T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Montag, September 03, 2007

Ein Dasein, das eben dabei ist, die Strassenseite zu wechseln, macht beim Blick in das erstbeste Schaufenster die Erfahrung der Absurdität der ganzen Veranstaltung. Ruckartig findet sich ein Dasein vor das Sein bzw. das Nichts selber gestellt, wenn es ihm langweilig bzw. unheimlich ist. - Und nichts ist mehr wie vorher. Auch hier ist nichts mehr wie vorher:

Der Halt am Donec


Auf einer abenddämmerigen Busfahrt über die zentralanatolische Hochebene geht einem Dasein beim Blick aus einem rückwärtigen Fenster ein orangener Mond auf. Erschrecken und Erzittern! Das kaum verständliche Geplapper der andern Fahrgäste besänftigt; mit grosser Dankbarkeit wird das Erfrischungstuch, das eine freundliche Hostess anbietet, entgegengenommen. Herr, es ist genug! Das leicht scheppernde Gedudel aus dem Lautsprecher ist auch gerade richtig. Nicht soll zusätzlich eine Welle von Palestrina und dergleichen aus gottessehnsüchtigen Tiefen auftauchen. Kein Irrer soll auf dem Dorfplatz von Göreme den Bus verlassen.

In der Nähe des kleinen Dorfes Eggum auf den Lofoten - die Sonne im Norden verharrt im Schwebezustand zwischen Aufgang und Untergang - beginnen an schäriger Küste weite, bemooste Flächen von innen her zu leuchten. Auf dem Deich, der von Husum nach Nordstrand führt, beginnen von der untergehenden Sonne entzündete, glühende und verkohlte, in ihrem Innern langsam, kräftig und unaufhaltsam sich umwälzende Wolkenmassen wie eine riesige, geöffnete Muschel sich über den im Staunen erstarrten Betrachter zu stülpen. - Zum Glück gab uns der Herr die tiefen Temperaturen.

Und doch es ist einem ganz geheuer bei allem Ungeheuer. Das Unerhörte vermag, wenn später angedacht, Worte, denkende Worte gar, zu spenden. Dürre Worte alleweil, doch keine trockenen Versicherungen:

Eine unerhörte Begebenheit, die jeder Beschreibung spottet, weil die Anführung jedes sich in ihr ereignenden Dinges von der Rede der Begebenheit selbst weggespült wird, die da schlicht lautet: "Schau! Dass es das alles gibt!"

Es ist nicht der Mond, es ist nicht die bemooste Fläche, es sind nicht die Wolkenmassen. Dass es das alles gibt, das ist es. - Das ist die Rede der Schönheit selber, die sich der schönen Dinge bedient, um den von der Schönheit Überwältigten auf den Weg zu locken, an dessen Ende das Walten selber der schönen Dinge ... Was auch immer. Dahin gelangen wir nie. Drum wird die begeisterte Rede, wenn sie nicht gänzlich zu erbaulichem Gewäsch verkommen will, hier kurz innehalten. - Und dann fährt sie fort, die begeisterte Rede, immer im Sog des in unerhörten Begebenheiten Waltenden, das sich dem Begeisterten stets entzieht und ihn so in seiner Rede und seinem Gesang hält.

Ein Sänger, der - begeistert und beflügelt- von sich wegweist, hin auf das, was ihn im Singen hält, indem es ihm, dem in seinen Sog Geratenen, sich entzieht. Ein Sänger, der mit weit ausladender Geste auf das zeigt, von dem er schliesslich doch nur singen kann: "Ich weiss nicht, was soll es bedeuten."

"... inquietum est cor nostrum, donec ..."