T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Dienstag, Dezember 05, 2006

Richard Rorty zur Einführung


Richard Rorty ist ein Ethnozentrist. Als solcher bejaht er die Kontingenz und verzichtet auf Metaphysik.

Verschiedene Menschen(gruppen) haben verschiedene Werte. Das ist trivial. Diese Werte sind kontingent. Das ist auch trivial. Dass einer ohne 'Gibt es nicht doch vielleicht?' und dergleichen bei diesen Trivialitäten stehenbleibt, ist nicht trivial. Rorty verzichtet darauf, die Benennung von Trivialitäten durch den Gebrauch von Wörtern wie '(Kultur)Relativismus' und dergleichen zu veredeln. Und er bejaht die Kontingenz. Das ist auch nicht trivial.

Den Verzicht auf Metaphysik mag man auch als trivial ansehen. Allerdings sollte man dann nicht immer mal wieder der Versuchung unterliegen, seine besten eigenen Werteinstellungen sowie diejenigen der eigenen Gruppe dadurch vor der Kontingenz zu retten, dass man sie in einer jedem vernünftigen Wesen einsichtigen Weise an irgendetwas jedem vernünftigen Wesen zugänglichem Härterem, Beständigerem, das bloss Zufällige Übersteigendem festzumachen versucht.

Die Situation ähnelt der bei Nietzsche. Beide Denker lieben das flüssige Element oder die Sumpfgebiete der Kontingenz. Und beide strahlen sie eine überschwängliche Bejahung aus. Die ist bei Nietzsche noch oder vor allem dort spürbar, wo er mit dem Hammer an festgeformte Skulpturen klopft und dabei die mittlerweile nicht nur Skeptikern bekannten Hohltöne erzeugt. Bei Rorty finden wir diese Bejahung am ausgeprägtesten in seiner Figur des liberalen Ironikers, der um die Kontingenz seiner besten Überzeugungen weiss und ungerührt an ihnen festhält. Bei beiden wird nicht unter Verweis auf Unumstössliches bejaht. Es wird schlicht und nicht wenig ergreifend bejaht.


"Aber eine solche Bejahung ist unbegründet." - Tja, ich kann es ja nachvollziehen. (Jeder hat doch mal seine metaphysische Phase gehabt. Und nicht jedermann wird durch Wittgensteins Bemerkung, wonach unsere grundlegendsten Überzeugungen in der Luft hängen, zum Schmunzeln gebracht.) Wir müssen begründen und befestigen, was uns lieb und teuer ist. Sonst schwimmt es uns eines Tages davon oder zerbröselt uns zwischen den Fingern. Man mag Rorty nicht trauen, wenn er Habermas, dem CEO der Frankfurter- Begründungs-GMBH, und andern empfiehlt, ihre Versuche, die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch Argumente plausibel zu machen, einzustellen und stattdessen mit ihm ein frisches Loblied auf die genannten innig geliebten Werte anzustimmen. ("Es singe, wem Gesang gegeben!" - "Ok! Den Habermas nehmen wir nicht in unsern Chor auf.")

"Stellt sich die Frage, wer den Sängerstreit gewinnt. Da ist doch ein grosses Risiko dabei!" - "Nicht wirklich. Es soll ja Gegenden geben, wo solcher Wettstreit verboten ist. Und in unsern Gegenden mag einer wacker gegen die genannten Werte ansingen. Was er damit erreichen kann, ist bestenfalls die Gratisverpflegung in einer Klapsmühle." "Ist das nicht ein wenig blauäugig?" - "Nicht, wenn wir uns auf die Tugend der Wehrhaftigkeit besinnen. Und die ist an Orten, wo gesungen wird, bestimmt nicht weniger häufig anzutreffen als in Unternehmen wie demjenigen von Habermas."


Kontingente Werte sind Pflanzen, die in Sumpfgebieten wachsen, gedeihen, mutieren und sich anpassen. Wer einen festen Katalog anlegen will, einen endgültigen Katalog, sollte sich vielleicht nicht auf solche Gebilde konzentrieren. Er sollte aber auch nicht vergessen, jeden Abend vor dem Schlafengehen darum zu beten, dass das metaphysische Erdreich, das seinen Gebilden Halt geben soll, nicht ins Rutschen gerät. Wenn nämlich in der Götzendämmerung die Trutzburgen einstürzen und die Wassermassen des Stroms sich zwischen die Ruinen drängen ...

"Ja? Was dann?" - "Tja, vielleicht geht's auch in diesem Fall zu wie in der Götterdämmerung ..." - "Genug jetzt! Das war eine miserable Einführung in Rorty!" - "Der Anfang war ganz gut. Und am Ende läuft es bei mir z. Zt. halt auf den Nietzsche hinaus. Und auf den Schluss der Götterdämmerung läuft sowieso alles hinaus. Auf die letzten Töne des 'Rings', die im Zwiegesang zwischen Sigmund und Sieglinde im ersten Akt der 'Walküre' erstmals erklangen, menschliche Töne, irdische Töne inmitten des heroischen Leitmotivgetümmels der übermenschlichen Recken und Fabelwesen."