T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, November 30, 2006

Ο φρονων την ημεραν κυριω φρονει
(An die Römer, 14,6)

Ein paar gebrochene Akkorde


Das erste Präludium aus dem 'Wohltemperierten Klavier' kennt jeder. Und viele haben es schon runtergerasselt oder gar versucht, etwas aus ihm 'rauszuholen'. Vermutlich gehen nur wenige in einen Plattenladen, um sich diese paar Akkorde reinzuziehen. Oder sie sitzen da und sammeln sich für die Fuge. An der habe ich mich seinerzeit auch versucht und war mit der ersten Durchführung nach einem halben Jahr stellenweise nicht mal gänzlich unzufrieden. Beim Präludium hatte ich schon lange vorher aufgegeben.

Einen entgleisten Tag kennt auch jeder. Über ein geglücktes Leben lässt sich trefflich philosophieren, von einem geglückten Tag wagt man kaum zu träumen. Manchmal ist das Leben für längere Zeit zerrüttet, und ab und zu lässt sich der Gedanke, dass das Leben im Ganzen keine rechte Bahn gefunden hat, nicht so ohne weiteres verscheuchen.

Tage, an denen gar nichts gelingen will, kennt auch jeder. Natürlich führt das blöde Musikgeschäft Beethovens drei letzte Klaviersonaten mit Andras Schiff nicht. Dann soll er mir doch ein bisschen Bach vorspielen. Das 'Italienische Konzert'. Auch das kriege ich heute nicht auf die Reihe und lande stattdessen bei der Nr. 25 der ersten CD dieses albernen Bach-Potpourris, dem ersten Präludium, und der Tag, der nie Fahrt bekommen hat, endet schliesslich in der Katastrophe:

Nach den vier Takten der einleitenden Kadenz ist die Welt erst mal im Lot. Ein an Ereignissen reicher Weg führt dann in Takt 11 gerade mal zur Dominante, und doch hält der Mitwanderer entzückt inne und lässt sich von der völlig ver-rückten Welt willig anwehen. Er ist zu allem bereit. Was kann denn noch schiefgehen? Was überhaupt kann denn im Leben schon schiefgehen? - Das Präludium ist verklungen. Das Abspielgerät gestoppt. (Bloss keine Fuge jetzt!) Die Geister, die den Wanderer einst - lang, lang ist's her - verrückt machten, haben sich versammelt und tragen Wirres im Durcheinander vor. Die Replik darauf erwächst aus den erneut vorbeiziehenden vier einleitenden Akkorden an der Stelle, wo sie sich erneut auf den erreignisreichen Weg machen: "Die armen Teufel! Sie können ES nicht hören."


Jan: "Nicht schlecht. Willst du das vielleicht nicht jemandem widmen?" - "Gut. Ich widme diesen Blog dem Handke!" - "Jetzt spinnst du aber!"