heine-Preis von irgendeiner Volksvertretung abgesprochen wurde, ist unschön, ja. "Das tut weh, gell?" - Ach was! Das mitsamt dem ganzen Drum-und-Dran ist bloss verächtlich! - Schreibt ein Bewunderer Handkes, der dessen bis zur Verachtung gehenden Grimm mag, seine Reizbarkeit und seine Offenheit für das Schöne.]