T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Sonntag, Juni 21, 2009

[Es fährt ein Zug nach Nirgendwo ... gemächlich, nach und nach lebhafter. Letzteres gilt zumindest für meine Fingerchen, die ich für eingeschlafen gehalten habe, die nun aber meine liebste Monika zunehmend flinker befingern.]


Wir schauen dem Bub zu, wie er auf seiner Harmonika mittels Bassakkorden Volkslieder begleitet, von denen er jeweils gerade mal die erste Strophe gehört hat. Er sitzt versonnen da und macht ein paar elementare Bewegungen: Er rutscht eine Reihe hoch, wieder runter, wieder hoch ... Seltener geht's eine Reihe nach unten, wieder hoch, nochmals hoch (Hier überspringt er manchmal eine Reihe), und runter. Woher weiss er, welche Bewegung wann angesagt ist? Nun, er bewegt sich halt im Rahmen einer sehr engen Tonalität; da gibt es nichts zu überlegen; da wird mit dem Körper gedacht; da entfernt sich der Bub in zwei gefühlten Stärkegraden von einem gefühlten Zentrum und lässt sich immer wieder in dieses zurückplumpsen. Wir schauen den Bewegungen zu und bekommen eine kleine Choreographie der Harmonie der Stücke 'aus'n Huat' geliefert.

Aus dem Radio schwappen ein paar Orchesterlieder. Ich kenne sie nicht, und das Rätselraten geht sofort los ... Richard Strauss! Da bin ich mir sicher. Diese harmonischen Wendungen - 'Verrückungen' nenne ich sie - kenne ich ... Oh Gott, ich kenne sie zur Genüge, bin ihrer überdrüssig. Dabei sind sie dermassen elaboriert. Ihre Analyse dauert ein paar Jährchen plus eine Pubertät plus ein Musikstudium länger als die 'aus'n-Huat'-Analysen unseres Buben.

Woraus bemerkenswerter Weise nichts folgt


Ein Lied von Richard Strauss, und ich verstehe Schönberg & Co., wenn sie davon sprechen, dass die tonale Musik total abgestanden sei. Ein anderes Lied von Richard Strauss, in seiner elaborierten Machart vom ersten kaum zu unterscheiden, und der begeisterte Philotustan schreibt mehr als einen Blog darüber. Auf mehrere reichlich langweilige Liedchen von einfachster Machart ein Ereignis: Ein Liedchen von einfachster Machart, und der Tag ist gerettet! Was steht doch schon wieder am Brunnen vor dem Tore? Die Sache ist bestens bekannt, und doch ... Bekannt ist auch, dass auf der Alm z'Sunn aufgeht und die Sennrin a sches Diandl is, und doch ... Tja, ab und zu treffen einen solche Nachrichten wie die Offenbarung: Man lauscht erschüttert und entzückt.

Wir repetieren: Wir haben eine bestimmte Anordnung der musikalischen Parameter, und wir haben einen bestimmten Ausdruck. Nun ändern wir die Parameter geringfügig, und der Ausdruck verändert sich überhaupt nicht, ändert sich radikal oder geht komplett verloren. Oder wir ändern die Parameter radikal, und der Ausdruck ändert sich wenig oder radikal, oder er geht flöten. Der Ausdruck ist eine superveniente Eigenschaft.

[Das ist übrigens wie mit den Gehirnen: Man nehme ein Affenhirn und ändere es geringfügig, so dass daraus ein Menschenhirn wird. Nur Experten können die beiden Gehirne unterscheiden. Beim Verhalten ihrer Besitzer fällt einem die Unterscheidung doch etwas leichter.]


Tja, manchmal ist es ätzend langweilig, und manchmal ist es auch zum Sommerbeginn wie Weihnachten:

http://www.sins942.ch/lieder/ach_wann_kommen_jene_stunden.pdf

Diesen Dreigsang und eine Unmenge weiterer schöner Dinge hat der mir nicht bekannte Paul Villiger ins Netz gestellt. Ich widme ihm diesen Blog. Aus Dankbarkeit.