T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, Januar 04, 2006

What is it like to have a Davidson?


Ich kann Leute, die von ihrer Harley-Davidson oder ihrem Jaguar schwärmen, komplett gut verstehen. Dabei habe ich nicht einmal einen Führerschein. Vor einigen Jahren sass ich im Intercity zwischen Zürich und Bern einem älteren Herrn gegenüber, der stinkzufrieden dasass, lächelnd um sich blickte und offensichtlich gewillt war, dem nächstbesten Fahrgast mitzuteilen, dass es kaum etwas Besseres als das Leben gebe. Ich konnte es nicht lassen, irgendeine Bemerkung, unser gemeinsames Fortbewegungsmittel betreffend, mehr so vor mich hin zu labern. Damit hatte ich meinem Gegenüber das Stichwort geliefert. Der sehr sorgfältig gekleidete, höfliche Herr brauchte keinen abrupten Themenwechsel vorzunehmen. Er wechselte bloss das Fortbewegungsmittel: Da hatte er doch tatsächlich am selben Nachmittag so einen amerikanischen Schlitten - ich glaube es war ein Buick - erstanden. Nun freute er sich tierisch darauf, seiner Frau davon zu erzählen, und bevor es so weit war, hielt er sich an mich. Er brauchte sich nicht aufzudrängen, hatte sich auch - mit einem Blick auf mein Buch - erkundigt, ob ich wohl gesonnen sei und so, kurz: Ich liess es gern zu, dass er mir von seiner Herzensangelegenheit erzählte. Und das lohnte sich. Als wir uns nach einer guten Stunde herzlich voneinander verabschiedeten, wusste ich, wie es ist, der stolze Besitzer eines Buick zu sein. Ich hatte das bestimmte Gefühl, meinen Horizont entscheidend erweitert, viel über das Leben im Allgemeinen gelernt und die Menschen ein bisschen lieber gewonnen zu haben.

Die Freude dieses Mannes an seinem Buick ist von der gleichen Art wie meine Freude am heute gekauften Donald Davidson. Das mag allzu selbstverständlich sein, enthält aber einen hübschen Hinweis darauf, wie wir unser Leben bereichern und verschönern können: Wir erkundigen uns sachte danach, was andern Leuten die grösste Freude bereitet. Das kostet nichts - mit ein wenig Geschick lassen sich sogar die Opportunitätskosten niedrig halten - und bringt sehr viel ein. Ich habe es schon oft erlebt, wie sich die Beziehung zu jemandem, mit dem ich eben noch gerade gut ausgekommen war, schlagartig - jahwolle: schlagartig! - veränderte, als sich für einen von uns die Gelegenheit ergab, ungezwungen von seiner Herzensangelegenheit (Kaffeerahmdeckeli sammeln, den 'Ulysses' übersetzen, das Auto frisieren, die 'Kunst der Fuge' studieren, nach Feierabend die neuste Folge der Telenovela gucken, so menschliche Dinge eben) erzählen zu dürfen.

Praktisch: Jemand teilt dir mit, dass er gern Cricket spielt. Du weisst nicht einmal, was Cricket ist. Optimale Reaktion: "Oh!" Mögliche Fortsetzung: "Du kennst Cricket?" - "Nein. Erzähl mal." Auf "Oh!" folgt immer ein Happy End. "Oh!" ist eine durchtriebene Anmache. Dein Gegenüber ist machtlos. Ein Freund wird sie - ich wechsle mal das Pronomen - nach Jahren vielleicht fragen, warum sie dich eigentlich mag. Sie weiss es nicht mehr: "Er ist halt nett." Genau! Du hast vor Jahren mal an der richtigen Stelle "Oh!" gesagt. - By the way: Wenn du es nicht so mit den Leuten hast, ersetzt du das "Oh!" einfach durch ein "Aber", gefolgt von irgendwas. Charmetiraden wie "Aber ist das nicht langweilig? ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie du, der du doch vom Typ her eigentlich eher ..." sind gar nicht nötig.

Sie trägt ein neues Kleid und sieht darin einfach so ... so ... ähmmm ... na eben so ... "hübsch" geht dir nicht über die Lippen - du kennst sie ja überhaupt nicht, hast noch nie einen Gruss mit ihr gewechselt - deine Anmache soll nicht plump wirken - und inzwischen ist sie schon vorbeigerauscht. Versuch's mal mit einem verschmitzten, unaufdringlichen, ehrlichen "Oh!"