T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Dienstag, Dezember 20, 2005

[Philosophisches Quartett: Neues von der Seele. Teilnehmer: Peter Sloterdijk, Rüdiger Safranski, Peter Bieri, N.N.]

Falls einer es noch nicht gemerkt haben sollte, wird er gleich brutal mit der Neuen Realität konfrontiert, der er sich dann gefälligst auch zu stellen hat, und ein paar Hilfestellungen gibt es ja schliesslich auch noch, dazu ist man ja zusammengekommen. -

Früher durfte man ja noch unbefangen von der Seele sprechen. Heute läuft man Gefahr, als nicht mehr auf der Höhe der Zeit befindlich zu gelten, wenn man angesichts der Erkenntnisse der Hirnforschung u.a. so tut, als wisse man überhaupt, was man sagt, wenn man das Wort 'Seele' in den Mund nimmt. Oder hat jemand es noch nicht mitbekommen? Es stand doch in der Zeitung (Artikelserie über Hirnforschung in der FAZ)! Jetzt wird aufgearbeitet, was uns alle daran herausfordern muss. Wir dürfen nicht weiter die Naiven spielen; die gesellschaftlichen, gesamtkulturellen und geistesgeschichtlichen ["Dürfen wir noch von 'Geist' sprechen?"] Umwälzungen, die in einem vergleichsweise noch milden Beben sich eben erst ankündigen, sind noch nicht abzusehen, und es gilt sich zu wappnen. Der gute alte Substanzdualismus, der, wie bei TV-Ereignissen üblich, gleich die ganze Geschichte der abendländischen Philosophie durchzieht, von Aristoteles über Descartes ... Bieri: "Aristoteles war kein Substanzdualist. Für ihn war die Seele die Form des Körpers." - Was war das jetzt? Spielverderber! - Heute jedenfalls geht der Reduktionismus um, der zunehmend an Bedeutung gewinnt und schon dabei ist, die Massen zu ergreifen, oder zu erschrecken. Bei der Masse - bei Sloterdijk war's zwischendurch doch tatsächlich der 'Mann von der Strasse' - weiss man ja nie. Sie lässt sich durch manches Gift verführen (Safranski diagnostizierte zwischendurch einen natürlichen Hang des 'Normalbürgers' zum Reduktionismus), oder sie fürchtet sich schauderbar davor, ist total verunsichert, weiss nicht mehr, ob ihre Sprechweise noch dem neusten Forschungsstand entspricht, und spätestens hier ("Die Leute haben andere Sorgen." - Spielverderber!) spätestens hier kann, ja darf uns [gilt auch für den Spielverderber!] die ganze Geschichte nicht mehr kalt lassen. Zu viel steht auf dem Spiel. Und wir, die wir heute nicht zuletzt darum zusammengekommen sind, um auch Orientierungen anzubieten, in einer Zeit zumal, in der die Philosophie als neue Leitwissenschaft infragegestellt wird ...

Ach, wie mochte ich den Sloterdijk, als er dereinst den 'letzten Menschen' definierte: "Der Passant vor dem Mikrofon." - Zappen ist schön! Ich hatte es schon zu lange ausgehalten, Colombo & Co. hatten ja auch noch zu tun. Doch weil ich ein ordentlicher Zapper bin, landete ich schliesslich wieder in der Realität, dem grassierenden Reduktionismus, dessen Wüten noch immer das Wort geredet wurde, nicht zuletzt wohl deshalb, weil sich der renitente Bieri partout nicht erschrecken lassen wollte: "Natürlich nehmen wir Forschungsergebnisse zur Kenntnis. Doch wenn diese Forscher dann philosophische Aussagen riskieren, werden wir uns fragen, ob das, was sie in die Welt setzen, in sich einigermassen stimmig oder nicht - wie so oft - schlichter Unsinn ist." - Hoppla! Das ZDF hatte mich wieder! - Was machte der da? Und überhaupt:

Was tut eigentlich ein Philosoph?


Nun, er nimmt sich halt mal so eine reduktionistische These vor. Dazu muss sie zuerst mal sauber formuliert werden:

Nur wenn eine Aussage in naturwissenschaftlicher Terminologie formuliert ist, sagt sie etwas Wesentliches/Sachhaltiges/Wahres über die Wirklichkeit aus.

