T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, November 06, 2008

[Zwei Exzerpte aus Nagels 'Das letzte Wort'. Sie und auch die andern Zitate entnehme ich dem Abschnitt II des zweiten Kapitels mit dem Titel: 'Warum man das Denken nicht von aussen verstehen kann'.- Ergänzung zum letzten Blog. Anknüpfungspunkt: der Abschnitt über die Erweiterung der Selbstkenntnis.]

Die Ratio als Grenzerfahrung


Die Ratio erscheint hier als die Grenze, auf die einer unweigerlich stösst, wenn er sich - ernsthaft! - daranmacht, den letzten rationalen Kern seiner Überzeugungen durch einen Nachweis ihrer totalen Bedingtheit durch kontingente (beispielsweise lebensgeschichtliche) Fakten von aussen kausal wegzudisputieren.

Die Rede ist vom Cartesianischen Cogito:

"Es lässt eine Grenze jener Art von Selbstkritik erkennen, die einsetzt, wenn man sich selbst von aussen anschaut und die Art und Weise betrachtet, in der die eigenen Überzeugungen durch Ursachen hätten hervorgebracht werden können, die nicht ausreichen, um die Überzeugungen zu rechtfertigen oder in ihrer Geltung zu erhärten. Was bei diesem Prozess zunehmend destruktiver Kritik deutlich wird, ist die Unvermeidlichkeit des Vertrauens in ein Vermögen, das alle skeptischen Möglichkeiten erzeugt und versteht."

[Der Ismus (Subjektivismus, Relativismus, Skeptizismus) lässt sich nicht wegdisputieren. Führe ihn mit deinen eigenen Beispielen zäh und entschlossen durch! Du wirst dabei früher oder später auf einige Gedanken stossen, aus denen du beim bösesten Willen nicht heraustreten kannst. Natürlich wirst du auch diese Gedanken vorher einer gründlichen Kritik unterzogen haben. Aber du wirst gewahr geworden sein, dass diese Gedanken, die du einer Kritik von aussen unterziehen willst, diese Kritik leiten, dass deine Kritik ohne sie gar nicht auskommen kann. - Nagel spricht im Vorwort von "Gedanken, die stets dableiben, einerlei, wie sehr wir uns bemühen, aus ihnen herauszutreten oder sie bloss als zufällige Veranlagungen zu betrachten". - Liebe Leute, das ist eine Denkerfahrung, die ich jedem/r gönne! Fragt mich nicht nach Beispielen! Zieht euer eigenes Ding durch! (Nagel bringt natürlich reichlich Beispiele, und das eine oder andere werde ich vielleicht dann doch noch verbloggen.)]

"Die objektive Vernunft entdecken wir, indem wir feststellen, dass wir gegen bestimmte Grenzen anrennen, sobald der Frage nachgegangen wird, ob unsere Überzeugungen, Werte und so weiter subjektiv, kulturrelativ oder sonstwie wesentlich perspektivengebunden sind. Bei der Betrachtung solcher Hypothesen spielen bestimmte Formen des Denkens unweigerlich eine direkte Rolle und erweisen sich als inhaltlich objektiv."

['direkte Rolle', 'inhaltlich objektiv': Die Dinger sind pausenlos aktiv, ob ich sie nun explizit bejahe oder pausenlos gegen sie anrenne. - Darum kann Nagel dem Einwand, es gehe doch nicht an, sich bei der Verteidigung der Vernunft zirkulär auf die Vernunft selber zu berufen, so begegnen, dass er sagt, "dass die Berufung auf die Vernunft implizit durch den Einwand selber autorisiert ist, so dass es sich im Grunde um ein Verfahren handelt, das den Einwand als unverständlich erweist".]



[Um einem Missverständnis vorzubeugen: Nagels Thema ist die Objektivität, nicht etwa die Gewissheit. Er spricht ausdrücklich von seiner "Preisgabe des Gewissheitsanspruchs". - Irren können wir uns alleweil und munter. Aber deswegen jeden Anspruch auf Objektivität aufzugeben, ist bescheuert.]