T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, Juli 19, 2007

Rubrik: Blogs, die nie geschrieben wurden

Davon gibt es heute gleich eine Handvoll. Obertitel: Heidegger lesen

Ich bin ja wild entschlossen, ich arbeite daran, nehme mir Zeit dazu, diesen Heidegger zu mögen, ihn mit Freude zu lesen, seinen Gedankengängen gelassen zu folgen. Schliesslich nimmt seine Existenzphilosophie in meinen Tagebucheintragungen keinen geringen Raum ein, und es vergeht kein Tag, an dem er nicht irgendwo in eines meiner Gedankenspielchen hineinspukt.

Ja, Heidegger ist für mich wichtig. Wie schade, dass ich ihn nicht ausstehen kann! - Ja, ich bewundere ihn. Einen Mann mit Vergangenheit, der in späten Jahren dem 'Spiegel' ein Interview gewährte und dabei all die brennenden, über Jahrzehnte aufgestauten Fragen in einer Sprache beantwortete, die jeden, der seine Seminare besucht hatte, in Entzücken versetzt haben muss. Heideggers Umgang mit den Medien ist unerreicht, unerreichbar. Jeder, der hier einwendet, es müsse aber vielleicht doch noch bedacht werden, hat schon verloren. Heidegger scheint Bedenken und einfühlsame Erwägungen gar nicht zu kennen. Der ist über all das immer schon hinweg, weil er voll bei der Sache ist. Ein Unbeirrter, der sich verirrt, der dann weiter unbeirrt seinen Holzweg abtrampelt. Es gibt ja nichts anderes. Was kümmert ihn beispielsweise die Philosophie? Der Mann lässt sich durch gar nichts vom Denken abbringen. Wie schade, dass ich keine Freude daran habe, ihn zu lesen! - Heidegger vermochte mich immer wieder zu verblüffen. "Was heisst Denken?" heisst eine berühmte Vorlesung (WS51/52), die ich hier mal kühn als einen Versuch Heideggers interpretiere, seine Zuhörer an das Hören auf den Sinn der Frage heranzuführen und sie im Fragen zu halten. (Ich pantasiere ohne Gewähr, dass Heidegger das nicht ganz genau so gesagt hat.) Es stört mich überhaupt nicht, dass Heidegger dieses Halten als ein Hüten versteht und alsbald ein paar Kühe auf die Weide treibt. Und es stört mich nicht die Bohne, dass Heidegger in der 5. Stunde nach der obligaten Repetition und der Beantwortung von (schriftlich!) vorgebrachten Hörerfragen den Sinn der Frage so zu erläutern beginnt: "'Warte, ich werde dich lehren, was gehorchen heisst' - ruft die Mutter ihrem Buben nach, der nicht nach Hause will." Da geht es mir wie bei Hegel, dem ich auch nicht verdenke, dass er keinerlei Ansätze zu einem Minderwertigkeitskomplex durchblicken lässt.


Tja, lieber Leser, dieser Nicht-Blog (ein echter Live-Blog) ist gescheitert. Ich mag das Zeugs von Heidegger nicht mehr lesen, sicher. Doch diese Tatsache vermag nicht einmal mich selber mehr zu interessieren. Ein müdes Lächeln bloss: Da entschliesst sich einer, nach frustrierender Lektüre über den Autor herzuziehen, und merkt dabei, wie sehr er ihm verfallen ist. Das ist nicht komisch, und schon gar nicht tragisch; da hat sich etwas unter der Hand einfach zu einer kleinen Referenz an den Gescholtenen, den humorlosen Heidegger, entwickelt.


[Jan: "Du meinst schon, ich solle jahrelang darüber nachdenken, was eine Frage bedeutet, die ich auf Anhieb verstehe?" - "Ja! Und das ist lustig! Alles, was es dazu braucht, ist ein kleines bisschen Liebe zur deutschen Sprache. Die Frage ist verdammt gut! Und Heidegger hat schon recht: Wer sie schnell beantwortet, verpasst einiges."]