T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, Januar 04, 2009

[Das hier ist zu 80 Prozent Kant, ein (allzu) gut bekanntes Stück Kant, aber keine Übung im korrekten Setzen von Anführungszeichen bei der Verwurstung inklusive (Ver)salzung von über 20 Seiten Text aus der 'Grundlegung'.]


Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen


Ein unentgeltlich wohltätig tätiger Mensch, eine teilnehmend gestimmte Seele, so teilnehmend gestimmt, dass sie ein inneres Vergnügen daran finden kann, Freude um sich zu verbreiten, und die sich an der Zufriedenheit anderer, soweit sie ihr Werk ist, ergötzen kann: So pflichtgemäss, so liebenswürdig ihre Taten auch sind, sie haben keinen wahren sittlichen Wert.

Derselbe Menschenfreund, aber sein Gemüt nunmehr umwölkt von einem Gram, der alle Anteilnahme am Schicksal anderer auslöscht, immer noch vermögend genug, um Notleidenden wohlzutun, aber ungerührt von fremder Not, weil mit seiner eigenen genug beschäftigt, ohne die mindeste Neigung, andern wohlzutun, tödlich unempfindlich: Jetzt erst haben seine Taten einen echten moralischen Wert.

Hier ein Mensch, bei dem eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass seine wohltätigen Handlungen auch von wahrem sittlichem Wert sind: Die Natur hat ihm wenig Sympathie ans Herz gelegt, und von Temperament ist er kalt und gleichgültig gegen die Leiden anderer. Ihn einen erbärmlichen Menschen zu nennen, verbietet uns seine monströse Behinderung, und daran, ihn für erbarmungswürdig zu halten, hindert uns der Umstand, dass an ihm sich eher als an andern ein Wort der 'Grundlegung' erfüllen kann: Da sein Wille aller Antriebe beraubt ist, die ihm aus der Erfüllung irgendeines Gesetzes entspringen könnten [1], so bleibt ihm nichts als die allgemeine Gesetzmässigkeit der Handlungen übrig, welche allein seinem Willen zum Prinzip dienen kann, d. i. er wird niemals anders verfahren als so, dass er auch wollen kann, dass seine Maxime ein allgemeines Gesetz werde.

[1] Erfülle das Gesetz, aber sieh zu, dass dabei nicht ein gesetzesfremder, wenn auch noch so gutartiger Antrieb, wie ein Ross dem Stall, deinem Willen entspringt. (Die blosse Tatsache, überhaupt irgendeinen Antrieb zu haben, ist meinem treuen Diener Immanuel suspekt.)

Hier ist vielleicht noch ein ermunterndes Wort an alle glücklicheren, gutartigeren Charaktere angebracht, die von der Natur, was die Moralbefähigung betrifft, offensichtlich etwas stiefmütterlich behandelt worden sind: Ihr könnt euch ja hieran halten: "Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen!" Denn im Wohltun aus Pflicht, wenn dazu gar keine Neigung treibt, ja gar natürliche und unbezwingliche Abneigung widersteht, liegt eure Chance. [2]

[2] Wo auch euch das Wohltun so richtig gegen den Strich geht, da stirbt der letzte Verdacht meines treuen Dieners Immanuel.


[Ha! - Oh Freunde, 20 Seiten vom 'Königsberger Chinesen', das war ein Nachmittag!]