T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Montag, November 28, 2005

Rubriken: Hegelei, Ästhetik

[Ich fang mal grossspurig an: Was ich hier sagen wollte, liess sich nicht sagen. Und gleich schlichter: Ich bin gescheitert. Aber da ist dieses Bedürfnis, von meinen Abenteuern im Hegelland zu berichten. - Die Zitate stammen aus den Abschnitten über den 'speculativen Satz' aus der nachgeschriebenen Vorrede zur 'Phänomenologie'. Alle Hervorhebungen von mir. ]

[Abstract: Das Ganze ist die Summe seiner Teile. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Dieses Ganze, von den Teilen weggerissen (das abstrakte Ganze), ist wieder bloss ein Teil unter Teilen. Das wahre (konkrete) Ganze muss als Einheit des von den Teilen auch zu unterscheidenden (abstrakten) Ganzen und der Teile gedacht werden:

Identität von Identität und Nichtidentität
Schwebende Mitte und Vereinigung beider

Das Ganze ist lebendig, lebt in/aus Spannungen. Das Ganze pulsiert. - Eine einem Metrum gehorchende Reihe von Wörtern ist noch kein lebendiges Gedicht. Eine ihrem eigenen Akzent gehorchende Reihe von Wörtern ist kein Gedicht. Im lebendigen Gedicht wird der Konflikt zwischen beiden Elementen ausgetragen. Das Resultat ist ein pulsierender Schwebezustand, in dem starres Metrum und der Eigenimpuls der Worte sich überlagern und so eine neue Einheit bilden, den Rhythmus, die Einheit von Metrum und Wortakzent.]

Das vorstellende Denken, da seine Natur ist, an den Accidenzen oder Prädicaten fortzulauffen, ..., wird, indem das, was im Satze die Form eines Prädicats hat, die Substanz selbst ist, in seinem Fortlauffen gehemmt. Es erleidet ... einen Gegenstoss.

"Das ist mein Stichwort: Fortlaufen. Tschüss!" - "Wart!"

Vom Subjecte anfangend, als ob dieses zum Grunde liegen bliebe, findet es [das vorstellende Denken], indem das Prädicat vielmehr die Substanz ist, das Subject zum Prädicat übergegangen und hiemit aufgehoben; und indem so das, was Prädicat zu seyn scheint, zur ganzen und selbständigen Masse geworden, kann das Denken nicht frey herumirren, sondern ist durch diese Schwere aufgehalten.

"Mich kann nichts mehr aufhalten." - "Wenn du wüsstest, was du verpasst!"

Formell kann das Gesagte so ausgedrückt werden, dass die Natur des Urteils oder Satzes überhaupt, die den Unterschied des Subjects und Prädicats in sich schliesst, durch den speculativen Satz zerstört wird, und der identische Satz, zu dem der erstere wird, den Gegenstoss zu jenem Verhältnisse enthält.

Und jetzt kommt's:

Dieser Conflict der Form eines Satzes überhaupt, und der sie zerstörenden Einheit des Begriffs ist dem ähnlich, der im Rhythmus zwischen dem Metrum und dem Accente statt findet. Der Rhythmus resultiert aus der schwebenden Mitte und Vereinigung beyder.

Es steigt der Strahl und fallend giesst
Er voll der Marmorschale Rund.

So ist es gut. Hier herrscht das Metrum ungebremst, hier steigt der Strahl, hier fällt der Strahl, er steigt so flüssig, als er fällt. Der wackere Onkel Albert, der festlichen Familienanlässen mittels seiner allseits geschätzten Reimereien das gewisse poetische Etwas zu verpassen versteht, ist stinkzufrieden. Und nie wird er verstehen können, wie ein "Grosser" dazu kommen kann, die Sache schliesslich doch noch zu verpatzen:
   
Aufsteigt der Strahl und fallend giesst
Er voll der Marmorschale Rund.

"Aufsteigt der Strahl": Der Wortakzent von "aufsteigen" sperrt sich gegen das Metrum. Dieses erhebt den Anspruch, dass alles sich ihm füge. Diesem Anspruch Genüge zu tun ist nicht besonders schwierig, wie uns bei jedem gemütlichen Beisammensein demonstriert wird. Was sich gegen diesen Anspruch sperrt, ist - mit Hegel gesprochen - die Sache selbst. In ihr erkennen wir zwei Bewegungen. Eine erste, kraftvolle Bewegung, ein Aufschiessen des Wassers, das sich gegen die Schwerkraft aufstemmt und schon bald einen vorübergehenden Ruhepunkt erreicht, an dem die zweite Bewegung einsetzt, ein Abfallen zum Schwerpunkt, das in ein ruhiges, gemächliches Fliessen übergeht, bis es den zweiten und endgültigen Ruhepunkt erreicht, an dem das Wasser/Metrum versiegt: "Und strömt und ruht."
   
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

[Conrad Ferdinand Meyer: Der römische Brunnen.]

[Willst du noch mehr davon? Dann "Komm in den totgesagten park und schau". - So beginnt Georges 'Jahr der Seele'. -
"Warum würdest du gerade dieses Buch auf die besagte Insel mitnehmen? Du weisst doch schon, wer den Krug zerbrach." "Es ist der Rhythmus: 'Ei, was zum Henker!' geht es los. Oder lies doch mal den ersten dieser beiden Blankverse streng metrisch:

Adam: Der Fuss! Was? Schwer! Warum?
Licht: Der Klumpfuss?
Adam: Klumpfuss!
Ein Fuss ist, wie der andere, ein Klumpen.

Dagegen kommt doch kaum ein Knittelvers an!"]