T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Dienstag, Januar 09, 2007

Rubrik: Sprachphilosophie: Bedeutungstheorie

Ertrunken im Metaphernmeer


Metaphern sind Dinge, mit denen wir ganz gut klarkommen. Gleichzeitig sind sie Dinge, an denen geläufige Vorstellungen vom Verstehen grandios zerschellen. Unser Umgang mit Metaphern zeigt, dass wir als Verstehende erfolgreiche Forscher sind und nicht etwa Maschinen, die beflissen nachschlagen, was mal irgendwie in ihrem Memory abgespeichert worden ist.

"Ja schon. Ich bin bloss ein bisschen misstrauisch, wenn jemand versucht, dermassen viel Substanz aus diesem Metaphernwesen herauszuschlagen. Metaphern sind schliesslich ein enges Feld. Sie sind doch die paar Ausnahmen, an denen wir eine ansonsten plausible Theorie des Verstehens nicht scheitern lassen sollten."

Seit einiger Zeit schon halte ich mich an einem Ort auf, wo die Metaphern nicht bloss einen kleinen poetischen Tümpel, sondern ein Meer bilden, in dem dieser Einwand untergeht: Ich treibe Türkisch. Türkisch ist eine Sprache, in der Zigaretten getrunken werden. Gleich nachdem man die ersten Abschnitte eines beliebigen Lehrbuchs, in dem Ayşe noch Tee trinkt, geschafft hat und Jahre bevor man sich auf einen türkischen Hölderlin einlässt, stellt man verdutzt fest, dass Ayşe neben dem Tee auch noch eine Zigarette trinkt. (Oder natürlich umgekehrt: Ayşe stellt mit ihrer Zigarette etwas an, was wir als 'rauchen' bezeichnen würden, und raucht dazu einen Tee.) - Jahre später werden wir, nunmehr ohne Lehrbuch, etwa die Hauptfigur aus Pamuks 'Kar' auf einer Busfahrt 'vier Augen öffnen' sehen und feststellen, dass er verdammt genau aufnimmt, was sich in seinem vom fahrenden Bus ständig gedrehten und zerdehnten Gesichtsfeld abspielt. (Dass das Gesichtsfeld von einem fahrenden Bus zerdehnt werden kann, habe ich übrigens nicht in Pamuks Roman erfahren; ich wusste es vor zwei Minuten selber noch nicht.) Tja, und bevor wir umblättern, schnappen wir noch zwei drei weitere 'Ausnahmen' auf. Wir geniessen sie (trinken/inhalieren/verschlingen sie, saugen sie ein, nehmen sie auf) in vollen Zügen und denken längst nicht mehr daran, durch sie den Einwand oben zu entkräften, denn der ist schon Jahre vorher im Metaphernmeer ertrunken.


Ich möchte bei dieser Gelegenheit einer weiteren Verstorbenen gedenken. Es handelt sich um eine in den einschlägigen Blättern gern dargestellte Promi, die viele Namen trägt. Ich will ihrer hier unter dem Namen 'Tessa di Incompatibilitate' gedenken. Sie erfreute sich zeitlebens allergrösster Beliebtheit, und auch posthum hat sich daran nicht viel geändert. Ihr Faszinosum besteht vielleicht darin, dass sie lauter wirres Zeug mit einer gewissen Grandezza vorzutragen wusste. Ich breche ab: De mortuis nil nisi bene.