Peter Bieri ist damit nicht einverstanden. Er beschränkt sich nun nicht darauf, irgendwelche (blitzgescheiten oder idiotischen) Reflexionen über die These anzustellen und darauf zu zählen, dass der Reduktionist schliesslich umkippen wird. Bieris Kritik ist immanent: Er versucht den Kontrahenten mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.

Das Vorgehen (Theorie): Man nehme die These und binde sie in ein gültiges Argument ein, so dass sie, eventuell zusammen mit andern Aussagen, denen der Kontrahent zustimmt, als Prämisse des Arguments auftritt; als Konklusion nehme man eine Aussage, der der Kontrahent widerspricht. Gelingt es, ein solches Argument zu basteln, ist die Sache gelaufen: In einem gültigen Argument kann nicht aus wahren Prämissen eine falsche Konklusion folgen. Mindestens eine der Prämissen muss also aufgegeben werden. Oder man erklärt die Konklusion nachträglich für wahr. Um diese Möglichkeit auszuschliessen und den Kontrahenten dazu zu bewegen, die These fallenzulassen, muss man einfach die andern Aussagen, die mit der These als Prämissen auftreten, sowie die Konklusion geschickt wählen.

Das Vorgehen (Praxis): Bieri nimmt eine Aussage über ein Bild: Aussage S: "Dieses Bild stellt das Abendmahl dar." Die zweite Prämisse lautet nun:

'S' ist keine in naturwissenschaftlicher Terminologie formulierte Aussage.

Zusammen mit der These, wonach die Formulierung in naturwissenschaftlicher Terminologie notwendige Bedingung für Sachhaltigkeit ist, folgt daraus:

'S' ist nicht sachhaltig/wahr.

Bieri: "Und das ist einfach Unsinn."

Fazit: Unter der Voraussetzung, dass er der zweiten Prämisse zustimmt und die Konklusion ablehnt, muss der Kontrahent seine These aus logischen Gründen aufgeben.

[Meine theoretische Beschreibung des Vorgehens mag für die eine oder andere Leserin etwas zu viel voraussetzen. (Ich wollte ja bloss zeigen, dass ich seinerzeit meine Hausaufgaben gemacht habe. Auf eine formelle Darstellung habe ich aber nur schon aus Faulheit dann doch verzichtet.) Bieris Argument - er brauchte zu seinem Vortrag keine zwei Minuten - dürfte aber auch für sie unmittelbar plausibel sein.]

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Peter Bieri als Orientierungs- und Ruhepunkt in einem Zirkus, bei dem man vor lauter Aufgeregtheit nicht schlau daraus wird, wo genau man nun einer Orientierung bedürfte. "Wir schauen einfach, ob das, was da gesagt wird, in sich einigermassen stimmig ist." "Wir reden einfach weiterhin so, wie wir bisher geredet haben. Wir müssen uns das nur nicht verbieten lassen."

Reaktion: "Sie machen es sich vielleicht doch etwas zu einfach." - Tja, wer sich lieber über die fiktiven Sorgen von Otto Normalverbraucher den Kopf zerbricht, kann das tun. Ich hab's schon gern einfacher: Eine klare Formulierung für etwas finden; die logische Form einer Aussage durchschauen; dabei zur Not schon mal eine Formalisierung versuchen; schauen, ob etwas in sich stimmig ist; auch hier das Ergebnis, zu dem man intuitiv gelangt, zur Not mal durch eine Ableitung und/oder ein Entscheidungsverfahren überprüfen; na, so einfache Dinge eben. Und dann hat man ja schliesslich noch andere Sorgen: Man hat den Film ja schon mal gesehen, kann sich aber nicht mehr genau erinnern, wie Kommissar Colombo den Bösewicht schliesslich reingelegt hat. Und wenn dann in der nachfolgenden Zapptour das ZDF wieder an der Reihe ist, ist der Spuk schon vorbei. Und manchmal bleibt etwas haften. Das versucht man dann, in einem Blog etwa, festzuhalten.

Mondnacht


Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

(Joseph von Eichendorff)